Handball:Trostloser Akt

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Sie dürfen sie anfassen – und mindestens ein Jahr behalten: Kiels Kapitän Domagoj Duvnjak (links) und Trainer Filip Jicha präsentieren die Schale des deutschen Handball-Meisters 2020. (Foto: Frank Molter/dpa)

Rekordmeister THW Kiel bekommt bei der seltsamsten Zeremonie, die er nach seinen 21 Titelgewinnen je erlebt hat, die Trophäe überreicht. Die Feier fand corona-bedingt unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Von Carsten Scheele, Kiel/München

Musste man sich um Domagoj Duvnjak Sorgen machen? Der Kapitän des THW Kiel bekam am Donnerstagmittag um 12.22 Uhr aus den Händen von HBL-Präsident Uwe Schwenker die Meisterschale überreicht, wurde zudem als wertvollster Spieler der Handball-Saison ausgezeichnet - und sah plötzlich Menschen, die gar nicht da waren. "Ihr, unsere Fans, ich sehe euch, ich höre euch", rief der kroatische Nationalspieler in die leere, stille Kieler Arena hinein. Dabei sah und hörte Duvnjak vielleicht seine Mitspieler, ein paar Funktionäre und Medienvertreter - aber gewiss keine Fans.

Die waren ausgesperrt bei der seltsamsten Meisterzeremonie, die der deutsche Handball-Rekordmeister (21 Titel) je erlebt hat. Diese fand coronabedingt unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt: Die Spieler trugen ihren Mundschutz und wahrten, brav aufgereiht, auf dem Podium den Sicherheitsabstand zueinander; in einer abgedunkelten Halle, vor mehr als 10 000 leeren Sitzschalen, mit ein bisschen Musik im Hintergrund, alles in allem aber in trostlosem Ambiente. Wie so häufig war es Hendrik Pekeler, der es verbal auf den Punkt brachte. "Das war einfach surreal", sagte Pekeler, "sich so dafür feiern zu lassen vor einer fast leeren Halle."

Für offizielles Flair sorgte immerhin Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der die Schale von einem schleswig-holsteiner Klub, der SG Flensburg-Handewitt, an den anderen, den THW Kiel, weitergab. Persönlich für Günther kein Problem, der erklärte, dass er "seit 35 Jahren THW-Fan" sei und "die Schale gerne an meinen Lieblingsverein" übergebe.

Günther hatte dem Treffen der Funktionäre an neutralem Ort in Eckernförde beigewohnt, als die Schale offiziell den Besitzer wechselte. Kein ganz leichter Moment für die Flensburger, die sich schon noch Chancen ausgerechnet hatten, die Kieler abzufangen, ehe die Saison abgebrochen wurde. Günther bekräftigte jedoch, Kiel stehe "seit dem achten Spieltag auf Platz eins" und sei damit "ein verdienter Meister". Neben der Mannschaft und Duvnjak wurde Trainer Filip Jicha als bester Coach der Saison ausgezeichnet.

HBL-Chef Schwenker nutzte die Gelegenheit, an die Politik zu appellieren, sich dem Start der kommenden Handball-Saison vor Zuschauern nicht zu verschließen. Die Not vieler Klubs sei groß, "es reicht für uns nicht, nur auf das Spielfeld zurückzukehren, wir brauchen unsere Zuschauer, um zu überleben", sagte Schwenker. Von September, spätestens Oktober an wieder vor den Fans zu spielen, das wäre der Traum der Handballer.

© SZ vom 05.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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