Geschichten aus der Regionalliga:Die Festbeißer

Lesezeit: 3 min

Im Höhenflug: Ivan Knezevic hat in dieser Saison schon vier Mal für die SpVgg Oberfranken Bayreuth getroffen. (Foto: Peter Kolb/imago)

Die SpVgg Bayreuth mit Trainer Timo Rost firmiert als Geheimfavorit auf den Aufstieg - allzu gut gehütet ist das Geheimnis nicht mehr.

Von Sebastian Leisgang

Wenn Timo Rost jetzt an dieses 0:4 in Aschaffenburg und an das 1:3 gegen Garching denkt, dann ist er froh, dass seine Elf diese beiden Partien verloren hat. Der Trainer der SpVgg Bayreuth sagt im Rückblick auf die ersten Spiele dieser Saison: "Das kam genau zur richtigen Zeit, weil die Jungs dann gemerkt haben, dass es nicht mit 50 Prozent geht." Das ist ja immer so eine Sache: dass sich Trainer den Mund fusselig reden und ihre Spieler wieder und wieder darauf hinweisen, dass sie dies tun und jenes unterlassen sollen - und dann tun die Spieler eben doch nicht dies und unterlassen auch nicht jenes.

Vor den ersten Spielen hat Rost seiner Mannschaft also eingebläut: Okay, Männer, die Rückrunde der letzten Saison war nicht so schlecht. Und ja, ihr müsst euch auch nicht schämen, dass ihr Ende Juni in diesem Testspiel gegen den 1. FC Nürnberg nur 2:1 gewonnen habt. Aber: Obacht, es wird weder in Aschaffenburg noch gegen Garching ein Spaziergang. Irgendwie kam Rosts Botschaft anscheinend nicht an.

Und jetzt, sechs Wochen nachdem sich Rost den Mund fusselig geredet hat, da steht Bayreuth auf einmal auf Platz vier.

Timo Rost, 41, hat den Laden im Griff. An die ersten beiden Partien schlossen sich sechs weitere ohne eine einzige Niederlage an. Und an diesem Freitag (18 Uhr) trifft Bayreuth zu Hause im Spitzenspiel auf Türkgücü München, den Favoriten auf die Meisterschaft. "Das haben wir uns erarbeitet", sagt Rost, "die Mannschaft ist nach den ersten zwei Spielen ins Rollen gekommen und hat ansehnlichen Fußball gespielt." Sie hat 18 Tore erzielt und nur noch deren sechs kassiert. "Das kann sich sehen lassen", findet Rost - nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Bayreuther exakt null Tore erzielt und deren 13 kassiert hatten, als er sie vor knapp einem Jahr von Josef Albersinger übernahm, der den Laden etwas weniger im Griff hatte.

Unter Rosts Vorgänger war Bayreuth 2018/19 mit sechs Niederlagen in die Saison gestartet. Dann kam Rost - und brachte den Erfolg zurück. "Die Entwicklung ist schon bemerkenswert", sagt der frühere Bundesligaspieler, wenn auf seine bisherige Amtszeit bei der Spielvereinigung blickt. Dann spricht er offen von der Spitzengruppe der Regionalliga ("Wir wollen uns im ersten Drittel festbeißen"), findet allerdings auch: "Ein Aufstieg käme vielleicht noch zu früh. Es macht keinen Sinn, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen."

Erst, das meint Bayreuths Coach, muss eine für die dritte Liga taugliche Infrastruktur geschaffen werden. Auch die Mannschaft sollte noch den ein oder anderen Schritt gehen. Gleichwohl entgegnet Rost auf die Frage, ob er denn gespannt sei, wie sich sein Team bei einer Reifeprüfung wie gegen Türkgücü schlage: Nein, gespannt sei er nicht, "ich weiß ja, was meine Mannschaft zu leisten imstande ist".

Hinten bildet Philip Messingschlager mit Chris Wolf, Tobias Weber, Patrick Weimar und Johannes Golla eine schwer auszuhebelnde Defensive - und vorne sind Anton Makarenko (sechs Tore) und Ivan Knezevic (vier) nicht minder zuverlässig. All das macht Bayreuth im Schatten von Schweinfurt und Türkgücü zu einem Geheimfavoriten. Allzu gut behütet ist das Geheimnis zwar nicht, es hat sich mittlerweile ja rumgesprochen in Bayern, dass irgendwo da oben im Nordosten ein Trainer am Werk ist, der ab und zu mal Grund zu einem Luftsprung hat, weil seine Mannschaft derart gut spielt - dennoch wäre es ein außerordentlicher Coup, sollte sich am Ende Bayreuth freuen, wenn Schweinfurt und Türkgücü sich streiten.

Auch Rost weiß, dass seine Elf eigentlich nicht Schritt halten kann mit den beiden Favoriten. Über Türkgücü sagt er vor dem Duell: "Das ist ja Wahnsinn, wenn man die beiden Mannschaften vergleicht. Die haben Spieler mit Zweitliga-Erfahrung." Er weiß aber auch: Bei einem einzigen Vergleich, in nur 90 Minuten, da kann seine Spielvereinigung unter Umständen gleichwertig sein. Wenn es gegen Türkgücü geht, muss er sich ja gar nicht den Mund fusselig reden.

© SZ vom 30.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: