Hintergrund:Veranstalter erwägen Klage gegen Fifa

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Chaos um WM-Tickets ist weit von jeder Klärung entfernt - der Schwarzmarkt liefert interessante Indizien.

Thomas Kistner

(SZ vom 5.06.2002) - Steckt die WM in der Ticketkrise? Nicht, wenn man die Fifa fragt. "Welche Krise? Das Problem ist nicht zur Krise ausgewachsen", sagt Fifa-Mediendirektor Keith Cooper tapfer in Seoul. Aber wer definiert, wann ein Missverständnis endet und echter Ärger beginnt? Bei der WM ist es so weit, dass die Veranstalter über Konsequenzen gegen den Weltverband nachdenken. Kowoc, der südkoreanische Arm, hat einen Rüffel von der Regierung kassiert und zieht nun juristische Schritte gegen die Fifa in Betracht. Japans Premier Junichiro Koizumi hat das Thema ebenfalls bei einer Kabinettsitzung erörtert und Sportminister Atsuko Toyama angewiesen, die Fifa wegen des peinvollen Anblicks halb leerer WM-Stadien anzugreifen. "Ich bin überzeugt, dass die Verantwortung der Fifa gravierend ist. Wir werden uns mit Südkorea über geeignete Maßnahmen verständigen", kündigte Toyama an.

(Foto: N/A)

Werden die düsteren Prognosen wahr?

Tatsache ist, dass die vom Weltverband als Ticketing-Abwickler beauftragte britische Agentur Byrom massiv unter Druck steht. Schon der Entscheid der Fifa, dieses Geschäft an die in Manchester ansässigen mexikanischen Brüder Enrique und Jaime Byrom zu vergeben, hatte in England große Irritation hervor gerufen.

Nun scheinen sich die düsteren Prognosen zu bewahrheiten. Die Veranstalter in Asien attackieren Byrom schon länger: Es gab Probleme mit Duplikaten, es kam zu Verzögerungen beim Druck und der Lieferung hunderttausender Tickets nach Fernost. Und nun also das große WM-Rätselraten: Sagt uns, wo die Karten sind - sind sie irgendwo versickert?

3500 freie Plätze bei Eröffnungsspiel

Schon beim Eröffnungsspiel blieben 3500 Sitze frei, bei den ersten Spielen in Japan waren es gar 20000 Plätze. Auffallend, dass die Fifa die Situation zu beschönigen versuchte. Es gebe eine Politik, Plätze frei zu lassen, wurde behauptet; Cooper erklärte auf die Frage, warum beim Spiel Deutschland/Saudi-Arabien zigtausend Plätze frei geblieben waren, dies sei "wegen der unbefriedigenden Sichtmöglichkeiten auf vielen Sitzen" geschehen. Und: Es sei "genug Stimmung im Stadion" gewesen. Die Organisatoren machen solche Kommentare noch wütender.

Kowoc-Sprecher Hai-Youn Kwon bezichtigt die Fifa der Lüge: "Wir alle wissen, wo die schlechten Plätze sind, und die leeren waren keineswegs schlechte Sitze. Sie lügen, um ihre Fehler zu vertuschen." Jawoc-Sprecherin Yukiko Koike erklärt: "Es hieß, dass wir die unverkauften Tickets zurück erhielten, um sie in Japan verkaufen zu können - aber das war leider nicht der Fall."

Nun geht es um Schadensbegrenzung. Eine Reihe von Krisensitzungen endete damit, dass auf Ticketverkauf per Telefon umorganisiert wurde; und auf den traditionellen Verkauf am Kassenhäuschen. Vor Südkoreas Auftaktmatch gegen Polen nächtigten 15000 Fans an den Verkaufsschaltern, weil ruchbar geworden war, dass es noch 3000 Restkarten gab. Für chinesische Fans kam die Verkaufswarnung zu spät: Nur 27000 statt der erwarteten 43000 Zuschauer verloren sich im Stadion von Kwangju.

Die Situation ist so unklar, dass die Verantwortlichen nicht einmal wissen, wem sie die Schuld zuschieben sollen: "Wir tun unser Bestes", sagte Cooper gestern, "aber wenn unsere Ticketleute nicht mal wissen, wie die Probleme entstehen konnten, haben wir auch keine Antwort." Womöglich steckt ein Teil der Erklärung in den hohen Kontingenten, die an die Fußballverbände geliefert wurden. 580.000 Karten gingen zum Verkauf an die beteiligten Föderationen. Auf dem Schwarzmarkt tauchen nun Tickets auf, die diesen Kontingenten zuzurechnen sind - etwa dem Verband von Argentinien, so stellten britische BBC-Reporter beim Erwerb fest.

Auf den WM-Schwarzmärkten hat sich schon mancher Funktionär eine goldene Nase verdient. Ein diskreter Verkauf von 100 Karten für einen WM-Knüller wie Argentinien gegen England erbrächte allein schon ein kleines Vermögen, mit 400 Euro pro Ticket darf ja gerechnet werden. Möglich, dass sich die Untersuchungen der furiosen Organisationskomitees bald auch in diese Richtung wenden müssen.

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