Handball:THW Kiel verliert nach 1023 Tagen zum ersten Mal

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Damals hatte ihnen der Erzrivale SG Flensburg-Handewitt die Grenzen aufgezeigt. Nun betätigte sich der VfL Gummersbach als Gesetzesbrecher.

Jörg Marwedel

1023 Tage sind im Sport eine kleine Ewigkeit. In so einem Zeitraum scheint Gewohntes zum Gesetz zu werden. Im Bezug auf den THW Kiel schien das Gesetz zu besagen, dass der deutsche Handballmeister in der heimischen Ostseehalle als unbesiegbar zu gelten habe. Bald drei Jahre lag am Mittwochabend jener 18. November 2003 zurück, an dem die Kieler zuletzt vor eigenem Publikum an einem Gegner gescheitert waren. Damals hatte ihnen der Erzrivale SG Flensburg-Handewitt die Grenzen aufgezeigt. Nun betätigte sich der VfL Gummersbach als Gesetzesbrecher. Mit 39:37 (20:24) siegten die Rheinländer im Duell der Rekordmeister (je zwölf Titel). Die Kieler Nachrichten waren davon so beeindruckt, dass sie jenen Experten, die den VfL Gummersbach noch nicht als Titelanwärter führten, dringend rieten, zur Korrektur ,,schnell die Kugelschreiber aus der Tasche zu kramen''.

Im Supercup waren die Kieler noch erfolgreich. (Foto: Foto: dpa)

Der unerwartete Rückschlag schockte die Kieler, als sei ein Kübel kalten Wassers über sie ausgeschüttet worden. Niemand inklusive ihnen selbst schien daran gezweifelt zu haben, dass der THW in dieser Saison seine Ausnahmestellung in der Bundesliga sogar noch ausbauen würde. Mit dem charismatischen Rückraumspieler Lars Krogh-Jeppesen (FC Barcelona, früher Flensburg), dem Weltklasse-Torhüter Thierry Omeyer (HB Montpellier) und dem veranlagten Linksaußen Dominik Klein vom TV Großwallstadt hatten sie ihr ohnehin überragendes junges Team weiter verstärkt. Und jetzt reichte der Ausfall der Verletzten Krogh-Jeppesen, Vid Kavticnik und Viktor Szylagyi, um diese Selbstgewissheit aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Zerstört wurde dieses Gleichgewicht in den letzten zwanzig Minuten, als Gummersbachs Torhüter Goran Stojanovic die ebenfalls beeindruckenden Paraden seines Kieler Gegenübers Omeyer noch übertraf. Und je mehr die THW-Spieler Nerven zeigten, desto kühler nutzte der überragende Momir Ilic seine Chancen, ehe am Ende elf Treffer auf seinem Konto standen und der zwischenzeitliche Sechs-Tore-Vorsprung des THW nur noch Makulatur war. ,,Es ist bitter, wenn man draußen sitzt und zusehen muss, wie Stefan Lövgren und die anderen leiden'', sagte Viktor Szylagyi bedrückt. Und Manager Uwe Schwenker bekannte kleinlaut: ,,Wir haben deutliche Probleme mit unserer dezimierten Mannschaft.''

Von einem Kieler Alleingang ist nun nicht mehr die Rede, denn nach der Niederlage im Supercup gegen den HSVHamburg hatte der THW am ersten Spieltag daheim auch nur Unentschieden gegen den TV Großwallstadt gespielt. Und selbst die folgenden klaren Siege in Wetzlar und Hamburg erwiesen sich nicht als die erhofften Stabilisatoren. ,,Die Achterbahnfahrt müssen wir unbedingt beenden'', forderte Rückraumspieler Kim Andersson, der zwar wie Nikola Karabatic acht Tore geworfen hatte, aber zerknirscht bekannte: ,,Hinten hat mich Daniel Narcisse ein paar Mal nicht gut aussehen lassen.'' Fast beschwörend klang dann Anderssons Zusatz: ,,Noch ist nichts verloren. Wenn wir die letzten 30 Spiele gewinnen, werden wir sicherlich Meister.''

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