Handball:Nach Herzenslust ausgetobt

Lesezeit: 3 min

Wurfgewalt aus dem Rückraum: Andy Schmid von den Rhein-Neckar Löwen (Mitte) überspringt scheinbar mühelos die Flensburger Hampus Wanne (links) und Rasmus Lauge. Am Ende glänzte er als bester Spieler mit zehn Toren. (Foto: imago)

Die Rhein-Neckar Löwen beweisen mit ihrem dritten Supercup-Sieg in Serie, dass der neue Kader viel Qualität besitzt. Die Flensburger dagegen fürchten bereits jetzt eine Saison des Umbruchs.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Als die Handballer das Feld betraten, erhoben sich 8000 Zuschauer von ihren Sitzen. Die Musik drehte ins Melancholische. Aus dem Applaus des Publikums klangen Begeisterung und Rührung. Kurz vor dem Anpfiff des Handball-Supercups waren es aber weder die Meister aus Flensburg noch die Pokalsieger aus Mannheim, denen das rheinische Publikum da zujubelte, es war ein Dutzend ergrauter Weltmeister von 1978. Heiner Brand schob Joachim Deckarm im Rollstuhl aufs Feld, ein ergreifender Moment. Erst danach erschienen die Darsteller der Moderne, die Flensburger und die Rhein-Neckar Löwen. Dass Letztere den Supercup mit 33:26 allzu deutlich gewannen, war ein Hinweis darauf, warum beim traditionellen Meistertipp der 18 Bundesligatrainer kein einziger auf Meister SG Flensburg-Handewitt setzt. Dessen Trainer Maik Machulla wurmt das. "Dieses Votum spricht für die Trainerkompetenz in der Bundesliga", sagte er mit lakonischem Grinsen, "schließlich haben alle ihren A-Schein bestanden."

Komisch ist das schon: Niemand traut dem Meister die Titelverteidigung zu. Die Flensburger haben in Kevin Möller und Jannek Klein (Barcelona), Kentin Mahé (Veszprem), Thomas Mogensen (Skjern) und Henrik Toft Hansen (Paris) fünf ihrer besten Spieler verloren, vor allem den halben Rückraum. "Wir sind im Umbruch", sagt Manager Dierk Schmäschke, "das müssen einige erst mal begreifen." Auch das klingt leicht genervt. Die Flensburger sorgen sich um eine Saison des Umbruchs, die sie unter der Mehrfachbelastung aus Bundesliga, Pokal und Champions League zu erdrücken droht. Gegen die sechs Mal als Meister getippten Rhein-Neckar Löwen (neun Nennungen für Kiel) waren die Flensburger am Mittwoch in den entscheidenden Spielphasen chancenlos.

"Es war aber nicht alles schlecht", beschied der 35-jährige Rückraumwerfer Holger Glandorf, dem es gar nicht passt, dass man seinen Meisterklub schon vor dem ersten Saisonspiel am Samstag in Minden abschreiben will. "Auch letzte Saison sind wir aus dem Hintergrund gekommen", sagte er mit Kampfeslust in der Stimme und erhielt Unterstützung vom Trainer. "Mit diesem 26:33 ist es zwar schwierig, all die positiven Sachen in unserem Spiel noch positiv zu sehen", sagte Machulla, "aber wir wollen auch in dieser Saison wieder oben mitspielen - weil wir immer oben mitspielen wollen."

Von den Rhein-Neckar Löwen gab es Trost und Zuspruch. "Ich kann nicht verstehen, dass Flensburg nicht mehr zu den Titelfavoriten gehören soll", sagte Trainer Nikolaj Jacobsen, "ich glaube, sie werden ein großes Wort um den Titel mitreden." Doch davon war im Supercup wenig zu erahnen. Anders Zachariassen mit sechs und Jim Gottfridsson mit fünf Treffern waren Flensburgs beste Torschützen, Glandorf im rechten und Rasmus Lauge Schmidt im linken Rückraum taten sich schwer.

Ganz anders die Mannheimer, bei denen sich Andy Schmid im Rückraum (zehn Tore) und Gudjon Valur Sigurdsson ganz links (9) nach Herzenslust austobten. Die Verluste von Harald Reinkind und Hendrik Pekeler (Kiel) sowie von Kim Ekdahl du Rietz (Paris), Rafael Baena Gonzales (Bergischer HC) und Maximilian Trost (Bietigheim) könnten durch die Verpflichtung der Kreisläufer Jannik Kohlbacher (Wetzlar) und Jesper Nielsen (Paris) und erst recht durch die Rückraumwerfer Steffen Fäth (Berlin), Ilja Abutovic (Skopje) und Vladan Lipovina (Hüttenberg) nicht einfach nur gut aufgefangen werden - "wir haben jetzt sogar mehr Leute auf der Bank", zählt Schmid vor. Es ist mehr Tiefe und mehr Qualität in der Breite im Kader erkennbar.

Für den 34-jährigen Schweizer, zuletzt fünfmal in Serie zum wertvollsten Spieler der Bundesliga gewählt, steht kein Wechsel in Aussicht - ganz im Gegenteil: Er wird seinen Vertrag in Kürze vermutlich bis 2021 oder gar 2022 verlängern. Trotz besser dotierter Angebote von europäischen Topklubs spielt Schmid seit acht Jahren für die Mannheimer und möchte seine Karriere dort auch beenden. Eher wenig zur Stärkung dieses Treuebündnisses dürfte beigetragen haben, dass die Rhein-Neckar Löwen den Supercup zum dritten Mal in Serie gewannen, und der Trost, die vor zweieinhalb Monaten mit gerade mal einem Punkt mehr Meister gewordenen Flensburger in die Schranken gewiesen zu haben, war ebenfalls kein allzu großer. Wichtiger für die Mannheimer ist zu wissen, dass sie es mit dem vermutlich wiedererstarkenden THW Kiel aufnehmen können. So dürfte die Meisterschaft ein Zweikampf werden zweier Mannschaften mit je einem Trainer auf Abschiedstour: Kiels Alfred Gislason und Mannheims Nikolaj Jacobsen. Beide hören im nächsten Frühjahr auf.

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: