Hannover 96:Werden wie Werder

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Die Verantwortlichen des heutigen Bayern-Gegners, Dieter Hecking und Christian Hochstätter, orientieren sich an erfolgreichen Vorbildern: Thomas Schaaf und Klaus Allofs.

Jörg Marwedel

Wenn der FC Bayern in die Stadt kommt, rücken Niedersachsen normalerweise noch mehr zusammen. Diesmal aber ist das nicht so einfach. Die Fans von Hannover 96 haben angekündigt, dass sie ihrem Klub in der ersten Halbzeit der Partie gegen den FC Bayern die Unterstützung verweigern wollen, selbst wenn den Hannoveranern ein Tor gelingen sollte.

Sie fühlen sich vom Klubchef Martin Kind nicht mehr als Fans, sondern nur noch als "Kunden" betrachtet. Sie mögen es nicht, dass Kind trotz aller Verdienste vor allem den "profitorientierten Fußballunternehmer" ( Hannoversche Allgemeine) herauskehrt und weniger den Boss ihrer Liebe 96, die ja viel mehr ist als ein teurer Spaß.

Dabei hat der Hörgeräte-Fabrikant in den vergangenen Monaten eine Entscheidung getroffen, die die Herzen der Anhänger eigentlich höher schlagen lassen sollte. Im September, als die Roten die schlechteste Elf der Liga waren, hat er den Trainer Peter Neururer entlassen und für 750.000 Euro den Coach Dieter Hecking, 42, vom Rivalen Alemannia Aachen losgeeist.

Das war eine ziemlich umstrittene Aktion, obwohl Hecking, der ja die Alemannia gerade in die Bundesliga geführt hatte, gute private Gründe vorweisen konnte. Seine Frau und die fünf Kinder leben in der Nähe von Hannover und er sah endlich eine Chance, nach beinahe sechs Jahren in der Fremde nicht mehr nur eine Monats-Ehe zu führen.

Der "System-Veränderer"

Hecking ist jetzt also zuhause, und mit dem damaligen Tabellenletzten ist es seitdem stetig bergauf gegangen. Als "System-Veränderer" wurde der Trainer unlängst vom Focus bezeichnet. Ein Mann, der mit "Individualtraining, Blitzpassspiel und permanenter Taktikschule" ein Team geformt hat, das vorher keines war. Bis auf Rang sieben hat er das Team geführt, das ist viel mehr, als selbst der Klubchef gedacht hatte. Als Hecking damals den Vertrag bis 2010 unterschrieb, raunte Kind seinem neuen Fußballlehrer ins Ohr, wenn er am letzten Spieltag gegen Nürnberg den Klassenerhalt schaffe, dann sei er ihm "sehr verbunden".

Womöglich hat der aus Schaden klug gewordene 96-Befehlshaber sogar einen zweiten wichtigen Schritt gemacht. Im Winter verpflichtete er den Sportdirektor Christian Hochstätter. Und erstmals sprechen die beiden sportlichen Leiter nun eine Sprache. Ob damals der Coach Ralf Rangnick mit Franz Gerber oder Ricardo Moar, später Ilja Kaenzig mit den Trainern Ewald Lienen und Neururer - stets waren sich die sportlichen Entscheidungsträger so wenig einig, dass Kind sogar erlebt haben will, "dass sich die beiden verbal geprügelt haben".

Inzwischen kämen Auseinandersetzungen zwar durchaus vor, aber nie gehe das ins Persönliche; am Schluss gingen Hecking und Hochstätter mit einem gemeinsamen Ergebnis auseinander. "Die Bremer Klaus Allofs und Thomas Schaaf", sagt Kind, "sind das beste Vorbild."

Leichter Spott für den Landesvater

Dass dabei der Sportmanager Carsten Linke, als früherer 96-Profi bei den Fans zum "Fußballgott" aufgestiegen, im vergangenen Monat von Hochstätter die Papiere bekam, gefällt den Anhängern wiederum nicht, obwohl Linkes Position in der Tat überflüssig war. "Hochstätter rasiert Fußballgott", titelte Bild, denn der Boulevard hat es noch nicht verkraftet, dass in Neururer und Kaenzig ihre besten Informanten fort sind und der neue Manager und der neue Trainer eher auf Distanz gehen zu den bunten Blättern.

Auch sonst ist Hecking ziemlich selbstbewusst. Gegenüber dem Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), der nach dem Sieg gegen Dortmund mitfeierte, schickte der trockene Humorist leicht spöttisch hinterher: "Ist doch schön, dass hier jetzt jeder Anteil am Erfolg hat."

Noch aber ist der Trainer lange nicht dort, wo er sein will. Denn nicht nur für Kind, der am Ende der fünften Bundesliga-Saison seit dem Wiederaufstieg 1992 erstmals "eine dicke, schwarze Null schreibt", ist Bremen das große Vorbild. "Wir haben als Stadt ähnliche Voraussetzungen", sagt Hecking, "und wenn allmählich der Erfolg kommt, muss er auch so gut vermarktet sein wie bei Werder."

Vorerst aber sind noch immer Baustellen abzuarbeiten. Ob es ein Pressesprecher ist (96 ist der einzige Erstligist, der sich keinen leistet), eine Rasenheizung für die Trainingsplätze, ein Kopfballpendel oder mehr Breite im Team. Es gibt viel zu tun in den nächsten Jahren, die Kind der "Kontinuität" verschrieben sehen will.

Diese Woche aber hat Hecking anderes im Sinn gehabt. "Egal, ob Bayern kommt oder sonst wer", sagt er, "wir mussten erst mal die schlechte Leistung vom 0:2 in Bochum abhaken und wieder lernen, wie die Mannschaftsteile miteinander spielen." Daran hat er gearbeitet, manchmal ist er auch laut geworden. Mal hören, ob die Fans am Ende auch wieder gut vernehmbar sind.

© SZ vom 7.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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