Fußballnationalteam der Frauen:Wiedersehen in Portugal

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Was tun in einem Jahr ohne Großereignis? Die deutsche Fußball­nationalmannschaft der Frauen versucht, beim Algarve-Cup die Grundlage für die EM 2021 zu legen.

Von Anna Dreher, Faro/München

Hach ja, das ist schon eine sehr schöne Kombination gewesen, wie Dzsenifer Marozsán den Ball geschickt über zwei Gegnerinnen lupfte, Klara Bühl ihn von dort weiterleitete zu Kathrin Hendrich, Flanke, Kopfball Alexandra Popp, Tor. Oder später dann wieder Marozsán auf Bühl, dieses Mal ein langer Ball aus dem Mittelfeld, schnelle Bewegung nach innen, nächster Treffer. Und das gegen England, im Wembley-Stadion, vor fast 78 000 Zuschauern. Das war natürlich ein super Signal an alle Gegner, das von diesem Test ausging, dieser schnelle, intensive, druckvolle und unterhaltsame Fußball, den die deutsche Nationalmannschaft der Frauen im November zeigte.

Aber welcher namhafte Gegner sollte sich ernsthafte Sorgen über ein Duell mit diesem dominant auftretenden Team machen? Der Weltmeister USA vielleicht? Der Europameister Niederlande? Bei welcher wirklich wichtigen Begegnung denn? Das große Turnier im Frauenfußball dieses Jahr, die Olympischen Spiele, verpasst der Titelverteidiger, weil er im Viertelfinale der Weltmeisterschaft ausgeschieden ist.

Die hier entscheidenden Szenen waren andere: Langer Ball von Linda Sembrandt, cleverer Lauf von Sofia Jakobsson, Tor. Kopfball Fridolina Rolfö, Abpraller verwertet von Stina Blackstenius, nächster, entscheidender Treffer, Deutschland ist gegen Schweden raus. Aber im Leben und im Sport sieht man sich ja immer zwei Mal. In diesem Fall: an der Algarve.

Szene mit Folgen: Schwedens Stina Blackstenius schießt im WM-Viertelfinale das Tor zum 2:1, die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen scheidet aus und verpasst die Qualifikation für die Olympischen Spiele. Beim Algarve Cup hat sie nun die Cchance zur Revanche. (Foto: Simon Hategard/imago)

Die für die DFB-Frauen erste und einzige größere Wettbewerbsveranstaltung ist dieses Jahr der Algarve Cup, ein seit 1994 ausgetragenes Einladungsturnier, um dessen Gewinn erstmals in einem Play-off-Modus gespielt wird. 2014 konnten die deutschen Fußballerinnen hier zum dritten und bislang letzten Mal den Titel holen. Und natürlich geht es ihnen darum, im Übergangsjahr vor der EM 2021 in England nicht in WM-, sondern in Wembley-Form aufzutreten und dieses Turnier zu gewinnen, ohne Zweifel an ihrem Spielwitz und ihrer Spielstärke zu wecken - und das zum Auftakt an diesem Mittwoch (17.30 Uhr) ausgerechnet gegen Schweden.

Experimentieren und gleichzeitig Spiele gewinnen - die DFB-Elf versucht sich an einem Spagat

Zeit für eine Revanche für die bitterste Niederlage seit langem! "Die WM ist für uns kein Thema mehr. Das ist durch", sagte jedoch Kapitänin Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg im Kicker, und Bayern Münchens Melanie Leupolz quasi wortgleich: "Das Thema ist erledigt für uns." Die Erinnerung an die schmerzlichen Szenen aus dem Sommer scheint verblasst zu sein, lange her, längst vergessen. "Wir wollen uns dieses Jahr weiterentwickeln", sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg vor der Abreise nach Portugal. Dort sollen Siege weniger im Vordergrund stehen: "Wir wollen neue taktische Varianten ausprobieren und möglichst viele Spielerinnen einsetzen. Die Ergebnisse stehen nicht im Vordergrund. Wir wollen sehen, wo wir gerade stehen." Der Konkurrenzkampf sei eröffnet, das sei jeder Spielerin klar.

Seit die USA 2016 parallel den SheBelieves Cup austragen, ist der Stellenwert des Algarve Cup gesunken. Jeder Test gegen hochkarätige Gegner aber ist in diesem Jahr umso wichtiger für das deutsche Team. Nach der Partie gegen den WM-Dritten Schweden trifft die DFB-Elf entweder auf den EM-Zweiten Dänemark mit Wolfsburgs Weltklassestürmerin Pernille Harder oder auf Norwegen. Eine gute Abwechslung also zum eher pflichtmäßig zu bestehenden Programm der EM-Qualifikation, in der die DFB-Frauen mit vier Siegen in vier Spielen und 31:0 Toren makellos da stehen. Und weil beim Algarve Cup keine Qualifikation in Gefahr geraten kann, soll in den zehn Turniertagen eben munter experimentiert werden.

Neben routinierten Kräften wie Marozsán, Popp, Leupolz, Svenja Huth, Lina Magull oder Leonie Maier hat Voss-Tecklenburg Neulinge wie Sophia Kleinherne, Lena Lattwein sowie Sydney Lohmann mitgenommen und setzt auf junge Talente, die sich bei der WM bereits eindrucksvoll bewährt haben: Bühl, Giulia Gwinn und Lena Oberdorf. In Abwesenheit der schwangeren Stammtorhüterin Almuth Schult kommt zudem Freiburgs Merle Frohms eine größere Rolle zu. "Ich erwarte von Merle, dass sie sich nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb durchaus als Nummer 1 positioniert", sagte die Bundestrainerin. "Sie hat bisher bei ihren Auftritten im Nationalteam immer überzeugt."

Wie sich die Experimentierfreude taktisch ausdrücken wird, wollte sie nicht verraten: "Ich möchte im Detail nicht zu viel dazu sagen. Ich weiß ja auch, dass es Schweden gibt, die gut Deutsch sprechen und lesen können." Ums Gewinnen geht's eben schon auch.

© SZ vom 04.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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