Handball:Abwarten bis zum Jahreswechsel

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Der Kader der Coburger Zweitliga-Handballer ist gut genug, um oben zu bleiben - aber klein. Damit der Aufstieg gelingt, müssen viele wichtige Spieler verletzungsfrei bleiben.

Von Ralf Tögel

Nach dem Spiel standen Jan Gorr und Michael Lerscht ganz entspannt in der Coburger Arena und tauschten Nettigkeiten aus. Keine Selbstverständlichkeit für zwei konkurrierende Trainer, was besonders auf den Sportskameraden Lerscht zutraf, denn sein TuS Ferndorf hatte gerade die Zweitliga-Partie beim HSC Coburg 24:29 verloren. Dennoch wirkte er zufrieden, man scherzte, lachte und verabschiedete sich herzlich. Natürlich war die Laune beim HSC-Trainer nicht weniger prächtig, bis zu dieser, nun ja, obligatorischen Frage: "Klappt es diese Saison mit dem Aufstieg?" Gorr verzog das Gesicht: "Ich habe gewusst, dass das jetzt kommt." Coburg zählt auch in dieser Spielzeit zu den Aufstiegsanwärtern, es ist die dritte nach dem Abstieg aus der Beletage, im vergangenen Jahr sah es lange sehr gut aus, aber die Versetzung nach oben wurde mit dem dritten Platz denkbar knapp verpasst.

Und nun? "Fragen Sie mich zum Jahreswechsel noch einmal", sagt Gorr, dann werde er eine belastbare Aussage machen können. Aber: Der Kader sei dünn, gegen Ferndorf hätten in den Kreisläufern Sebastian Weber und Stepan Zeman wichtige Spieler gefehlt, die im Innenblock kaum zu ersetzen seien. Weshalb Girts Lilienfelds und Kreisläufer Dominic Kelm reaktiviert wurden, beide haben ihre Profikarrieren beendet und spielen mit der Reserve in der Bayernliga, dafür klappte das Spiel aber vor allem im ersten Durchgang sehr ordentlich.

Eigentlich war Ferndorf mit der Empfehlung einer knüppelharten Abwehr angereist, doch in dieser Disziplin war der Gastgeber in den ersten 30 Minuten klar besser. Was vor allem an Andreas Schröder lag, der zusammen mit U21-Nationalspieler Marcel Timm fast die gesamten 60 Minuten im Innenblock schuftete und zusammen mit dem 38-jährigen Torhüter-Routinier Jan Kulhanek dem gegnerischen Angriff "den Zahn gezogen hat", wie Gorr fand. Im Angriff dominierte die schwedische Achse Tobias Varvne und Pontus Zetterman, Varvne zog die Fäden im Spiel, brachte seine Nebenleute immer wieder in gute Positionen oder warf einfach selbst drei wichtige Tore.

Von Varvnes Übersicht profitierten vor allem die Rückraumwerfer Christoph Neuhold (vier Tore) und Zetterman, dem mit neun Treffern der Bestwert gelang. Während Neuhold der klassische Shooter ist und mit Wucht aus der Distanz kommt, versucht sich Zetterman oft im Eins-gegen-eins-Spiel, seine Würfe finden weniger durch Härte denn durch sein gutes Auge den Weg ins Tor, jedenfalls war das Schweden-Duo vom Gegner nicht zu stoppen.

Dass Trainer Gorr dennoch unzufrieden war, liegt nur sekundär an seinem Hang zur Perfektion. Denn mit etwas mehr Konsequenz hätte seine Mannschaft dem Gegner bereits zur Pause die Illusionen nehmen können, das Spiel noch zu drehen. So aber blieb es wegen verballerter Konter und freier Würfe vom Kreis beim 12:7, den mental wichtigen siebten Treffer für die Gäste erzielte ausgerechnet Patrick Weber. Der war in der Vorsaison noch beim HSC notiert, nun wurde er vom Torhüter Kulhanek zu einem der zahnlosen Ferndorfer Rückraumschützen degradiert. Was er sich aber nicht länger bieten ließ, der ehemalige Coburger war mit seinen acht Treffern ursächlich für die Aufholjagd der Gäste, die sie beim 22:24 in gefährliche Nähe gebracht hatte. Gerade in dieser Phase, so erinnerte Trainer Gorr, habe er Entlastung durch die verletzten Spieler vermisst. Was die gesunden Kollegen aber zeigten, stützt die Favoriten-These: Coburg bäumte sich auf, erst wehrte Torhüter Konstantin Poltrum zwei Siebenmeter ab (einen mit der Nase, was schmerzhaft war), dann verwerteten die Außenspieler Lukas Wucherpfennig, Max Jaeger und Florian Billek ihre Chancen sicher. Coburg zog weg, wie es nur ein Team kann, das die Klasse zu mehr hat.

Bestätigt wurde dies auch vom ehemaligen Kollegen: "Coburg ist noch stabiler als vergangenen Saison, die Abwehr ist besser und die Torhüter sind auch auf einem Level, das eine Stufe höher ist." Dann sagte Weber: "Wenn sie verletzungsfrei bleiben, haben sie den Kader, da oben zu bleiben." Da oben, das ist momentan der zweite Tabellenplatz, ein Aufstiegsplatz, nur der ehemalige Serienmeister TUSEM Essen ist ein paar Tore besser. Jan Gorr hat da so seine Bedenken: "Wir haben eine tolle Phase, aber man kann sich doch jetzt nicht zurücklehnen. Es ist Woche für Woche ein harter Kampf." Die Liga sei außerdem ausgeglichen wie nie.

Vorstandssprecher Stefan Apfel pflichtete ihm in diesem Punkt bei, gab aber auch zu, dass "wir natürlich aufsteigen wollen". Druck aber gebe es keinen, der HSC fühle sich wohl in der zweiten Liga, die Sponsoren seien zufrieden, die Zuschauerzahlen - gegen Ferndorf waren 2019 Menschen da - würden auch passen. Und die Spiele sind interessant und werden gewonnen. Wenn er sich an die Erstligasaison zurückerinnere, dann waren zwar große Namen wie Kiel in der Arena, aber es ging weniger um Punkte als "um Schadensbegrenzung". Varvne war damals noch nicht im Kader, er kam nach dem Abstieg. Zum Aufstieg sagte er, ganz im Sinne des Trainers: "Ich schaue nur von Spiel zu Spiel."

© SZ vom 15.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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