Fussball-WM 2014:Der Traum nach dem Trauma

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2014 wird es wieder eine WM in Brasilien geben - 64 Jahre nach der Schmach von Maracanã. Die Fußball-Erben wollen nun alles wieder gut machen.

Peter Burghardt

Buenos Aires, 30. Oktober - Für viele Brasilianer kommt die Revanche zu spät, 2014 wird die Schmach ja schon 64 Jahre zurückliegen. 1950 fand zuletzt eine Fußball-Weltmeisterschaft im größten Land Südamerikas statt, und nach menschlichem - und vor allem brasilianischem - Ermessen konnte es damals nur einen Sieger geben. Was sollte im letzten Spiel an jenem 16. Juli 1950 gegen Uruguay noch schiefgehen?

"Brasil campeão", stand in den Zeitungen, Brasilien Weltmeister, und im Stadion Maracanã hatten sich 200.000 Menschen zur Feierstunde versammelt. Die runde Arena in Rio de Janeiro war für diese WM gebaut worden - die damals größte des Planeten, ein Monument, ein Wallfahrtsort. Mittelfeldspieler Friaca schoss standesgemäß das 1:0, bald würde die Republik in einem Taumel wie im Karneval versinken. Doch es folgte sprachloses Entsetzen.

Das ewige Trauma

Nach 66 Minuten gelang dem Gegner der Ausgleich, ein Unentschieden hätte den Hausherren zum Titel genügt. Fifa-Präsident Jules Rimet stieg bereits zum Rasen hinab - er hatte eigens ein paar Brocken Portugiesisch einstudiert, um den Siegern den Pokal zu überreichen. Elf Minuten fehlten zum Abpfiff, dann geschah das Unfassbare: Alcides Ghiggia aus Montevideo traf vorbei an Torwart Moacyr Barbosa zum 2:1 für Uruguay. Der kleine Nachbarstaat war Weltmeister, nicht das große Brasilien.

Nie mehr wurde es im Maracanã so still, Zuschauer schwiegen oder schluchzten. "Wir hatten einem gesamten Volk das Fest zerstört", sagte Torschütze Ghiggia kürzlich in einem Interview. Als "Maracanãço" wurde die Niederlage zum ewigen Trauma, obwohl die seleção danach fünf Mal die WM gewann. In sieben Jahren erhalten die Erben also eine neue Chance in der Heimat.

Kuriose Delegation

2014 darf Brasilien endlich wieder eine WM organisieren. Am Dienstag erfuhr der Bewerber beim Fifa-Kongress in Zürich offiziell von seinem Glück, wusste aber schon seit Wochen davon. Nach Deutschland 2006 und Südafrika 2010 musste der übernächste Ausrichter laut Reglement aus Südamerika kommen, und Kolumbien hatte als einziger Gegenkandidat zurückgezogen.

"Die Copa gehört fast uns", verkündete die Zeitung O Globo am Montag. Zur Zeremonie war eine kuriose Delegation in die Schweiz gereist: unter anderen Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva, Nationaltrainer Carlos Dunga, der unverwüstliche Stürmer Romário, der laut eigener Rechnung 1000Tore schoss, Autor Paulo Coelho, der noch viel mehr Bücher verkauft hat, und Gouverneure wie der des Bundesstaates Amazonas, der die Erde mit Sauerstoff versorgt.

Dann gab Fifa-Boss Joseph Blatter bekannt, was seinem ähnlich despotischen Vorgänger João Havelange aus Brasilien verwehrt geblieben war. Für das Riesenreich ist das Turnier nun eine Chance, sich als Aufsteiger wie China oder Russland zu präsentieren.

Endspiel an der Kultstätte

Bislang fiel die bewegungsfreudige Republik zwar als Landwirtschaftsgigant, Urlaubsparadies oder Flugzeughersteller auf, aber bei internationalen Sportereignissen war das Abschlussrennen der Formel 1 in São Paulo ein seltener Höhepunkt.

Und schon bei dem Grand Prix sei offensichtlich geworden, "dass die Stadt nicht die Infrastruktur hat", wie der frühere Finanzstaatssekretär Luiz Gonzago in der Folha de São Paulo stichelt. "Im Vergleich zu anderen Ländern ist Brasilien sehr schlecht vorbereitet, aber das kann in sieben Jahren besser werden."

Mindestens zehn Milliarden Dollar wird die Modernisierung kosten. 18 Stadien sollen neu- oder umgebaut werden - auch Kriminalität und Korruption will die Regierung in den Griff bekommen, beides schreckt Investoren ab. Das Endspiel soll an der Kultstätte das Estádio do Maracanã stattfinden, für die Panamerikanischen Spiele im Sommer wurde es renoviert. Zuletzt spielte Brasiliens Auswahl nach langer Pause wieder dort, mit den Stars Ronaldinho und Kaká bezwang sie Ecuador 5:0.

Moacyr Barbosa darf die Rückkehr 2014 nicht mehr erleben. Der Torhüter, dessen Name nach dem 1:2 gegen Uruguay zum Schimpfwort wurde, starb 2000 in Santos. Die Bestattung war so traurig wie sein Leben nach der historischen Pleite. "Die höchste Strafe in Brasilien sind 30Jahre Haft", klagte er kurz vor seinem Tod, "aber ich büße nun schon 50 Jahre für etwas, was ich nicht begangen habe." Nächstes Mal wird sich ein anderer bewähren müssen.

© SZ vom 31.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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