Handball:Lieber Halle als Tisch

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„Ich habe eine Zeit gebraucht, das zu verarbeiten“: Fünf Jahre nach seinem Aus als Männer-Bundestrainer ist Martin Heuberger zurück beim Deutschen Handballbund. (Foto: Ronny Hartmann/Bongarts/Getty Images)

Martin Heuberger, zuletzt glücklos als Handball-Bundestrainer, kehrt auf seinen alten Posten als U21-Coach zurück.

Von Joachim Mölter, München

Wer jetzt nach Spanien aufbricht, muss damit rechnen, von schwitzenden, dampfenden, schreienden Menschen umgeben zu sein. Bei Sonne, Strand und Meer lässt sich das ja vielleicht noch ertragen, aber in engen, stickigen Sportarenen? Da sind nicht viele so in ihrem Element wie Martin Heuberger. "Ich stehe lieber in der Halle", sagt der 55-Jährige.

Das kann er in den nächsten Tagen ausgiebig tun, da betreut er die Junioren des Deutschen Handballbundes (DHB) bei der U21-WM in Vigo und Pontevedra, im Nordwesten Spaniens. Die DHB-Auswahl startet an diesem Dienstag gegen Argentinien (14 Uhr), die weiteren Gegner in der Vorrundengruppe D sind Dänemark (Mittwoch, 18 Uhr), Chile (Freitag, 14 Uhr), Norwegen (Samstag, 20 Uhr) und Island (Montag, 14 Uhr/alle Partien auf Eurosport). Die besten Vier kommen weiter ins Achtelfinale, das Endspiel findet am 28. Juli statt.

Martin Heuberger gibt bei diesem Turnier ein bemerkenswertes Comeback, in zweierlei Hinsicht: Er hat die DHB-Talente schon einmal trainiert, zwischen 2002 und 2011, als erster hauptamtlicher Nachwuchs-Coach, den sich der Verband leistete; bei Welt- und Europameisterschaften erreichte Heuberger insgesamt sechsmal das Finale und holte dabei vier Titel. Nach dem zweiten WM-Triumph über Dänemarks Junioren wurde er 2011 als Bundestrainer zu den Männern befördert - mit weniger Erfolg: Nach der verpassten Qualifikation für die WM 2015 ließ der DHB seinen Vertrag im Sommer 2014 auslaufen.

Es ist nicht selbstverständlich, dass ein ehemaliger Chef zu seinem früheren Arbeitgeber zurückkehrt und sich in der Hierarchie klaglos weiter unten einordnet. Bei den meisten steht das Ego im Weg, bei Heuberger tat es das nicht. "Es hat mich gefreut, dass der DHB an mich gedacht hat", versichert er. Als im Herbst die Anfrage kam, ob er den Nachwuchs nicht wieder übernehmen mag, hat er jedenfalls nicht lange gezögert. "Was gibt es Schöneres, als das Hobby zum Beruf zu machen?", fragt er; und mehr als einmal bekommt man von ihm zu hören: "Handball ist mein Leben."

Von diesem Leben hatte Martin Heuberger dennoch Abstand genommen, nach dem Aus als Bundestrainer kehrte der Diplom-Verwaltungswirt an seinen früheren Arbeitsplatz im Landratsamt Offenburg zurück. "Ich habe eine Zeit gebraucht, um das zu verarbeiten", sagt er, "ich war zwei Jahre nicht in der Trainingshalle." Dann fing er an, die A-Jugend seines Heimatklubs TuS Schutterwald zu coachen: "Das hat das Feuer wieder entfacht." Er hievte die Schutterwälder in die Jugend-Bundesliga, zu Jahresbeginn holte ihn der DHB zurück. Das hat Heuberger bestärkt in seiner Bilanz als Männer-Bundestrainer: "Es kann nicht alles schlecht gewesen sein."

Sportdirektor wollte er nicht sein: "Mit der Mannschaft zu arbeiten, ist eher mein Ding", sagt er

War es auch nicht, er hinterließ seinem Nachfolger Dagur Sigurdsson eine Auswahl, mit der dieser nur anderthalb Jahre später Europameister wurde. Aber als Heuberger 2011 das Amt übernahm, war es vor allem eine undankbare Situation, den legendären Heiner Brand zu ersetzen. Der war als Spieler und als Trainer Weltmeister gewesen, hatte aber nach insgesamt 14 Jahren im Amt zuletzt den nötigen Umbruch versäumt. Den sollte Heuberger bewerkstelligen, "ich dachte, ich kann das", sagt er, "ich hab' die Spieler ja gekannt".

Heuberger hatte bloß unterschätzt, dass er bei den Männern stärker unter Beobachtung stand als zuvor bei den Junioren, und dass er zudem stets an Brands Erfolgen gemessen wurde. "Ich hatte halt nicht die Lobby wie einer mit 100 Länderspielen", resümiert der 26-malige Nationalspieler. Er war auch ein wenig glücklos gewesen, in der WM-Qualifikation für 2015 beispielsweise gingen Hin- und Rückspiel gegen den späteren WM-Dritten Polen nur mit je einem Tor Differenz verloren.

Aber fachlich hatte es wenig auszusetzen gegeben, wohl auch deshalb bot ihm die DHB-Spitze damals an, in einer anderen Funktion weiterzuarbeiten, als Sportdirektor zum Beispiel. "Aber das war mir nicht konkret genug", sagt Heuberger, außerdem: "Mit der Mannschaft zu arbeiten, ist eher mein Ding." Nun darf er also wieder sein Ding machen und mit einer Mannschaft arbeiten. Bei seiner Rückkehr in die Trainingshalle hat er Erfreuliches festgestellt: "In der Bundesliga ist viel passiert. Die Vereine machen eine gute Nachwuchsarbeit. Wenn ich die Jungs heute sehe, sind sie athletisch alle besser entwickelt."

Vieles ist auf einem guten Weg, was er einst angeschoben hat. Damals waren die Debütanten in der Nationalmannschaft zum Beispiel meistens schon Mitte Zwanzig, erst Heuberger fing wieder an, den Nachwuchs früher einzubinden. Dass er nun bei der U21-WM in seinem Kapitän Sebastian Heymann (Göppingen) und in Torwart Till Klimpke (Wetzlar) zwei Akteure dabei hat, die unlängst bereits im Männer-Kader von Christian Prokop aufliefen, hat er im Grunde sich selbst zu verdanken. Es ist das Ergebnis seiner eigenen, früheren Aufbauarbeit.

© SZ vom 16.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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