Handball:Zerstörter Zerstörer

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"Heute hat's ganz gut geklappt": Gegen Lübeck-Schwartau kam Tobias Prestele (am Ball) auch in der Offensive gut zum Zug. (Foto: Günther Reger)

Nach einer Halbzeit auf höchstem Niveau kassiert Zweitligist Fürstenfeldbruck eine weitere Niederlage mit nur einem Tor Unterschied. Abwehrspezialist Tobias Prestele ist nach dem Spiel fassungslos.

Von Thomas Jensen, Fürstenfeldbruck

Was genau ihm in diesen Minuten durch den Kopf ging, wollte er nicht verraten. Regungslos hatte Tobias Prestele, Defensivspezialist und Kreisläufer der Brucker Handballer, am Samstagabend auf dem Boden gesessen, angelehnt an den Torpfosten. Um ihn herum waren seine Mitspieler in ähnlichen Posen erstarrt. Als er sich dann aufraffte, beschrieb er zumindest seine Gefühle: "Enttäuschung ist das nicht mehr, es geht schon in Fassungslosigkeit über. Man findet keine Worte mehr, außer solche, die man nicht sagen sollte."

34:35 (22:20) verlor Fürstenfeldbruck am Samstag gegen den VfL Lübeck-Schwartau. Es war die zweite Niederlage mit nur einem Tor Unterschied in Serie, die fünfte in dieser Zweitliga-Saison. Wie am Samstag zuvor gegen Rimpar schafften es die Panther nicht, mit dem letzten Angriff auszugleichen.

Der Verlauf beider Spiele war unterschiedlich. Dieses Mal führten die Brucker über weite Phasen. In der ersten Halbzeit präsentierte sich die Offensive so effizient, dass sie Trainer Martin Wild als "nahe dran an der Perfektion" beschrieb. Durch schnelle Angriffe und Tempogegenstöße hatte der TuS dem Tabellenfünften immer wieder etwas entgegenzusetzen. Sogar Prestele, der im Angriff meist für Julian Prause Platz macht, erzielte in der ersten Halbzeit vier Tore. So viele wie noch nie in der bisherigen Saison. Durchaus Teil des Plans, wie er verriet: "Die haben ein paar Stunden Busfahrt in den Beinen. Das heißt, wenn wir hinten eins kriegen, können wir Vollgas nach vorne. Dann ist es für mich am einfachsten, mich hinzustellen und zu warten, ob ich vielleicht mal einen Ball krieg. Heute hat's ganz gut geklappt."

"Dann sind wir einige Minuten von unserem Konzept abgewichen - das hatten wir die letzten Spiele auch."

22:20 führten die Gastgeber zur Pause - und das gegen die vor diesem Spieltag zweitbeste Defensive der Liga, die im Schnitt 24,7 Tore pro Spiel kassiert. Trotzdem grübelte Trainer Wild später auch über diese erste Halbzeit, auch wenn er den Begriff der Fassungslosigkeit von sich wies: "Ich kann das schon fassen. Wir machen ein über 50 Minuten überragendes Spiel im Angriff, und dann gibt es eben Situationen, in denen gegen eine unglaublich routinierte Mannschaft die Absprache in der Defensive fehlt. Aber das sind Situationen, die man analysieren kann."

Im ersten Spielabschnitt lag sein Team zwischenzeitlich mit vier Toren in Führung. "Vielleicht hätte man da mit fünf oder sechs wegziehen können, gegen einen Gegner, der noch nicht hundertprozentig auf der Platte war", sinnierte der 42-Jährige. Für Lübeck-Schwartau war es das erste Punktspiel 2021, während die Brucker schon zwei Nachholspiele bestritten hatten.

Die zweite Phase, die Wild in seiner Analyse umtrieb, war die Mitte der zweiten Hälfte, als aus dem Vorsprung ein Rückstand von vier Toren wurde und ihnen die Partie entglitt: "Wir spielen voll am Limit und können handballerisch wirklich mithalten", ordnete der Trainer ein. "Dann sind wir einige Minuten von unserem Konzept abgewichen - das hatten wir die letzten Spiele auch." Umso mehr betonte er seinen Stolz darauf, wie sich die Mannschaft im Anschluss wieder herankämpfte.

Presteles Rückkehr aus der Bezirksoberliga nennt der Trainer eine "goldrichtige Entscheidung"

Tobias Prestele personifiziert diese Mentalität, sein Trainer attestiert ihm ein "riesiges Kämpferherz". Dabei war sein "Zerstörer", wie Wild ihn bisweilen nennt, eigentlich schon weg, ließ die Handballkarriere in der dritten Mannschaft des TuS ausklingen. Im Sommer trat der 33-Jährige dann aber mit Rückkehrgedanken an seinen Trainer heran. "Erst hat der Martin gedacht, ich will irgendeine organisatorische Funktion übernehmen, im Hintergrund. Erst dann hat er verstanden: Ach, du willst spielen!" Schnell war dann zwischen Trainer, Mannschaft und Prestele alles geklärt - auch wenn Wild zugibt, dass Unsicherheit dabei war, ob der Sprung von der Bezirksoberliga in die zweite Liga gelingen würde. "Aber es war die goldrichtige Entscheidung", weiß der Trainer inzwischen.

Auch Prestele scheint das so zu sehen. Denn trotz seiner Fassungslosigkeit nach der Partie am Samstag erzählte er die Geschichte mit einem Lächeln. Zweifel an seinem Comeback waren es also nicht, die ihn in den Minuten am Torpfosten beschäftigten. Vielleicht dachte er ja auch schon an das nächste Spiel am Freitag, wenn Tabellennachbar und Schlusslicht Emsdetten in der Wittelsbacher-Halle gastiert. Von vier Heimspielen des TuS in Serie ist es das letzte und zugleich wohl wichtigste.

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