Golf:Eisblock im Überlebenstest

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Alles im Griff bei der US Open: Dustin Johnson. (Foto: Sam Greenwood/AFP)

Bei der US Open demonstriert Golfer Dustin Johnson vor dem Final-Sonntag seine Überlegenheit.

Von Frieder Pfeiffer , Oakmont/München

Wenn Dustin Johnson redet, bewegen sich seine Lippen - sonst nichts. Die Zahnreihen bleiben geschlossen, die Augenlider hängen starr wie heruntergelassene Rollos in der Nachmittagssonne auf Dreiviertel-Augenhöhe, auch das komplette restliche Gesicht: ohne Regung. Der US-Golfer wirkt wie der Eisblock im Cocktail Golf-Business.

Daran ändern auch sportliche Großtaten in der Regel wenig. Das war bei seinen bislang elf Turniersiegen auf der US PGA Tour so und ist nun aktuell auch bei der US Open im Oakmont Country Club, Pennsylvania, zu besichtigen. Johnson, 31, stand am späten Freitagabend vor einer Wand mit dem Logo des zweiten Golf-Majors des Jahres und sprach in ein Mikrofon. Er hatte soeben 36 Löcher auf einem Kurs gespielt, den viele schon den härtesten der Welt nennen, auch wenn er noch gar nicht für das härteste Golf-Turnier aufbereitet wurde. Für Ernie Els, US-Open-Sieger von 1994 und 1997, sind die vier Tage von Oakmont ein "Überlebenstest".

Das Favoriten-Trio um Jason Day, Jordan Spieth und Rory McIlroy bestand diesen Test nur teilweise. McIlroy scheiterte am Cut, Day und Spieth haben viel aufzuholen. Und Johnson? Der machte den Masochisten-Kurs zur Freizeitwiese und schaute dabei, als habe er eben neun Stunden lang Gras beim Wachsen zugeschaut. "Sicher ist das einer der härtesten Kurse hier", sagte er, als würde er das Pflicht-Statement vom Teleprompter ablesen.

Unglaubliche 25 Fairways in Serie

Es bleibt zu hoffen, dass die geschundene Konkurrenz den Fernseher im Hotelzimmer schon ausgeschaltet hatte, als "DJ" seinen Tag Revue passieren ließ. Was er "ganz gut in Form" nannte, ist bei dieser US Open bisher mindestens herausragend. Johnson hatte seine zwei Runden unter zugegebenermaßen etwas gnädigeren feuchten Bedingungen in vier unter Par gespielt. Über 36 Löcher kam da keiner mit. Und hätte der lange Schlaks nur ein bisschen besser geputtet, das Ergebnis hätte sich noch deutlich besser gestaltet. TV-Experte Paul Azinger, früherer Majorsieger, sagte: "Wenn sein Putter mal läuft, können es alle anderen vergessen." Er sprach für alle Kurse. Johnson hatte vom Abschlag zwischenzeitlich unglaubliche 25 Fairways in Serie getroffen. Fairways, so schmal, dass der Rest des Feldes überhaupt nur gut jedes zweite trifft. Fairways, die Gras umgibt, dass so dicht und hoch wachsen darf, dass Bälle versinken wie ein Stein im dunklen Wasser. Finden ist Glück, treffen ist Glücksspiel.

Johnson hatte nicht gezockt, dennoch ist er zur Halbzeit der Gewinner, der aus Vorsicht vor seiner Euphorie-Allergie zu sagen schien: Leute, so schwierig ist es dann doch nicht. Wenige Augenblicke vorher war Spielpartner Sergio Garcia deutlich enthusiastischer: "Er hat sensationell gespielt. Er ist der Mann, den es zu schlagen gilt."

Sein körperliches Talent ist unerreicht

Johnson hört solche Dinge nicht unbedingt gerne. Denn der Mann, den es an einem Major-Sonntag zu schlagen gilt, der war er schon oft. Und viel zu oft war er dann auch der Mann, der geschlagen wurde. 2010 ging er mit drei Schlägen Vorsprung auf die Finalrunde der US Open. Er galt als kommender Superstar. Sein körperliches Talent ist wohl unerreicht, kein Golfer ist auch heute noch so athletisch wie Johnson, der seine Abschläge in Oakmont 30 Meter weiter haut als der durchschnittliche Gegner. Doch Johnson streikte. Er spielte am Finalsonntag eine 82. Ein Ergebnis, das mit fünf verschossenen Elfmetern hintereinander verglichen werden kann - besonders in Bezug auf das, was sich in solchen Momenten im Kopf abspielt.

Bis heute rätseln Beobachter, was hinter den etwas müden Augen Johnsons so passiert. Im August 2010, zwei Monate nach seiner 82 bei der US Open, verspielte er den Sieg beim vierten Major des Jahres, der PGA Championship, weil er am letzten Loch seinen Schläger irregulär im Bunkersand absetzte. Spätestens seit diesem Sommer 2010 gilt Johnson als einer der talentiertesten Golfer ohne Major-Sieg - und sicherlich als der, der am nächsten dran war. Bei der US Open 2015 puttete er aus fünf Metern zum Sieg, dann zum Stechen aus gut einem. Er schob beide vorbei, Johnson wurde Zweiter. Seit den US Open 2014 war er bei fünf von sieben Majors unter den besten Sieben, meist mit Siegchancen. Ob das Erlebnis vom Vorjahr noch in seinem Kopf sei, wurde Johnson gefragt. Nun lachte er sogar: "Was war letztes Jahr?"

Es gab nicht nur sportliche Rückschläge. 2014 war Johnson für genau ein halbes Jahr weg vom Fenster. Er selbst sprach damals von "persönlichen Problemen". Heute gilt als sicher, dass er aufgrund positiver Drogentests - Marihuana, Kokain - von der Tour auf die Bank gesetzt wurde. Zumindest intensiven Alkoholkonsum gab er später zu, mutmaßlich aufgrund der Standpauke seines Schwiegervaters. Der kennt sich mit Eisblöcken aus. Johnson ist mit Paulina Gretzky verheiratet, der Tochter von Eishockey-Legende Wayne Gretzky.

© SZ vom 19.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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