Handball: Uwe Gensheimer:Zahnzieher - bald ohne Mannschaft

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Uwe Gensheimer und die Rhein-Neckar Löwen spielen ihre bislang beste Saison, können am Sonntag sogar ihren ersten Titel holen. Was ansonsten in seinem Klub geschieht, gefällt Deutschlands bestem Linksaußen überhaupt nicht.

Carsten Eberts

Am Samstagabend in Montpellier hatte Uwe Gensheimer einen Berg zu erklimmen. Der Berg hieß Ólafur Stefánsson, ist fast zwei Meter groß, fast 100 Kilo schwer. Der eher schmächtige Gensheimer schaffte es trotzdem, sprang dem Isländer jubilierend auf den Rücken, thronte einige Sekunden obenauf, bis der Berg ihn wieder abschüttelte.

Auf Linksaußen der Beste: Uwe Gensheimer. (Foto: dpa)

Man musste Gensheimer in seiner Freude verstehen: Seine Rhein-Neckar Löwen hatten gerade ein mittelschweres Handballwunder vollbracht, waren gegen HB Montpellier ins "Final Four" der Champions League eingezogen - trotz 27:29-Hinspielniederlage und der ausgemachten Heimstärke der Franzosen. "Wir haben klasse dagegengehalten, uns nicht verrückt machen lassen", sagte Gensheimer nach dem 35:26 im Rückspiel, "damit haben wir Montpellier den Zahn gezogen."

Das Spiel war so etwas wie der letzte Beweis, dass Gensheimer und die Rhein-Neckar Löwen ein außergewöhnliches Jahr erleben. Der Klub spielt die beste Saison seiner Vereinsgeschichte, steht nicht nur im Finale der Champions League: Auch im DHB-Pokal haben die Löwen das "Final Four" erreicht und wollen am kommenden Sonntag endlich den ersehnten ersten Titel der Klubgeschichte holen: Im Halbfinale geht es gegen die SG Flensburg-Handewitt (Samstag, 15:15 Uhr), im Finale am Sonntag (14 Uhr) könnte dann der THW Kiel warten.

"Wir brauchen uns definitiv nicht verstecken", sagt Gensheimer, "wir haben in dieser Saison sogar gegen Kiel und Barcelona gezeigt, dass wir mit diesen Mannschaften auf Augenhöhe sind." Das Ziel ist klar: Das unrühmliche Image des reichen, aber titellosen Aufsteigers wollen die Rhein-Neckar Löwen am Sonntag endlich abstreifen.

Die Saison hat - bei allen positiven sportlichen Erkenntnissen - jedoch eine andere Seite. Es scheint gar, als wolle der mächtige Hauptgeldgeber, der Däne Jesper Nielsen, die positive Entwicklung wieder zerstören. Die Endspiele im DHB-Pokal und in der Champions League sind das letzte Aufbäumen einer erfolgreichen Mannschaft - bevor sie auseinanderbricht.

Nielsen hat sich in den Kopf gesetzt, mit seinem Heimatverein AG Kopenhagen ein zweites europäisches Topteam aufzubauen. Dies soll zwar nicht zu Lasten der Löwen gehen, denen er zuletzt versprach, sein Engagement bis mindestens 2015 fortzusetzen - auch wenn er den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden zum 1. Juli abgibt.

Andererseits scheint Nielsen viele Leistungsträger nach Dänemark zu locken: Die Wechsel der isländischen Nationalspieler Ólafur Stefánsson und Guðjón Valur Sigurðsson nach Kopenhagen stehen bereits fest, Karol Bielecki, Róbert Gunnarsson oder Neu-Löwe Krzysztof Lijewski werden wohl folgen. Den Löwen, die gerade den zweifellos besten Kader ihrer Geschichte beisammen haben, droht damit der nächste Umbruch, schon vor dieser Saison verließen den Klub neun Spieler. Woher soll da die ersehnte langfristige Konstanz kommen?

Gensheimer, Deutschlands derzeit bester und vor allem fintenreichster Linksaußen, wird der Mannschaft erhalten bleiben. Was um ihn herum geschicht, davon ist er indes wenig begeistert: "In den letzten Jahren war es immer so, dass ausschließlich Kiel und Hamburg ihre Spieler über einen längeren Zeitraum zusammengehalten hatten", sagt Gensheimer zu sueddeutsche.de.

Dass die Löwen in vielen Spielen gegen die Großen der Szene bestens ausgesehen haben, gar den THW Kiel und den FC Barcelona schlugen, macht die Sache umso schlimmer. Gensheimer sagt: "Auch uns könnte mal was ganz Großes gelingen. Doch dafür fehlt uns leider die Konstanz." Nicht umsonst teilten sich Kiel und Hamburg die nationalen Titel der vergangenen Jahre auf.

Dass ihm nun wieder eine halbe Mannschaft abhandenkommt? "Das ist natürlich nicht schön, wenn man immer wieder einige Zeit braucht, um sich einzuspielen. Jetzt spielen wir wie in den Jahren zuvor in der Rückrunde einen besseren Handball. Jeder, der erfolgreich im Sport ist, der weiß doch, wie wichtig Automatismen sind."

Gensheimer macht sich deshalb selbst Gedanken darüber, wie lange er noch Teil des munteren Treibens sein möchte. Der 24-Jährige hat noch einen Vertrag bis 2014, will diesen auch erfüllen. Doch ändert sich an der hohen Fluktuation auch in den kommenden Jahren nichts, steht er einem Wechsel aufgeschlossen gegenüber. "Ich will auf höchstem Niveau spielen", sagt Gensheimer, "ich werde dann sehen, ob ich das nach 2014 noch bei den Rhein-Neckar Löwen machen kann."

Es wird sich sicher ein Interessent finden.

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