Handball:Eine Frage der Nerven

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Julia Maidhof (rechts) steigt hoch, am Ende waren die Kroatinnen aber zu stark. (Foto: Claus Fisker; Ritzau Scanpix/dpa)

Die deutschen Nationalspielerinnen gehen nach dem enttäuschenden EM-Aus auf Ursachenforschung - Henk Groener soll Bundestrainer bleiben.

Von Ulrich Hartmann, Kolding/München

Die erste Erklärung, die Bundestrainer Henk Groener einfiel, war "die verkorkste Vorbereitung". Das enttäuschende Aus bei der Europameisterschaft der Handballerinnen in Dänemark hätte demnach akute, pandemiebedingte Gründe. Die erste Erklärung, die dem Präsidenten Andreas Michelmann einfiel, war hingegen grundsätzlicher Natur. "Der Frauenhandball ist bei uns 20 Jahre lang stiefmütterlich behandelt worden", sagte der seit fünf Jahren amtierende Chef des Deutschen Handball-Bundes (DHB), "es fehlt an struktureller Stabilität".

Doch was die Handballerinnen am Dienstagabend in der allerletzten von insgesamt zwölf Halbzeiten bei dieser EM gespielt haben, verstärkte vor allem den Eindruck, dass es sich mal wieder um eine Nervenfrage gehandelt hat. Einen Sieg mit mindestens zwei Toren Vorsprung hätten sie gegen Kroatien benötigt, um ins Halbfinale einzuziehen. 12:12 stand es zur Pause. Noch war alles möglich. Doch in den ersten 17 Minuten dieser entscheidenden Halbzeit erzielte das deutsche Team genau ein Tor. Als die Spielerinnen in der 48. Minute aus ihrer Ohnmacht erwachten, stand es 13:19 - und das Spiel war verloren. Schließlich hieß es 20:23.

Zweitschlechteste Chancenverwertung aller 16 EM-Nationen

Und so endete auch dieses Turnier, bei dem die Mannschaft laut Sportdirektor Axel Kromer hätte "vorankommen und sich der Spitze deutlich annähern" sollen, wie so oft seit dem letztmaligen Einzug in ein Halbfinale 2008 enttäuschend. Nur zwei von sechs Spielen wurden gewonnen. Dass nur eine von sechs ersten Halbzeiten verloren, aber nur eine von sechs zweiten Halbzeiten gewonnen wurde, deutet darauf hin, dass die Mannschaft verkrampft, wenn es in spielentscheidende Phasen geht. Beim 23:42 gegen Norwegen erlitt das Team die höchste Niederlage in der Geschichte des deutschen Frauenhandballs.

Mit 51 Prozent Chancenverwertung war das deutsche Team das zweitschlechteste aller 16 EM-Nationen. "Abschlussschwäche kann zu Verunsicherung führen", sagte Groener, "und wenn eine Mannschaft verkrampft, dann hat das auch damit zu tun, dass zu wenige Spielerinnen regelmäßig in solchen Spielsituationen sind." Der Niederländer bemisst die Qualität einer Nationalmannschaft auch daran, auf welchem Niveau die Spielerinnen in ihren Klubs spielen - und da sind deutsche Spielerinnen etwa im Endstadium der Champions League kaum vertreten.

Und so formulierten die Verantwortlichen auch diesmal ihre Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. "Wir werden sehen, welche Spielerinnen an diesen Situationen wachsen - und welche nicht", sagte Groener. "Unser Ziel ist die Heim-WM 2025", erklärte Michelmann. Am Bundestrainer wollte er keine Zweifel aufkommen lassen: "Henk Groener ist der beste Trainer, den man sich auf dieser Position vorstellen kann."

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