Handball:Abenteuer im Bunker

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Anika Bissel ist der prominenteste Zugang der Oberpfälzerinnen, die Flügelspielerin kommt vom Zweitligisten H2Ku Herrenberg. (Foto: Eckehard Schulz/Imago)

Die Frauen des ESV Regensburg haben ihren Kader nach dem Aufstieg in die zweite Bundesliga moderat verstärkt. Sie setzen im Kampf um den Klassenverbleib auf Mentalität und das eingespielte Team.

Von Mathias von Lieben

Nein, überrascht war Dieter Müller damals nicht, als der Vergleich irgendwann in den Spielberichten der gegnerischen Teams auftauchte. Der Handball-Abteilungsleiter des ESV Regensburg empfand die Heimspielstätte seines Vereins ja schon immer als genau das: einen Bunker. "Nackt, kalt und ohne jeglichen Komfort", sagt Müller heute mit einem Schmunzeln über die im Westen der Stadt gelegene Sporthalle an der Dechbettener Brücke: "Wie in Vorkriegszeiten eben."

Tatsächlich ist schon beim äußeren Anblick der Halle eine gewisse Ähnlichkeit mit historischen Bunkeranlagen nicht von der Hand zu weisen. Und auch im Inneren scheinen die Architekten beim Bau Anfang der 70er Jahre eher auf Funktionalität statt auf Ästhetik gesetzt zu haben. Zwar wurde die Halle zwischen 2018 und 2019 gründlich saniert, nachdem die Stadt das in die Jahre gekommene Areal aus dem Vermögen der Bundeseisenbahn übernommen hatte. Der morbide Charme ist trotzdem geblieben und der Vergleich von damals heute Programm. Die selbsternannten "Bunker-Ladies" tragen ihre Heimspiele auch nach ihrem Aufstieg in die zweite Handball-Bundesliga, die am Samstag mit dem Heimspiel gegen die Füchse Berlin (19.30 Uhr) beginnt, weiterhin in ihrem Bunker aus. Und Dieter Müller prophezeit: "Diese Saison wird ein Abenteuer durch und durch."

Das Abenteuer beginnt für die Regensburgerinnen gleich mal mit einer gewaltigen Hürde. In den Füchsen Berlin reist an Spieltag eins ein Team in die Oberpfalz, das in der vergangenen Saison nur wegen der Auswärtstorregel den Sprung aus der Relegation in die erste Liga verpasst hat. Hinzu kommt: So wirklich wissen die Oberpfälzerinnen um Trainer Csaba Szücs noch nicht, wo sie derzeit stehen. Zwar wurden alle Vorbereitungsspiele gewonnen, nur ging es dabei ausschließlich gegen Drittligisten. "Klar ist da ein großes Fragezeichen", gesteht Szücs ein: "Aber wir sind eingespielt. Und wenn wir das Optimum rausholen, dann können wir auch gegen eine Mannschaft wie die Füchse mal gewinnen."

Viele Aufsteiger in Liga zwei sind bisher sofort wieder abgestiegen

Im Verein sind sich dennoch alle einig, dass es in der Premierensaison in der seit 2011 eingleisigen zweiten Liga um nichts anderes als den Klassenverbleib gehen kann. Der Leistungsunterschied ist zu groß. In den vergangenen Jahren sind die meisten Drittliga-Aufsteigerinnen nach einer Saison direkt wieder abgestiegen. Der letzte Aufsteiger, die HSG Freiburg, konnte sich nur deswegen ein Jahr länger halten, weil während der Pandemie der Abstieg ausgesetzt wurde. Nun musste auch er wieder runter. Damit den ESV nicht das gleiche Schicksal ereilt, haben die Verantwortlichen um Szücs, Abteilungsleiter Müller und den sportlichen Leiter Robert Torunsky in der Sommerpause versucht, den Kader zu verstärken.

Bei einer Personalie ist das gelungen: Mit der gebürtigen Erlangerin Annika Bissel konnte bereits frühzeitig eine zweitligaerfahrene Spielerin für die Linksaußen-Position nach Regensburg gelockt werden. Mit Johanna Brennauer (kommt von Drittligist Marpingen/Alsweiler), Julia Smideliusz (TG Landshut) und Lea Röhrl (eigene Jugend) wurde der Kader darüber hinaus aber allenfalls in der Breite verstärkt. Doch angesichts der schweren Verletzung von Nachwuchshoffnung Sophia Peter (Kreuzband-, Innenmeniskus- und Außenmeniskusriss) sind neben dem bevorstehenden Transfer einer zweiten Torfrau auch weitere Verpflichtungen nicht ausgeschlossen.

Zwar ist der Etat für die zweite Liga wegen der anspruchsvolleren Strukturen und der höheren Fahrtkosten fast doppelt so hoch wie im Vorjahr. Finanziell sind dem Verein allerdings die Hände gebunden. Auch weil sich Abteilungsleiter Dieter Müller darauf einstellt, dass die vierte Welle der Corona-Pandemie mittelfristig wieder für Geisterspiele sorgen wird und dem Verein damit wichtige Zuschauereinnahmen entgehen. Statt voller Auslastung und 470 Fans kalkuliert Müller zum Saisonstart im Bunker mit maximal 100: "Es wäre schön, wenn wir zumindest unsere Dauerkarteninhaber reinlassen könnten."

Auch wenn die Vorzeichen für die Regensburgerinnen kurz vor dem Saisonstart in die zweite Handball-Bundesliga der Frauen nicht unbedingt die besten sind, der langjährige Abteilungsleiter Müller ist angesichts des eingespielten Teams und der Mentalität der Spielerinnen trotzdem hoffnungsfroh: "Wir wären das Abenteuer nicht eingegangen, wenn wir nicht das Gefühl hätten, dass wir die Klasse auch tatsächlich halten können." Verstecken wird sich der ESV im Bunker mit Sicherheit nicht.

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