Handball:Starke Deckung, starker Torwart

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Die Coburger Handballer sind weiterhin Tabellenletzte der Bundesliga - nun aber feilen sie an simplen Instrumenten zum Klassenerhalt und glauben wieder an die Möglichkeit ihrer sportlichen Rettung.

Von Ralf Tögel

Lebenszeichen? Befreiungsschlag? Wiederauferstehung? Mit derlei kräftigem Vokabular hat Jan Gorr so seine Probleme. Der Trainer der Coburger Handballer ist ein eher zurückhaltender Vertreter seiner Zunft, wählt seine Worte mit Bedacht, die nüchterne Analyse ist ihm näher, als krachende Ansagen. Dabei hätte der vergangene Spieltag gerade für Letzteres reichlich Anlass geboten. Denn der Bundesliga-Aufsteiger hat mit dem 24:19-Sieg gegen Balingen-Weilstetten ein Lebenszeichen gegeben, mit einem Befreiungsschlag die Wiederauferstehung gefeiert. Gorr drückt das so aus: "Natürlich war es wichtig, aufzuschließen und den Abstand zu verringern." Bei dieser Gelegenheit erinnert der HSC-Trainer noch daran, dass seine Mannschaft nach wie vor Tabellenletzter in der ersten Bundesliga ist.

Vielleicht ist es ja gerade diese so unaufgeregte wie nüchterne Herangehensweise, die den Coburgern noch einmal nützlich sein wird. Zwar bleiben die Oberfranken Schlusslicht, aber das Unterfangen Klassenerhalt scheint plötzlich wieder ein ganzes Stück realistischer zu sein. Denn nach dem überraschenden Auswärtssieg im ersten Erstligaspiel der Vereinsgeschichte in Melsungen setzte es für den Aufsteiger acht Niederlagen in Serie. Und während es im Umfeld von Woche zu Woche unruhiger wurde, erinnerte die sportliche Leitung immer daran, dass dieser Saisonverlauf nicht besonders hinterhältig daherkomme. Denn während Gorr eine Auswahl nahezu ohne erstklassige Erfahrung befehligt, ist die Konkurrenz in dieser Liga von allerhöchster Güte. Selbst der jüngste Gegner Balingen-Weilstetten, ebenfalls eines der Teams, für die der Klassenerhalt Priorität hat, kann als Beleg für diese These dienen. Die Baden-Württemberger haben sich nach der Insolvenz des HSV Hamburg mit so namhaften Spielern wie Pascal Hens, Davor Dominikovic oder Matthias Flohr verstärkt, die Fäden bei der Spielgemeinschaft zieht Europameister Martin Strobel, Spielmacher der Nationalmannschaft und Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen von Rio.

"Wir haben auf zwei Heimpunkte hingefiebert", sagt Florian Bilek

"Wir müssen über das Kollektiv kommen", erklärt Gorr, und fleißig weiterarbeiten. Das erledigt der ehemalige Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft mit gebotener Akribie: "Wir haben zuletzt viel am Kleingruppenspiel im Angriff gearbeitet", sagt Gorr, ein Instrument, mit dem er der fehlenden individuellen Qualität im Kader begegnen will. Und kann - wie der jüngste Sieg zeigt. Das Ergebnis offenbart zugleich die größte Qualität der Coburger: 19 Gegentore sind ein herausragender Wert, in den ersten 20 Spielminuten gestatteten die Gastgeber Balingen drei mickrige Trefferchen. Das war der Schlüssel: "Der Erfolg begründet sich letztendlich durch die sehr starke Deckung und einen sehr starken Jan Kulhanek im Tor", sagt Gorr. Schon in Melsungen waren es diese Komponenten, die gegriffen hatten. Auch mental kann dieser Erfolg viel bewirken, er habe den Beweis erbracht, dass "der Weg der vergangenen Wochen der richtige ist", sagt der Trainer. Womit er vornehmlich eine wichtige Motivation für seine Spieler meint. "Wir haben so lange auf die ersten zwei Heimpunkte hingefiebert", sagt Rechtsaußen Florian Bilek, "uns ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen." Denn alle guten Leistungen, alles Lob von der Konkurrenz bei den knappen Niederlagen ist umsonst, wenn "man keine zählbare Bestätigung bekommt", weiß der Trainer.

Die haben sie nun beim HSC Coburg, der rettende 15. Platz, den Balingen belegt, ist nur einen Punkt entfernt. Zugleich ist ein Zeichen an das Umfeld gesendet: Dass der Klassenerhalt keine Utopie ist, was wiederum Zuschauer in die Halle locken wird. Der Bann ist gebrochen. Jan Gorr würde so etwas nicht sagen.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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