Giulia Gwinn:Mit den Stutzen über den Knien

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Auf Anhieb eine Verstärkung für den FC Bayern: Giulia Gwinn. (Foto: Bernd Feil/imago images/MIS)

Nach ihren starken Leistungen bei der WM in Frankreich gibt Gwinn im Heimspiel gegen Frankfurt ihr Debüt für die FC Bayern Frauen. Sie überzeugt auf Anhieb als offensivstarke Rechtsverteidigerin.

Von Thomas Hürner, München

Giulia Gwinn nahm Anlauf, schnurstracks die Außenlinie entlang, mit jedem Schritt wurde sie ein bisschen schneller. Gwinn erreichte ihr maximales Tempo, ein außerordentlich hohes übrigens, und jetzt bekam sie auch den Ball zugespielt. Eine perfekte Mitnahme, zwei oder drei Kontakte, alles noch in vollem Lauf, aber von vollendeter Eleganz. Dann die Flanke, scharf und mit ein bisschen Effet, punktgenau auf den Kopf von Mitspielerin Verena Schweers. In dieser 87. Spielminute wäre beinahe der nächste Treffer für die Bayern-Frauen gefallen, der Kopfball von Schweers ging aber an die Latte.

Und so blieb Gwinn, 20, ohne Torvorlage beim überzeugenden 3:0 des FC Bayern am Freitagabend gegen den Rekordmeister 1. FFC Frankfurt. Stürmerin Lineth Beerensteyn erzielte zwei Treffer: ihren ersten nach einem langen Ball von Verteidigerin Amanda Ilestedt (30.), dem zweiten gingen eine schöne Kombination und schließlich ein Querpass von Linda Dallmann (69.) voraus. Für den Endstand sorgte die Frankfurterin Sandrine Mauron nach einem verunglückten Klärungsversuch, der im eigenen Tor landete (64.).

Für Gwinn war es das erste Heimspiel bei ihrem neuen Klub, sie wechselte im Sommer aus Freiburg nach München, genau wie Bayern-Trainer Jens Scheuer. "Auf diesen Moment habe ich hingefiebert", sagte Gwinn nach der Partie. "Und klar, ich muss mich noch ein bisschen zurechtfinden, hier ist alles ein bisschen größer, professioneller."

Einer Fußballerin, deren Karriere in etwa so schnell nach oben ging, wie sie selbst die Außenbahn entlangrennt, kann eine gewisse Ehrfurcht vor neuen Aufgaben sicher nicht schaden. Gwinn gehörte bei der Frauen-WM in Frankreich zur Stammelf, für ihre Leistungen wurde sie als beste Nachwuchsspielerin des Turniers ausgezeichnet. Beobachter trauen ihr zu, in den nächsten Jahren eines der prägenden Gesichter des deutschen Frauenfußballs zu werden. Und jetzt spielt sie bei einem Verein, der Meister werden und auch international an die Spitze aufschließen will.

Gwinn ist eine Fußballerin, die sich die Stutzen bis über die Knie zieht, was ja nicht nur bei den Männern sowas wie der Modetrend eines bestimmten Spielertyps ist: Geschwindigkeit und Technik, Offensivgeist gepaart mit fußballerischer Ästhetik. Und Gwinn kombiniert das mit Leidenschaft und Flexibilität. Gegen Frankfurt spielte sie als Rechtsverteidigerin, und das äußerst gewissenhaft. "Sie hat ein tolles Spiel gemacht", lobte Trainer Scheuer, "in der Rückwärtsbewegung diszipliniert, in der zweiten Halbzeit immer mutiger nach vorne".

Tatsächlich dauerte es ein wenig, bis Gwinn sich aus der Deckung wagte, aber das galt ja für die gesamte Bayern-Mannschaft. Diese Herangehensweise sei "mit Bedacht gewählt" worden, erklärte Scheuer, "denn die Frankfurter haben extrem schnelle Angreiferinnen". Nach der Pause wurden die Münchnerinnen angriffslustiger, sie kombinierten sich immer wieder flott durchs Mittelfeld - und jetzt auch häufiger hinein in die gefährlichen Zonen. Gwinn, die auch gerne eine Position weiter vorne spielt, schaltete sich immer wieder mit ein, mit Doppelpässen und Flankenläufen. "Das ist das Spiel, das wir langfristig auf den Platz bringen wollen", sagte Gwinn, bevor sie lächelnd anfügte: "Das ist auch das Spiel, das ich gerne mag."

© SZ vom 25.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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