Handball-EM:"Wir müssen schneller ins Spiel kommen und aggressiver decken"

Lesezeit: 3 min

Torfrau mit vielen Talenten: Wenn Katharina Filter nicht gerade EM-Partien im Hallenhandball mitentscheidet, ist sie auch mal auf Sand aktiv. (Foto: Kolektiff Images/dpa)

Die deutschen Handballerinnen gewinnen zum EM-Auftakt nur knapp, und das gegen den vermeintlich schwächsten Gegner. Diese Kämpfermentalität soll ihnen nun gegen Montenegro helfen.

Von Ulrich Hartmann

Es geht um eine Viertelmillion Euro, also 15 625 Euro Titelprämie für jede der 16 Spielerinnen. Das ist viel Geld für eine Handballerin. Allerdings ist es nicht gerade wahrscheinlich, dass die deutschen Frauen bei der Europameisterschaft den Titel holen. Und so ist diese Viertelmillion zunächst nur ein demonstratives Signal vom Deutschen Handball-Bund (DHB), denn erstmals in seiner Geschichte hat er als EM-Titelprämie für die Frauen genauso viel Geld ausgelobt wie vor zehn Monaten für die Männer. "Equal pay", heißt das neudeutsch, gleiche Bezahlung.

"Ein tolles Zeichen", nennt es der Bundestrainer Markus Gaugisch. "Wir freuen uns über diese Wertschätzung", sagen die Kapitäninnen Emily Bölk und Alina Grijseels. Auch wenn beim mühevoll gewonnenen 25:23 im Auftaktspiel gegen Polen, die vermeintlich schwächste Mannschaft der Vierergruppe, eben nicht gerade viel dafür sprach, dass die deutschen Frauen mit dieser Viertelmillion planen sollten.

7:11 lagen sie nach 25 Minuten hinten, zehn Minuten vor dem Ende stand es 19:21. Die DHB-Auswahl musste sich ganz schön durchbeißen - aber das ist zum Auftakt vielleicht gar nicht schlecht. Jetzt sind sie mittendrin in einem Kampfmodus, den sie unbedingt benötigen, wenn sie an diesem Montag (18 Uhr, sportdeutschland.tv) gegen Montenegro spielen. Der Gastgeber jagte zum Auftakt die favorisierten Spanierinnen 30:23 aus der Halle, mit der Unterstützung von knapp 3000 fanatischen Anhängern.

Handball-EM
:Deutschlands Handballerinnen hoffen auf den Bietigheim-Effekt

Mit ihrem Handballklub Bietigheim hat Julia Maidhof fünf Titel in 19 Monaten gewonnen. Nun soll das Erfolgskonzept bei der EM auch im Nationalteam greifen.

Von Ulrich Hartmann

30 000 Euro bekämen die deutschen Handballerinnen insgesamt, sollten sie zumindest in die Hauptrunde vorrücken, also 1875 Euro pro Spielerin. Die Chancen dafür stehen durch den Sieg gegen Polen bereits gut, aber wie viele Punkte sie auf diese Reise mitnähmen - und wie gut dadurch ihre Chancen fürs Halbfinale wären -, das entscheidet sich erst gegen Montenegro sowie am Mittwoch gegen Spanien.

"Wir müssen schneller ins Spiel kommen und aggressiver decken", ordnet Grijseels, gegen Polen mit acht Treffern beste Torschützin, mit Blick auf diese Aufgaben an. "Die unglaubliche Stimmung in der Halle müssen wir als Motivation nutzen", sagt Bölk, gegen Polen mit sechs Treffern zweitbeste Torschützin.

Grijseels (in Diensten von Borussia Dortmund), Bölk (Ferencvaros Budapest) und die Torhüterin Katharina Filter (Kopenhagen Handbold) waren zum Auftakt die entscheidenden Spielerinnen. "Das war ein Kampf von vorne bis hinten", lobt Filter, "in der zweiten Halbzeit hat die Abwehr noch einmal alles gegeben, ist super aggressiv auf den Gegner gegangen und hat es mir dadurch erleichtert."

Die 23 Jahre alte Hamburgerin, die bis zur vergangenen Saison für den Bundesligisten Buxtehude spielte und dann nach Kopenhagen wechselte, ist die einzige der 16 Nationalspielerinnen, die sich Weltmeisterin nennen darf: im Beachhandball. Im vergangenen Juni gewann die deutsche Auswahl am Strand von Kreta das WM-Finale gegen Spanien. Der Kader bestand vornehmlich aus Spielerinnen der zweiten und dritten Hallenhandballliga. Noch ist Beachhandball nicht olympisch und wenig etabliert, aber das könnte sich ändern. Dann bliebe Filter womöglich nicht die einzige, die Nationalspielerin in der Halle wie im Sand ist.

Die deutschen Torhüterinnen sind zumindest schon mal warmgespielt

"Es ist ein aufregendes Jahr für mich", bestätigt sie: "Weltmeisterin in Griechenland, World-Games-Siegerin in den USA und jetzt die Nummer eins bei der Hallen-EM." Eigentlich wäre Filter im Nationalteam die Nummer zwei hinter der Stammtorfrau Dinah Eckerle, doch die ist nicht dabei, weil sie ein Kind erwartet.

"Mit Katharina Filter und Isabell Roch haben wir ein super Duo im Tor", findet Gaugisch: "Kathi hat eine Technik wie aus dem Lehrbuch und Isi besticht durch ihre Aggressivität und einen gewissen Freestyle." Mit einer dieser wilden Aktionen parierte Roch (SCM Ramnicu Valcea/Rumänien) gegen Polen zweieinhalb Minuten vor dem Ende bei 24:23-Führung einen Siebenmeter und ebnete dem Team damit den Weg zum erfolgreichen Endspurt. Filter, die 55 der 60 Minuten im Tor stand, parierte im Schnitt jeden dritten Wurf der Polinnen.

Als eine der Beach-Handball-Weltmeisterinnen erhielt Filter im September zwar keine 15 000 Euro, dafür das Silberne Lorbeerblatt aus der Hand des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Auch für solch eine Auszeichnung müssen sich die Hallenhandballerinnen nun noch gewaltig steigern. "Es wird eine enge Gruppe", glaubt Grijseels. Gegen Montenegro müsse man besser ins Tempo kommen, die gegnerische Abwehr mehr bewegen. "Dass wir schon gegen Polen so hart kämpfen mussten", bestätigt sie, "wird uns im Turnier noch helfen."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Handball-EM
:Frei spielen nach den Turbulenzen

Die deutschen Handballerinnen reisen zur EM nach Montenegro - doch vorher müssen manche Spielerinnen noch die Folgen psychischer Gewalt durch einen Trainer so gut es geht verarbeiten.

Von Ulrich Hartmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: