Fußball-Regionalliga:Suche nach Orientierung

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Ackern auf dem Acker: 1860-Stürmer Sascha Mölders wird von Rosenheims Mathias Heiß zu Fall gebracht. (Foto: imago/Thomas Bachun)

"Man muss mal ganz klar sagen: Wie soll es in zwei oder fünf Jahren aussehen?": 1860-Trainer Bierofka klagt über die unsichere Perspektive.

Von Markus Schäflein

Man kann nicht behaupten, dass die Profifußballer des TSV 1860 München in Rosenheim unzureichend geschützt gewesen wären. Als sie nach dem 1:1 am Sonntag die Kabinen betraten, die sich im Erdgeschoss der Stadiongaststätte befanden, wurde ihr Weg von eifrigen Ordnern aggressiv abgesperrt; das Sicherheitspersonal attackierte sogar einen einheimischen Rentner, der nur die Wirtschaft verlassen wollte. In jener fand anschließend eine Pressekonferenz statt, die wegen eines fehlenden Kabels verschoben werden musste, dann von Zwischenrufen betrunkener Löwenfans begleitet wurde und am Ende in eine Art Fantalk abdriftete. Am Buffet verkündete einer: "Pizza ab jetzt nur noch für Spieler!"

Bierofka will "eine Richtung, an der wir uns orientieren können"

Die Fußball-Regionalliga Bayern macht einigen Sechzigern Spaß, andere wollen sie so schnell wie möglich verlassen. Was dieses Remis in Rosenheim diesbezüglich zu bedeuten hatte, wusste man nicht so genau. Die miserable Qualität des Spiels hatte schließlich entscheidend mit dem miserablen Rasen im winterlichen Alpenvorland zu tun, so dass ein Urteil nur bedingt möglich war. Trainer Daniel Bierofka fand den Platz "ganz ehrlich unbespielbar" und lobte seine Mannschaft ganz zu Recht dafür, dass sie das einzig Mögliche getan hatte: kämpfen. Ein Fan fragte in der Pressekonferenz dennoch, was denn nun mit den Verstärkungen der Mannschaft im Winter los sei; die seien doch dringend nötig, schließlich müsse Sechzig in der Aufstiegsrelegation ja nicht gegen Rosenheim, sondern gegen Uerdingen, Cottbus, Saarbrücken oder sonst wen spielen. "Wir wissen nicht, ob wir Erster werden oder gegen wen wir dann kommen", erklärte Bierofka. "Und wir haben nicht die finanziellen Mittel. Wir sollten dieser Mannschaft vertrauen und die Erwartungen anpassen."

Vier Punkte mehr und ein Spiel weniger als der Zweitplatzierte 1. FC Nürnberg II haben die Löwen auf dem Konto. Aber nur sieben Zähler haben sie aus den vergangenen sechs Partien geholt. Die Debatten wurden daher von der Frage bestimmt, die sich aus dieser kuriosen Konstellation ableitet: Ist das eine kleine Krise? Abwehrspieler Felix Weber hatte sie bereits vor dieser Partie in der Bild-Zeitung relativ schlüssig beantwortet: "Wenn man Erster ist, kann man keine Krise haben." Nachdem bereits fest steht, dass die Mannschaft auf Rang eins in die Pause geht, wird sie nach dieser Logik auch den Winter über keine Krise haben.

Eine Krise hat hingegen definitiv die A-Jugend der Löwen, und zwar eine richtig große. Sie verlor am Wochenende 1:4 beim Tabellenführer FC Ingolstadt, und bei nun acht Punkten Rückstand ist die sofortige Rückkehr aus der U19-Bayernliga in die U19-Bundesliga nur noch theoretisch möglich. "Wir haben individuell Dinge gemacht, die nicht gehen", klagte ihr Trainer Christian Wörns. "Teilweise war das an Arroganz nicht mehr zu überbieten." Bei einem dauerhaften Verbleib in der Bayernliga müsste sich der Nachwuchs der Sechziger mit möglicherweise weniger arroganten, aber eben auch weniger begabten Talenten begnügen. Auch die U23 schwächelt, sie muss in der Bayernliga Süd um den Klassenverbleib bangen.

Noch in diesem Jahr wird über Ismaiks Beschwerde entschieden

Wenn Sechzig sportlich eine Krise hat, dann wohl nicht bei seiner ersten Mannschaft. Das allergrößte Krisenpotenzial herrscht allerdings nach wie vor im Verhältnis der beiden Gesellschafter, des e.V. und des jordanischen Investors Hasan Ismaik. Das hat auch Bierofka erkannt. "Im Hintergrund müssen gewisse Dinge geregelt werden, um Strukturen schaffen zu können. Damit meine ich die Gesellschafter", sagte der Trainer am Montag. "Man muss mal ganz klar sagen: Wie soll es hier weitergehen, was hat man für Perspektiven? Wie soll es in zwei oder fünf Jahren aussehen?" Er wünsche sich "endlich eine Richtung, an der wir uns orientieren können", erklärte Bierofka. "Die Gesellschafter müssen versuchen, vernünftig einen gemeinsamen Weg zu finden oder eine andere Lösung. Wenn das nicht funktioniert, weiß ich auch nicht, wie es weitergeht."

Zuletzt wurde mal wieder debattiert, welche Seite daran Schuld habe, dass kaum eine Kommunikation zwischen Präsidium und Ismaik stattfinde. Am Montag erfuhr man dann etwas von Ismaik - via Kicker: Das Bundeskartellamt will noch in diesem Jahr entscheiden, ob es ein Verfahren wegen der Beschwerde Ismaiks gegen die 50+1-Regel eröffnet. Eines ist sicher: Sollte es tatsächlich dazu kommen, würde die Fußballwelt wieder auf den TSV 1860 München blicken.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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