Golf: US Open:Golfer staunen über das neue Wunderkind

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Der Nordire Rory McIlroy schlug den Drive schon als Zweijähriger 40 Meter weit. Mit 22 Jahren nun stellt er bei den US Open 13 Rekorde auf oder egalisiert sie und gewinnt mit Leichtigkeit und großem Vorsprung sein erstes Masters-Turnier. Auch Tiger Woods ist beeindruckt.

Petra Himmel

Alles, was er tun musste, war die Dämonen von Augusta zu vergessen. Die Bilder vom Masters 2011 durften nicht zur Belastung dieser US Open werden. Seit April steckt Rory McIlroy die Erinnerung an das zehnte Loch von Augusta National im Kopf.

Rory McIlroy bei den US Open. (Foto: AFP)

Dort musste er seine Hoffnungen auf den ersten Major-Titel begraben, nachdem er zwei Bäume, einen Azaleenbusch und fast einen Bungalow am Fairwayrand getroffen hatte. "Augusta war eine wertvolle Erfahrung", sagte Rory McIlroy am Sonntag, nachdem er die US Open im Congressional Golf Club gewonnen hatte. "Heute wusste ich, was ich tun musste, um zu gewinnen. Ich habe dort ein paar Sachen über mich und mein Spiel gelernt."

So vernichtend die Niederlage in Augusta ausfiel, so klar war jetzt sein Sieg bei der US Open. 13 Rekorde stellte der Nordire auf seinem Weg zum Titel ein oder egalisierte sie. Sein Gesamtergebnis von 268 Schlägen ist das niedrigste Ergebnis, das jemals bei einer US Open erzielt wurde. Seine Führung von acht Schlägen auf den Zweiten Jason Day aus Australien, der am Sonntag mit einer 68er Runde eine exzellente Leistung ablieferte, bedeutet den höchsten Vorsprung, seitdem Tiger Woods mit 15 Schlägen Unterschied zum Zweiten die US Open 2000 in Pebble Beach gewann.

Damals in Kalifornien stand man am Rande des Turniers und bekam eine Gänsehaut. Das Gefühl, etwas Besonderes, Einmaliges zu sehen, war angesichts von Woods' Dominanz übermächtig. Golf in Perfektion ist ein seltenes Ereignis. Im Congressional Golf Club wurde es vier Tage lang von McIlroy zelebriert.

Perfekt wirkt Golf nicht nur, wenn es nahezu fehlerfrei ist, sondern, wenn es mühelos scheint: wenn ein Profi wie nach Belieben mit dem Ball spielt. Am Sonntag positionierte McIlroys Spielpartner Y.E. Yang am zehnten Loch, einem 190 Meter langen Par 3, den Ball knapp zwei Meter neben der Fahne. Besser, so schien es, konnte ein Schlag kaum sein. Einen Moment danach hatte Rory McIlroy ein Eisen 6 in der Hand, zog durch und positionierte den Ball 20 Zentimeter neben dem Loch. Das konnte kein Zufall sein, dafür war es in Bethesda zu oft geschehen.

Der Konkurrenz blieb vier Tage lang nicht mehr als Staunen. "Was für eine Leistung vom Anfang bis zum Ende. Genieß' den Sieg! Gut gemacht!", lautete der Glückwunsch des verletzten Tiger Woods aus der Ferne. Der Anblick des 22-jährigen Nordiren mag ihn an den Beginn seiner eigenen Karriere erinnert haben. Bei genauer Betrachtung nämlich ist Rory McIlroy jenes golfende Wunderkind, das auch Woods einst war. Der US-Open-Erfolg wirkt wie die logische Konsequenz der herausragenden Karriere eines Kindes und Teenagers.

In seinem Heimatort Holywood schlug McIlroy den Drive schon als Zweijähriger 40 Meter weit, später entwickelte er sich zum besten Amateurgolfer der Welt. 2007 sorgte er als 18-Jähriger mit der einzigen bogeyfreien Runde an einem extrem windigen British-Open-Tag für Furore. Als er kurze Zeit später ins Profilager wechselte, benötigte er nur zwei Turniere, um sich die Spielberechtigung für die European Tour zu sichern.

McIlroy, so wurde schnell klar, ist die Zukunft des Golfsports: ein Spieler, der im Moment als der mögliche Nachfolger der Legenden Tiger Woods und Jack Nicklaus gehandelt wird. "Sein Rhythmus ist wunderbar, genauso wie sein Tempo, es bleibt die ganze Zeit gleich", schwärmt der 71-jährige Nicklaus. "Er versucht den Ball nicht zu killen oder irgendetwas Ungewöhnliches mit ihm zu machen. Er schlägt ihn einfach nur ein bisschen härter, wenn er ein klein wenig mehr Power braucht, und das ist es dann schon."

Talent im Übermaß also, das eine herausragende Zukunft verspricht. An seinem Versagen in Augusta National im April dieses Jahres aber hätte McIlroy auch scheitern können. Ein Blick auf den 31-jährigen Sergio Garcia, der mit 20 ebenso hoch gehandelt wurde wie heute McIlroy, zeigt, wie schnell ein Scheitern an Major-Chancen eine Karriere ins Wanken bringen kann.

Während der Spanier bis heute auf den ersten großen Titel wartet, hat sein Nachfolger aus dem Masters-Fiasko das Beste gemacht. "Einstellung und Haltung haben sich geändert", meinte er. "Ich musste etwas selbstbewusster und arroganter auf dem Golfplatz werden, mehr an mich selbst denken."

Am Ende hat wahrscheinlich auch sein Trip als Unicef-Botschafter nach Haiti dafür gesorgt, die nötige Gelassenheit zu finden. Vor der US Open hat er zwei Tage auf der vom Erdbeben erschütterten Insel verbracht. Sein Weltbild hat der Ausflug zurecht gerückt. "Da gibt es Sachen - ich habe nicht gedacht, dass ich so etwas überhaupt jemals sehen werde."

Eine veränderte Perspektive auf sein Leben, die Erfahrung der Niederlage von Augusta: Für den 22-Jährigen sind es am Ende diese positiven Erlebnisse gewesen, die den Sieg bei der US Open erst ermöglicht haben. "Die ganze Woche war unglaublich - mehr hätte ich mir nicht erträumen können. Ich bin so glücklich, diese Trophäe in Händen zu halten", jubelte er. "Jetzt erst weiß ich, wie gut Tiger war, als er 2000 mit 15 Schlägen Vorsprung gewann. Ich habe diesmal versucht, rauszugehen und ihn auszustechen."

Wer ihn dabei beobachtet hat, weiß: Rory McIlroy hat das Zeug dazu.

© SZ vom 21.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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