Handball:Steife Gummigelenke

Lesezeit: 3 min

Aus dem Weg! Der dänische Nationalspieler Peter Balling Christensen pflügt durch die deutsche Abwehr. (Foto: Antonio Bronic/Reuters)

Deutschland muss gegen Spanien gewinnen, um das Halbfinale der EM zu erreichen. Doch das rätselhafte Formtief der Offensivspieler bereitet der Mannschaft Sorgen.

Von Ralf Tögel, Varazdin

Das Spa-Hotel in Sveti Martin ist nicht der schlechteste Ort, um den Kopf freizubekommen. Genau darum ging es dem deutschen Tross am Tag nach der ersten Niederlage bei der Handball-Europameisterschaft in Kroatien. Darts spielen ist eine beliebte Freizeitbeschäftigung der Spieler, das Hotel bietet zudem diverse Möglichkeiten, die geschundenen Leiber mit Wellness zu pflegen. Und natürlich stand Regeneration auf dem Programm, ein äußerst wichtiger Faktor bei einem derart fordernden Wettbewerb. Für Paul Drux hat sich all das erledigt, er flog am Montag nach Hause, eine MRT-Untersuchung hatte einen Meniskusriss im rechten Knie ergeben, der 22-Jährige wird noch in dieser Woche operiert und wird drei Monate ausfallen. Naheliegend ist, dass Maximilian Janke in den Kader zurückkehren wird. Der linke Rückraumspieler war zwar am Samstag für den nachnominierten Rune Dahmke ausgemustert worden, hat aber weiter mit dem Team trainiert. Möglich wäre auch, dass Fabian Wiede zum Team stößt, doch das ist vor der Partie gegen Spanien unwahrscheinlich. Der Linkshänder bleibt aber eine Option, sollten die Deutschen doch noch das Halbfinale erreichen.

Immerhin: Abwehr und Torhüter agieren eine Halbzeit lang gegen Dänemark tadellos

Bis Mittwochmorgen um neun Uhr hat Trainer Christian Prokop Zeit, seine Entscheidung dem europäischen Verband EHF mitzuteilen, wer am Abend helfen soll, eine bisher wenig zufriedenstellende EM noch zu retten. Bei der ersten Niederlage gegen Dänemark zeigte die deutsche Auswahl ironischerweise ihre bislang beste Leistung, was immerhin zu etwas Zuversicht für die Partie gegen Spanien taugt.

Zwingende Voraussetzung ist neben einem Sieg, dass Gruppengegner Mazedonien aus den beiden ausstehenden Spielen (gegen Tschechien und Dänemark) keine vier Punkte holt - was gut möglich ist, denn in Kiril Lazarov fehlt dem Team der alles überragende Schlüsselspieler verletzt. Welche Schwächung das ist, war bei der 20:31-Demontage gegen Spanien zu beobachten. Alle Szenarien sind in der Theorie denkbar, das Endspiel zwischen Deutschland und Spanien um Platz zwei ist indes die wahrscheinlichste aller Varianten.

Bob Hanning hat für diesen Fall nach der knappen Niederlage gegen den Olympiasieger spontan einen Sieg versprochen, und die Leistung gegen Dänemark lieferte durchaus ein paar Argumente für die vollmundige Ankündigung. Vor allem die Defensive agierte in der ersten Halbzeit nahezu tadellos. Was die mächtigen Verteidiger Finn Lemke, Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek oder Steffen Weinhold nicht blockten, landete meist in den Armen von Torhüter Andreas Wolff. Den Dänen, die zu den stärksten Offensivteams zu zählen sind, gelang aus dem Positionsspiel zu sechst in der ersten Halbzeit ein einziger Treffer. Dass der Olympiasieger dennoch mithielt und in der Anfangsphase sogar führte, war das Resultat einer neuerlich mäßigen Offensivleistung.

Denn der Start ins Spiel missriet mal wieder gründlich. Mit schlechten Würfen, technischen Fehlern und einer schwachen Chancenverwertung bringt sich die deutsche Mannschaft regelmäßig selbst in die Bredouille. Man muss in diesem Zusammenhang erwähnen, dass Wolffs Kieler Teamkollege Niklas Landin im dänischen Tor kein Jota schlechter war, in der zweiten Halbzeit sogar einen Tick stabiler hielt. Zudem zog Nikolaj Jacobsen den Joker des siebten Feldspielers, was seinen Schlüsselspieler Mikkel Hansen zurück ins Spiel brachte. Der war im ersten Durchgang nahezu wirkungslos, gab dem dänischen Spiel aber dann die entscheidenden Impulse - entweder mit einem Tor oder mit der Auslösehandlung zum Überzahlspiel, das vom famosen Hans Lindberg zuverlässig erfolgreich abgeschlossen wurde. Wie schwer Hansen zu verteidigen ist, war gut zu sehen, als Torhüter Silvio Heinevetter in Erwartung eines Wurfes schon auf dem Hosenboden saß, Hansen aber im letzten Moment weiterspielte. Es gibt wenige Spieler mit einem solchen Gummi-Handgelenk.

Hansens Pariser Teamkollege Uwe Gensheimer ist so einer, den quält indes ein schwer erklärbares Formtief. Was nicht nur den deutschen Kapitän ausgerechnet mit Beginn der EM überfallen hat, auch der Rückraum hat es nie geschafft, mehr als einen Spieler in starker Form zu präsentieren. Die Last der Titelverteidigung zieht die in der Bundesliga so starken Werfer nach unten, lediglich Steffen Weinhold ist in der Lage, auf diesem Niveau konstant gut zu agieren.

Der Bundestrainer hat erinnert, dass man nur mit einer starken Kollektivleistung erfolgreich sein werde, bisher war hierzu nur die Defensive in der Lage. "Wir müssen es endlich schaffen, dass mehrere Spieler ihre Stärken auf die Platte bringen", sagte Weinhold mit Blick auf das Spiel gegen Spanien, dann werde man sehen, was möglich sei. In der Tat ein interessanter Gedanke, dem freie Köpfe sicher nicht abträglich sind.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: