Gladbach - Mainz (18 Uhr):Der große Comebacker

Lesezeit: 2 min

Derzeit viel Grund für Jubelgesten: Patrick Herrmann. (Foto: imago/Michael Weber)

Vor der Saison sah es so aus, als würde der langjährige Gladbacher Patrick Herrmann die Borussia verlassen müssen. Doch der Kämpfer blieb - und ist nun wieder zu einer der größten Stützen seines Teams erwachsen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Man könnte davon ausgehen, dass Patrick Herrmann am Ende dieser Saison die Bundesliga verlässt. Es gäbe drei Gründe für diese Annahme: Erstens, weil er dann genau zehn Spielzeiten in Deutschlands höchster Liga hinter sich hat, zweitens, weil sein Vertrag bei Borussia Mönchengladbach dann endet und er woanders ein schönes Handgeld einfordern könnte, und drittens, weil er keine Lust hat, am Ende seiner Karriere als meistausgewechselter Spieler der Bundesliga-Historie dazustehen. Der Flügelstürmer hat 227 Bundesliga-Spiele für Gladbach bestritten und wurde dabei 131 Mal ausgewechselt. Nur noch neun Auswechslungen, dann hätte er Gerald Asamoah (139 Auswechslungen) überholt, und nur noch zehn, dann hätte er auch Halil Altintop (140) überholt und wäre mit 141 Auswechslungen der meistausgewechselte Spieler jemals. So will niemand in Erinnerung bleiben.

Andererseits: Herrmann ist ein freundlicher, uneitler, integrer und fleißiger Fußballprofi, und deshalb muss man sehr ernsthaft in Erwägung ziehen, dass der 27-jährige gebürtige Saarländer alles dafür tun wird, seinen Vertrag in Gladbach in den nächsten Wochen zu verlängern.

Herrmann ist ein Kämpfer. Besonders das Jahr 2015 war ein Highlight für den großen, schmalen Fußballer, den sie "Flaco" nennen, "den Dürren". Unter dem Trainer Lucien Favre spielte der Rechtsaußen damals den besten Fußball seines Lebens und durfte im Juni 2015 zweimal für die Nationalmannschaft spielen: zunächst in Köln, bei einem 1:2 gegen die USA, als er Mario Götze die 1:0-Führung vorbereitete; und dann bei einem 7:0 in der EM-Qualifikation in Gibraltar. 129 Minuten insgesamt hat Herrmann das Trikot der deutschen Auswahl getragen, danach war seine Nationalmannschaftskarriere vor allem wegen eines Kreuzbandrisses aber auch schon wieder vorbei. Fast ein halbes Jahr war Herrmann außer Gefecht. Danach hat Löw ihn nicht mehr geholt.

Beim FC Bayern trifft Herrmann zum Endstand

Im vergangenen Sommer sah es auch in Gladbach schlecht für ihn aus, als der Trainer Dieter Hecking sagte: "Mit Patrick hatten wir ein ganz offenes Gespräch darüber, wie es für ihn aussehen kann in der neuen Saison." Das war eine höfliche Umschreibung für die Floskel "Wir legen dem Spieler keine Steine in den Weg", was wiederum eine höfliche Umschreibung für die Feststellung ist: "Wir wollen den Spieler nicht mehr." Herrmann aber entschied sich, zu bleiben und zu kämpfen.

Im ersten Spiel wurde er nach 83 Minuten eingewechselt, im dritten nach 67, im vierten direkt nach der Pause und im fünften stand er in der Startelf. Gegen Schalke erzielte er als Joker das vorentscheidende 2:0, gegen Berlin und Wolfsburg bereitete er je einen Treffer vor und beim 3:0-Sieg beim FC Bayern München erzielte er wiederum als Joker den Treffer zum Endergebnis. Jetzt gilt Herrmann als größter Comebacker in einer Mannschaft, die angesichts eines überraschend starken Saisonstarts ohnehin etliche Helden feiert.

Es ist klar, dass Herrmann jetzt ständig gefragt wird, ob er denn seinen Vertrag in Gladbach gerne verlängern würde, und wenn ja, wann; oder ob er Gladbach nach zehn Jahren verlassen möchte, und wenn ja, wohin. Herrmann lächelt dann und sagt: "Ich muss nichts überstürzen, ich bin ganz entspannt und mache mir keinen Stress - über meine Zukunft mache ich mir später Gedanken."

Vorher spielt Gladbach an diesem Sonntagabend gegen Mainz, die Mannschaft mit den wenigsten Gegentoren der Bundesliga. Herrmann würde in seinem 228. Bundesligaspiel gerne sein 40. Tor erzielen, ob als Startspieler oder als Einwechsler - er kann mit beiden Situationen umgehen. Bloß an die Auswechslungen, an die wird er sich, wie jeder andere ambitionierte Spieler auch, nie gewöhnen können.

© SZ vom 21.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: