Fußball-Regionalliga:Kuriose Trennung

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Christian Brand brachte Regensburg an die Spitze der Regionalliga, doch "sportlich wie atmosphärisch" habe es zuletzt "negative Entwicklungen" gegeben. (Foto: Zink/Imago)

Trainer Christian Brand muss Spitzenreiter Regensburg nach einer Niederlagenserie verlassen - wenn die letzten zwei Partien 2015 gespielt sind.

Von Christoph Leischwitz

Es herrscht zurzeit ziemlich dicke Luft beim SSV Jahn Regensburg, anders kann die Mitteilung, die der Regionalliga-Spitzenreiter am Mittwoch verschickte, gar nicht gemeint gewesen sein. Darin sprach Geschäftsführer Christian Keller von "jüngsten negativen Entwicklungen", und zwar "sportlich wie atmosphärisch". Die Trennung sei eine Reaktion auf die jüngste Ergebniskrise. Am Telefon sagt Keller dann noch, er habe wochenlang nach einem Weg gesucht, die Wogen im Verein zu glätten. Am Ende kam es jedoch zu der Standardlösung, zu der fast alle Fußballvereine greifen, wenn es sportlich nicht mehr so läuft: Trainer Christian Brand muss gehen. Allerdings mit einer etwas kuriosen Verzögerung: Die zwei Spiele bis zur Winterpause betreut der 43-Jährige noch die Mannschaft, erst dann, teilt der Verein mit, soll ein neuer Trainer übernehmen.

Einige Spieler habe die Entscheidung "aus dem Lot" gebracht, erzählt Keller

Noch immer führt der Jahn die Tabelle der Regionalliga Bayern an. Doch seit Anfang Oktober gab es in sieben Spielen nur noch einen einzigen Sieg, zuletzt sogar drei Niederlagen in Serie. Insofern hat es schon überraschendere Trainerabschiede gegeben, zumal in Regensburg die Erwartungen hoch sind: Das neue, 53 Millionen Euro teure Stadion schreit förmlich nach Profifußball, und es lockte stets auch Drittliga-reife Zuschauerzahlen an. Nachdem der Jahn aus den ersten zehn Spielen 28 Punkte holte, schien der direkte Wiederaufstieg auch - abgesehen vom Relegationszwang für den Liga-Meister - realistisch. Doch die Begleitumstände jetzt lassen darauf schließen, dass es mit einer Trennung vom Trainer allein nicht getan ist. Das vorläufige Szenario erscheint kurios: Brand wird - als Gefeuerter in spe und ausgeleuchtet von den Kameras des diesmal live übertragenden Senders Sport1 - am kommenden Sonntag (17 Uhr) am Spielfeldrand stehen, wenn Regensburg zum Spitzenspiel die SpVgg Unterhaching empfängt, die bei einem Spiel weniger nur fünf Punkte hinter dem Jahn liegt. Brand wird auch nach der Partie in der Pressekonferenz sitzen und die Leistung der Mannschaft kommentieren, die schon gar nicht mehr seine Mannschaft ist. Am Mittwoch hieß es von ihm in der Pressemitteilung: "Es geht jetzt nicht um Personen, sondern einzig darum, im Sinne einer langfristig erfolgreichen Clubentwicklung zu agieren. Mein Fokus gilt daher nur noch den beiden Spielen gegen Unterhaching und Schweinfurt." Weiter äußern wollte sich Brand auf Anfrage nicht.

Keller sagt, Brand habe die Entscheidung nachvollziehen können. Der Geschäftsführer ist außerdem davon überzeugt, dass der Noch-Trainer nach wie vor große Lust mitbringt, die Mannschaft zu trainieren. Die Verantwortlichen jedenfalls "schätzen die kurzfristige Erfolgswahrscheinlichkeit für die letzten beiden schweren Spiele mit Christian Brand höher ein als mit einem Interimscoach. Folgerichtig haben wir uns gegen eine sofortige Trennung entschieden", erklärt Keller, der bestätigt, dass die Mannschaft "ausnahmslos hinter Christian Brand steht". Einige Spieler habe die Entscheidung "aus dem Lot" gebracht, erzählt Keller, der die Entscheidung am Mittwochmorgen in der Kabine kundtat und dabei nach eigenem Bekunden in leere Gesichter blickte. Warum also musste der Trainer gehen?

Keller will nicht, "dass das gesamte Schiff ins Wanken gerät". Also musste der Trainer gehen

Geschäftsführer Keller lässt durchblicken, dass ihm die Entscheidung zur Trennung von Brand überaus schwer gefallen ist. Er habe sie getroffen, weil der Trainer "von Teilen des Vereins massiv hinterfragt" wurde und er seine Aufgabe darin sehe, "dass das gesamte Schiff nicht ins Wanken gerät. Und die Gefahr habe ich gesehen". Sportfachlich scheint Keller die Entscheidung nicht mitzutragen, auch wenn etwa von Seiten der Fans vor anderthalb Wochen beim 0:4 bei Viktoria Aschaffenburg "Brand raus"-Rufe zu hören waren. "Der Trainer hat sehr viel richtig gemacht."

Was den sportlichen Misserfolg der vergangenen Wochen angeht, nimmt Keller sich selbst auch in die Pflicht: "Wir haben einen kleinen Kader, der aber für diese Liga sehr gut ist. Wir wussten, wenn es viele Ausfälle gibt, wird es kritisch." Zurzeit sind sechs potenzielle Stammspieler verletzt, dazu ist Kapitän Markus Palionis für das Spiel am Sonntag gesperrt.

Sollte es nun für Regensburg in einer oder gar in beiden der letzten Partien des Jahres eine Niederlage setzen, müssen Keller und der SSV-Vorstand sich fragen lassen, wie sie den Verein in Zukunft stabilisieren wollen. Sollte Brand die Spiele gewinnen, steht die Frage erst recht im Raum.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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