Galopp:Zurück in der Startbox

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Das Rennen geht weiter: Galopper auf der Rennbahn Iffezheim. Credit: Sabine Brose/imago images (Foto: Foto: Sabine Brose/Sorge/imago/Frank Sorge)

Die Rennbahn in Iffezheim stand im Frühjahr vor dem Aus und mit ihr womöglich der Galoppsport in Deutschland. Doch binnen weniger Monate hat sich das Schicksal gewendet - am Sonntag beginnt wieder die Große Woche.

Von Ulrich Hartmann

Stephan Buchner bewohnt zurzeit eine Ferienwohnung am Fuße des Schwarzwalds. Jeden Morgen geht er eine Runde reiten. Das klingt nach Urlaub, ist aber keiner. Die Ferienwohnung befindet sich in Iffezheim. Der 54-Jährige, ein Rechtsanwalt aus Mannheim, ist der neue Geschäftsführer der Galopprennbahn. Wenn die morgendliche Reitrunde vorbei ist, steht ihm ein Zwölf-Stunden-Tag im Büro bevor. Immerhin mit Blick aufs grüne Geläuf.

Stephan Buchner und der Mannheimer Immobilien-Unternehmer Peter Gaul sind die neuen Hauptgesellschafter der wichtigsten deutschen Galopprennbahn. Sie liegt in Iffezheim, heißt aber: Baden-Baden. Es sind schließlich nur zehn Kilometer von hier nach da. Gaul und Buchner wollen beweisen, dass Galopprennen kein Zuschussgeschäft sind. Das müssen sie aber auch. Sonst stünde es schlecht um den deutschen Galopprennsport.

Romantisch veranlagte Pferdenarren im Badischen haben nächste Woche schlechte Karten. Dann kann auf der Galopprennbahn ausnahmsweise nicht geheiratet werden. Für den deutschen Galopprennsport ist das aber eine exzellente Nachricht. Diesen Sonntag beginnt nämlich mit elf Rennen die traditionsreiche "Große Woche", die am übernächsten Sonntag mit dem mit 160.000 Euro dotierten 149. "Großen Preis von Baden" zu Ende geht. Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, dass in Iffezheim nie wieder ein Galopprennen stattzufinden drohte, weil sich kein Betreiber fand. "Aber deutscher Galopp ohne Iffezheim?", fragt Buchner und gibt die Antwort: "Unvorstellbar!"

Mit ihrem Konzept fanden die neuen Hauptgesellschafter wieder Investoren

Als die damalige Betreibergesellschaft Baden Racing Ende vergangenen Jahres aus Gründen der Wirtschaftlichkeit den Pachtvertrag gekündigt hatte, stand die Zukunft jener Rennbahn in den Sternen, die am 5. September ihren 163. Geburtstag feiert. Corona hat dem ohnehin angeschlagenen Galoppsport noch einmal zugesetzt. Schließlich fanden sich aber doch Investoren. Gaul und Buchner gründeten nebst weiteren Anteilseignern die Betreibergesellschaft Baden Galopp und unterzeichneten am 1. April einen auf zehn Jahre angelegten Pachtvertrag mit der Gemeinde Iffezheim, der die Rennbahn gehört.

Die Gemeinde macht aus ihrer berühmtesten Liegenschaft kein Geheimnis. "Iffezheim... liegt gut im Rennen", lautet der kommunale Slogan. Bürgermeister Christian Schmid ist stolz auf die weltweite Bekanntheit der Galopprennbahn. Doch die Strahlkraft hat nachgelassen. Fast sechs Millionen Euro binnen zehn Jahren mussten die früheren Pächter, der Kaffee-Erbe Andreas Jacobs und der Verleger Paul von Schubert, nach eigener Auskunft zum Betrieb der Bahn zuschießen. 200.000 Euro pro Jahr betrug die Pacht, fast die gleiche Summe kam für Nebenkosten und Unterhalt hinzu. Jacobs erklärte am Ende entnervt: "Die Verluste waren dramatisch, wir sahen uns nicht mehr in der Lage, die Pacht zu bezahlen."

Den neuen Betreibern hat das zu denken gegeben. Bei ihren Überlegungen drehte sich alles um die Finanzierbarkeit. "Wir wollen kein wirtschaftliches Harakiri begehen", sagt Buchner. Die beiden handelten verträglichere Rahmenbedingungen aus. Weniger Pacht und weniger Personalkosten (weil Buchner nun selbst Geschäftsführer ist) sowie die Unterstützung eines eigens gegründeten Fördervereins sind drei maßgebliche Faktoren zur besseren Finanzierbarkeit.

Ein Leistungszentrum soll entstehen - gleich neben der Rennbahn

Hinzu kommt die Aussicht auf eine niedrige sechsstellige Euro-Summe, wenn demnächst nach Jahren des Wartens erstmals Geld aus der Rennwettsteuer-Rückerstattung fließt. Überdies zeigt der frühere Springreiter Ulrich Kirchhoff Interesse daran, gleich neben der Rennbahn ein Leistungszentrum aufzubauen. Anfang August fand auf der Rennbahn zudem eine Gartenmesse statt. Auch Konzerte sind geplant. Kreativität ist erforderlich.

Pferdefan Buchner besitzt selbst ein Pferd, ein einziges: Kashani. Der achtjährige Wallach läuft am Mittwoch sogar ein Rennen in Iffezheim. Obwohl die vergangenen Wochen Stress pur waren, lässt Buchner es sich nicht nehmen, Kashani jeden Morgen zu reiten. Das Pferd steht in einer Box der Rennbahn. Kashani war in seinem Pferdeleben in 36 Rennen erfolglos mitgelaufen, ehe er kürzlich beim 37. Start tatsächlich gewann. Auch der Mehrheitsgesellschafter Gaul hat zusammen mit seiner Frau ein Pferd in Iffezheim untergebracht: Eric, das einst erste selbstgezogene Pferd ihrer Zucht.

"Die Rennbahn ist ein Herzensprojekt", sagt Buchner. Und doch gehen die beiden Investoren ein finanzielles Risiko ein. "Unser Ziel ist eine schwarze Null", sagt Gaul. Buchner spielt als Geschäftsführer sowohl des Badischen Rennvereins als auch der "Betriebsgesellschaft Galopp-Rennvereine" längst eine Hauptrolle im deutschen Galopp.

Doch nicht nur an ihm werden Wohl und Wehe der Branche hängen. Corona wird weiter ein Faktor spielen. Bis zu 10.000 Zuschauer dürfen bei der "Großen Woche" auf die Bahn. Einer von ihnen wird am Schluss-Wochenende Michael Vesper sein, der Präsident des Verbands "Deutscher Galopp". Die Wiederaufnahme von Rennen auf der wichtigsten deutschen Bahn nennt er "ein Aufbruchssignal für den gesamten Galopprennsport".

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