Gruppe C:Tänzer für höchste Weihen

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Argentiniens Auswahl zeigt sein taktisches Genie und deklassiert Serbien/Montenegro mit 6:0. Maradona und der Rest Argentiniens sind selig.

Peter Burghardt

Mit zu viel Begeisterung muss man vorsichtig sein in der Vorrunde, die Weltmeisterschaft hat ja gerade erst begonnen, doch 50.000 Zuschauer in der Schalker Arena und einige Millionen zwischen Berlin und Buenos Aires hatten am Freitagnachmittag den Verdacht, einen Anwärter auf höchste Weihen erlebt zu haben.

Argentinien trumpft groß auf - und auch Messi darf endlich mitmischen. (Foto: Foto: Reuters)

Dem ansehnlichen 2:1 gegen die Elfenbeinküste folgte ein 6:0-Erfolg gegen Serbien/Montenegro, bei dem die Sieger eine der besten Leistungen dieser ersten WM-Woche zeigten und ihren Rivalen vom Balkan zeitweise auseinander nahmen. Nur beim legendenumwobenen 6:0 gegen Peru 1978 gewann die Albiceleste bei einer WM genauso hoch. Dem letzten Gruppenspiel gegen Holland kann diese wunderbare Mannschaft nun gelassen entgegen sehen.

Der bedeutendste von 39 Millionen Argentiniern erlebte die Offenbarung wie üblich fuchtelnd auf der Tribüne, gekleidet in ein weißblaues Nationaltrikot und ein dickes Kreuz um den Hals.

Treuer Fan

Diego Armando Maradona ist ein treuer Fan seiner Nachfolger, bereits in Hamburg war er dabei gewesen, und im Trainingsquartier von Herzogenaurach hat die Hand Gottes zum Mittagessen vorgeschaut.

Sein Kopf ist in Form kombinierter Bausteine inzwischen übrigens auch im Günzburger Legoland zu besichtigen. Umgeben wurde Maradona erneut von mehreren Tausend Landsleuten, die in ähnlicher Aufmachung wie er erschienen waren und auch die Schalker Arena in eine Außenstelle des Estadio Monumental verwandelten.

Zwar war das Stadiondach bedauerlicherweise zugeschoben, obwohl es aus dem Himmel über dem Ruhrgebiet keineswegs regnete, die Fifa und ihre zahlenden Fernsehsender versprachen sich von der Abdeckung bessere Lichtverhältnisse für die Zuschauer zuhause. Das war für die Südamerikaner ungewohnt, aber auch unter dem weißen Zeltdach war die Stimmung bei Maradona und seinen Begleitern ausgezeichnet.

Von den aktuellen Bewerbern für Diegos Nachfolge als Genius in Mittelfeld und Offensive hatte Trainer José Pekerman natürlich Juán Román Riquelme aufgestellt, Riquelme, der von Maradona einst die Nummer 10 übernommen hatte.

Messi zunächst auf der Bank

Lionel Messi dagegen saß zunächst wieder auf der Bank, obwohl er selbst, Berichterstatter und Anhänger seinen Einsatz in der Startaufstellung fordern. Pekerman will ihn für höhere Aufgaben schonen und Carlos Tévez auch. Die Stammbesetzung amüsierte sich auch ohne die beiden, und wie.

Nach sieben Minuten setzten sich die dunkelblau gekleideten Argentinier auf Linksaußen durch, das Zuspiel von Luis González verwendete der herbei eilende Maxi Rodríguez zum Führungstreffer.

Die Serben reagierten nur vorübergehend vielversprechend, dabei hatte Kapitän Savo Milosevic behauptet: "Wir sind noch nicht am Ende." Milosevic selbst sah besonders mitgenommen aus.

Predrag Djordjevic versuchte sich mit einem Fernschuss, Mateja Kezman kam nach 25 Minuten am Fünfmeterraum an den Ball und wurde abgeblockt von den Manndeckern Roberto Ayala und Gabriel Heinze. Da waren ganz kurz die serbischen Fans zu hören, doch schnell johlte das argentinische Publikum und überstand auch einen weiteren Schrecken.

Mittelfeldmann González, den Pekerman statt Esteban Cambiasso aufgestellt hatte, verletzte sich - ersatzweise durfte nach einer Viertelstunde wieder Cambiasso ans Werk und erlebte bald einen seltenen Moment: Nach einer atemberaubenden Kombination über den gesamten Platz versorgte Javier Saviola mit seinen orangen Schuhen den Kollegen Hernán Crespo in den roten Stiefeln, der beförderte den Ball mit dem Absatz zu Cambiasso, und der traf ins Netz.

Es war erst sein zweites Tor im 24.Länderspiel, aber angesichts der Vorgeschichte eines der schönsten der bisherigen WM.

Crespo hätte kurz darauf bereits den dritten Streich folgen lassen, wäre vom überforderteren Schiedsrichter Cristiano Copelli nicht fälschlicherweise auf Abseits entschieden worden. Das 3:0 besorgte statt dessen Maxi unter freundlicher Beihilfe des Schalkers Mladen Krstajic.

Am Rio de la Plata war es zu diesem Zeitpunkt erst Viertel vor elf am Vormittag, doch das Volk dürfte wie seine Gesandten mit Maradona an der Spitze bester Laune gewesen sein. Weitere Tänze ihrer Helden verhinderte hauptsächlich der WM-Rasen, der mitunter an eine Eisbahn erinnert, ansonsten hätte für den Gegner vermutlich sogar die zweite Hälfte des Kaders genügt.

Verstärkter Körpereinsatz

Der erste Edelreservisten durfte nach einer guten Stunde aufs rutschige Feld, Stürmer Tévez ersetzte Stürmer Saviola. Serbien/Montenegro bemühte sich im vorletzten gemeinsamen Auftritt mit verstärktem Körpereinsatz, Kezman von Atlético Madrid brachte das in der 65. Minute die Rote Karte ein, so waren sie bloß noch zu zehnt, worauf sich Pekermans Elf gar nicht mehr anstrengen musste.

Eine Viertelstunde vor Schluss durfte dann endlich der vermisste Wunderknabe Messi auflaufen und den zweifachen Torschützen Maxi ablösen, Maradona begrüßte seinen Einsatz mit erhobenen Armen, eine der höchsten Auszeichnungen der Fußballszene.

Crespo steigerte die Laune mit seinem Treffer zum 4:0 noch weiter, Tévez setzte das 5:0 drauf - und Messi leibhaftig das 6:0. Maradona und der Rest Argentiniens waren selig.

© SZ vom 17.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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