Handball:Naives Vertrauen in geheime Sponsoren

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Vor der allmählichen Auflösung: Die Handballerinnen des HC Leipzig bei ihrem letzten Triumph, dem Gewinn des DHB-Pokals 2016. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Der HC Leipzig war einst der Mittelpunkt des Frauen-Handballs hierzulande: Nun markiert die Insolvenz des 21-maligen deutschen Meisters einen tiefen Einschnitt.

Von Saskia Aleythe, Leipzig/München

Irgendwann wollte Kay-Sven Hähner nicht mehr mit Uli Hoeneß verglichen werden. Den Beinamen hatte er sich in der deutschen Handball-Szene als Manager des Frauen-Bundesligisten HC Leipzig verdient: Seit 20 Jahren werkelt Hähner im Verein, mit dem er nach dem Mauerfall sechs Meisterschaften feierte. Doch der Vergleich mit dem FC-Bayern-Oberhaupt hinkt aus vielen Gründen, der jüngste: Der Mann, den sie Uli Hoeneß nannten, ist gerade dabei, mit seinem Klub in die Bedeutungslosigkeit zu stürzen.

Auch der letzte potenzielle Geldgeber sagte ab: Der Klub sei nicht sanierungsfähig

"Insolvenzantrag eingeleitet", lautet die Formulierung, die seit Samstagmorgen in der Welt ist; sie markiert einen Einschnitt im deutschen Frauen-Handball: Der einstige Liga-Krösus ist finanziell am Ende und wird in der kommenden Saison in der dritten Liga zu finden sein, den Platz in der Bundesliga übernimmt der Zweitliga-Dritte HC Rödertal. Zählt man die Erfolge der DDR-Zeit dazu, kann sich der HC Leipzig 21-maliger deutscher Meister nennen; im vergangenen Jahr gewann der Klub zum siebten Mal den DHB-Pokal. Noch vor ein paar Jahren strömten in Leipzig die Zuschauer zum Frauen-Handball; damals hieß der heutige Fußball-Erstligist RB Leipzig noch SSV Markranstädt und der SC DHfK Leipzig liebäugelte bloß mit der Männer-Bundesliga. Leipzig und Sport - das waren für viele die Handballerinnen.

Im Dezember wird Leipzig Spielort bei der Handball-WM der Frauen sein, die deutsche Mannschaft trägt dort ihre Gruppenspiele aus. Auch Achtel- und Viertelfinals sind für die Arena vorgesehen, in der es dann keinen Bundesliga-Handball der Frauen mehr zu sehen gibt. 1,3 Millionen Euro betragen die Schulden des Vereins, was bei einem veranschlagten Saisonetat von kaum 1,5 Millionen recht bedrohlich ist. Die Handball-Bundesliga Frauen (HBF) hatte Mitte Mai nur mit Auflagen die Lizenz erteilt und schließlich verweigert. Manager Hähner ging bis vors Schiedsgericht, das am 7. Juli noch eine Option zur Lizenzvergabe ermöglichte: für den Fall, dass die HCL Bundesliga GmbH bis zum 14. Juli 600 000 Euro Eigenkapitalerhöhung nachweisen kann. Das konnte sie nicht. "Das Geld ist nicht drauf, ich bin enttäuscht", teilte Hähner dem MDR mit. "Die Enttäuschung ist riesig, das zieht einem den Boden unter den Füßen weg", sagte Trainer Norman Rentsch: "Wir haben alle daran geglaubt und hatten Vertrauen in die Vereinsführung, dass es klappt." Was schon viel über die Verhältnisse im Verein und das Wesen der Entscheidungsträger aussagt.

Das Wort "alle" ist relativ: Die letzten Gehaltszahlungen der Spielerinnen sollen vom Dezember 2016 stammen, wofür der Verein sogar eine Strafe von vier Punkten Abzug bekam. Einst spielte die halbe Nationalmannschaft in Leipzig, nun fiel das Team seit Monaten allmählich auseinander. Alle Leistungsträgerinnen haben den Verein mittlerweile verlassen, zum Teil, weil ihre Verträge bewusst nicht verlängert wurden. Ein Sanierungskonzept bei laufendem Spielbetrieb, wie Hähner im März in der Leipziger Volkszeitung zugab. Es war überhaupt eine interessante "Stellungnahme", die er der Zeitung zukommen ließ. So haben nach seiner Darstellung die Probleme 2015 begonnen, man habe mit einem großen Sponsor einen "unterschriftsreifen Vertrag" ausgehandelt gehabt - und dann "leistungsstarke, aber eben auch preisintensive Spielerinnen verpflichtet, für die ohne diesen Sponsor kein Budget vorhanden gewesen wäre". Die Crux war die: Der Sponsor kam nicht. Uli Hoeneß hätte solche Handschlag-Deals wohl nicht getätigt.

Wer sich in die Vereinshistorie einliest, stellt auch fest, dass Hähners Wahrnehmung hinsichtlich finanzieller Probleme eigenwillig ist: Schon seit der Saison 2011/12 macht der Verein Schulden im sechsstelligen Bereich. "Ich habe meine Anteile daran, dass die Situation so ist, wie sie ist", sagte Hähner noch vor wenigen Wochen zur finanziellen Schieflage; dennoch war er sicher, die Lizenzauflage erfüllen zu können. Das lange geheim gehaltene Rettungskonzept sah so aus: 300 000 Euro sollten durch Gläubigerverzichte aufgebracht werden, 100 000 Euro waren auf einem Unterstützerkonto zusammengekommen, auch durch Spenden-Aktionen von RB Leipzig, dem SC DHfK Leipzig oder Privatinitiativen unter anderem von Rekordnationalspielerin Grit Jurack. Der Leipziger Stadtrat sicherte 200 000 Euro zu, sollte der HCL selber eine Million aufbringen können. Dazu fehlte ein entscheidender Batzen: 600 000 Euro, die - wieder mal - ein geheimer Sponsor beitragen sollte. "Wenn sich alle Partner an die Absprachen und Zusagen halten, ist das Geld bis heute eingegangen", versicherte Hähner noch am Freitag. Berndt Dugall, der Vorsitzende der HBF, sagte dem MDR, der potenzielle Geldgeber habe schon am Mittwoch vergangener Woche mitgeteilt, dass er sich nicht engagieren wolle: "In dieser Situation sei der Verein nicht sanierungsfähig."

Viele, die dem Klub verbunden sind, sehen die Insolvenz daher als nötigen Neuanfang. "Man hat hier Menschen so vor den Kopf gestoßen und den Berg runtergestoßen", sagt Trainer Rentsch, der trotz Angeboten aus dem Ausland in Leipzig bleiben wollte. Das bisweilen naive Vertrauen in den Verein ist ein Teil dieser Geschichte. Über die Insolvenz informiert wurden die Betroffenen von ihrem Manager übrigens per WhatsApp.

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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