Fußball-Regionalliga:Erstes Tor nach neun Minuten

Lesezeit: 3 min

Der Japaner Watanabe, 18, wirbelt den Alltag beim FC Ingolstadt II durcheinander.

Von Christian Bernhard

Stefan Leitl war in der Schlussphase des vergangenen Regionalliga-Spiels zwischen seinem FC Ingolstadt II und dem TSV Rain/Lech relativ entspannt. Zum einen führte seine Mannschaft 3:2, zum anderen war er sich ziemlich sicher, was passieren würde, als Ryoma Watanabe in der 85. Minute alleine auf den Rainer Torhüter zulief. Er habe in dieser Situation "keine Bedenken gehabt, dass er ihn rein macht", erzählt der Ingolstädter Coach, denn im Training schließe Watanabe solche Situationen fast immer erfolgreich ab. Leitls Gefühl täuschte ihn nicht, Watanabe tunnelte den Torhüter und traf zum 4:2-Endstand. Für sein Tordebüt reichten ihm bei seinem ersten Einsatz im Ingolstädter Trikot gerade einmal neun Minuten.

Watanabe ist 18 Jahre alt, kommt aus Japan und ist erst seit zwei Wochen beim FC Ingolstadt. Das reicht aus, um den Alltag der zweiten Mannschaft des FCI gehörig durcheinander zu wirbeln: Derzeit wird bei den Schanzern viel mit Händen und Füßen kommuniziert, außerdem haben alle Spieler und Trainer eine Japanisch-App auf dem Handy installiert. "Falls mal Not am Mann ist", erklärt Leitl - und obwohl bei dem Übersetzungsprogramm "manchmal die irrsinnigsten Nachrichten" rauskommen, wie Ronnie Becht, Leiter des Ingolstädter Nachwuchsleistungszentrums, berichtet.

Obwohl der Japaner noch kein Wort Deutsch und nur sehr gebrochen Englisch spricht, ist Leitl mit der Kommunikation sehr zufrieden. "Er versteht auf dem Platz unheimlich schnell, was man von ihm will", betont er. Wenn Leitl über den Fußballer Watanabe spricht, gerät er sowieso ins Schwärmen. "Ryoma ist sehr gut ausgebildet und technisch sehr stark", findet der frühere Profi, dazu sei er "unheimlich trickreich" und mit einem guten Auge ausgestattet: "Was technische und taktische Bereiche angeht, ist er für sein Alter schon sehr weit."

Watanabe lebt momentan noch bei einem FCI-Scout, ihm zur Seite steht eine Deutsch-Lehrerin, die ihm hilft, den völlig neuen Alltag zu meistern. "Ziel ist es, dass er so schnell wie möglich selbstständig ist", sagt Leitl. Im Training steht Watanabe ohne Übersetzer auf dem Platz, Leitl findet das "gut, weil er dann versuchen muss, Deutsch zu sprechen". An seinen Deutschkenntnissen wird vorrangig in einer Sprachschule gearbeitet.

Watanabe hatte im April bei einem internationalen U19-Turnier in Düsseldorf auf sich aufmerksam gemacht. Er nahm dort mit einer japanischen Universitäts-Auswahl teil und wurde zum besten Mittelfeld-Spieler des Turniers gekürt. Schon damals hatte er erklärt, irgendwann nicht nur Gast in Deutschland sein zu wollen. Seine Hoffnung war, "eines Tages tatsächlich hier spielen zu können". Dieser Wunsch ging sehr schnell in Erfüllung. Gleich mehrere deutsche Vereine informierten sich über ihn, er absolvierte Probetrainings beim Ingolstädter Bundesliga-Konkurrenten Werder Bremen sowie den Zweitligisten Freiburg und Düsseldorf. Dann spielte er in Ingolstadt vor - und entschied sich schließlich auch für die Oberbayern.

Warum Ingolstadt? "Der FC Ingolstadt hat eine sehr gute Vernetzung zwischen dem U23-Team und den Profis", erklärt Watanabes Berater Marcus Noack. Der Klub habe "klare Ideen und Vorstellungen", was die Zukunft des japanischen Talents betrifft. Er soll die U23 als Sprungbrett für die Profis zu nutzen. "Wenn man einen Spieler mit so einem Potenzial verpflichtet, dann hofft man natürlich auch, dass er irgendwann eine Option für die erste Mannschaft ist", betont Leitl. Die sportlichen Voraussetzungen dafür seien "absolut gegeben", man tätige "eine Verpflichtung mit einer solchen Tragweite" nicht, "wenn man sportlich nicht überzeugt wäre". Auch Ingolstadts Profi-Trainer Ralph Hasenhüttl hatte selbstredend seinen Anteil daran, dass Watanabe bei den Schanzern gelandet ist. Dass beim FCI "ein Trainer am Werk ist, der auf junge Spieler setzt und der ganze Klub diese Philosophie trägt", habe "natürlich" eine Rolle gespielt, sagt Noack.

Nun gilt es für Watanabe, sich an Deutschland und den deutschen Fußball, der schneller und körperbetonter als an Japans Universitäten ist, zu gewöhnen. Leitl erwartet "erst einmal nichts" vom 18-Jährigen, er empfindet es als "großes Projekt, den Jungen auch sozial zu integrieren". Becht glaubt, dass es "drei, vier Monate" dauern wird, bis er Fuß fasst. Bis dahin hat der Japaner auch genügend Zeit, den Ingolstädtern die Sache mit seinem Lieblingsverein zu erklären. Das ist, wie er in Düsseldorf erklärt hatte, der FC Bayern München.

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: