Fußball-Regionalliga:Die große Schere

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Mit einem Ligapokal sollen die bayerischen Viertligisten im September wieder starten. Viele Vereine sind allerdings skeptisch, ob das klappt.

Von Christoph Leischwitz

Eigentlich hätte am vergangenen Wochenende die Saison 2020/21 begonnen, stattdessen steigen in diesen Tagen die 17 bayerischen Fußball-Regionalligisten wieder ins Training ein, um ab September die Saison 2019/20 zu Ende zu spielen. Doch wer wann wie oft gegen wen mit welchem Kader spielt, das dürfte noch eine Weile ungeklärt bleiben. Der Hauptgrund ist natürlich das nie enden wollende Corona-Infektionsrisiko, zumal sich Amateure nicht so gut abschotten können wie die Profis.

Ludwig Trifellner vom VfR Garching zum Beispiel ist sehr skeptisch, dass alles reibungslos ablaufen wird. Viele Regionalliga-Spieler, sagt der Sportdirektor des Tabellenletzten, fahren jetzt in den Urlaub. Und wenn sie zurückkommen, dann seien einige von ihnen womöglich infiziert: "Wenn dann zwei Mannschaften gegeneinander spielen und einer hat sich angesteckt, dann müssen alle für zwei Wochen in Quarantäne." Mal sehen, sagt Trifellner, wie lange das gutgehe; in vielen Klubs sieht man das ähnlich.

Garching bereitet sich auf einen Rechtsstreit mit dem Verband vor

Derzeit bereiten sie sich in Garching parallel auf die Saison und auf einen Rechtsstreit mit dem Verband vor. Denn der bereits feststehende Aufsteiger Türkgücü München soll aus der Wertung genommen werden, mit allen bisher gespielten Partien. Das wäre schlecht für Garching, denn der VfR hatte am zweiten Spieltag überraschend 2:0 gewonnen. Sobald der formale Akt vollzogen sei, so kündigt es Trifellner an, werde man Protest einlegen. "Das sind wir unseren Spielern, dem Verein und unseren Sponsoren schuldig", sagt der 61-Jährige, "wir werden das nicht kampflos hergeben." Für den Fall einer Insolvenz sei es ja so, dass mit einer Mannschaft wie jetzt mit Türkgücü verfahren werde - aber bei einem frühzeitigen Aufsteiger?

Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte man von den Garchingern eher den freiwilligen Abstieg als den Kampf um den Ligaverbleib erwartet. Ende Juni hatten sich zahlreiche Spieler verabschiedet, weil der Verein über den 30. Juni hinaus niemanden bezahlen kann. Aber erstens hat sich ein gar nicht so kleiner, erfahrener Spielerstamm bereit erklärt zu bleiben, darunter die Gebrüder Niebauer. Aufgefüllt wird der Kader nun mit jungen Spielern. Der Relegationsplatz ist für den Letzten nicht weit weg, im Moment, also mit Türkgücü an der Tabellenspitze, sind es drei Punkte Rückstand auf dem FC Memmingen, gegen den man noch zweimal spielt. Zweitens erging es ja vielen anderen Mannschaften ähnlich wie den Garchingern, zahlreiche Kader sind ausgedünnt. "Es wird jetzt eine große Schere aufgehen", prophezeit Trifellner, denn die Tabellen-Oberen rüsteten gerade auf, weil sie um die Aufstieg kämpften.

Vereine in Grenzgebieten laufen Gefahr, Spieler zu verlieren

Aber selbst Spitzenteams können wenig ausrichten, wenn sich Leistungsträger anderweitig umsehen in der langen Sommerpause. So hat Viktoria Aschaffenburg Björn Schnitzer abtreten müssen, an den Oberligisten SC Hessen Dreieich. In Hessen geht die Saison von vorne los, Dreieich will aufsteigen - eine attraktivere Perspektive. Auf Aschaffenburgs Sport-Vorstand Benni Hotz kommt nun die Herkulesaufgabe zu, nach fast vollendeter Kaderplanung eine riesige Lücke zu schließen. Schnitzer hatte in sechs Spielzeiten 120 Tore für die Viktoria geschossen und war nicht nur im Aufstiegsjahr 2018 mit 33 Toren unersetzbar. "Eine vorzeitige Vertragsverlängerung war eingeplant. Wir werden alles versuchen, es wird aber sicher sehr schwer, seinen Weggang zu kompensieren", sagt Sportvorstand Benni Hotz. Zurzeit laufen vor allem Vereine in Grenzgebieten oder in Nähe zu anderen Bundesländern Gefahr, Spieler zu verlieren, wenn Sponsoreneinnahmen ungewiss sind. Und im Moment ist ja noch nicht einmal sicher, ob die Restsaison, geplant ab Ende September, mit oder ohne Zuschauer stattfinden kann.

Das gilt auch für den neu geschaffenen Ligapokal, der schon am 5. September starten soll. Im Prinzip wird er aber von allen befürwortet. "Wir waren von Beginn an dafür", sagt Garchings Trifellner - denn so sammelten die Teams nach einem halben Jahr Pause Spielpraxis. Zusätzlich biete der Wettbewerb noch eine Chance auf eine Teilnahme im DFB-Pokal im kommenden Jahr. Weil es schwierig ist, für 17 Teams einen Modus zu finden, hat der bayerische Verband für die Vorrunde zwei Vierer- und drei Dreiergruppen zusammengestellt, die sich quasi regional bedingen. So spielt etwa Garching gegen den FC Augsburg II und den SV Heimstetten.

Sollten die Pandemie und die staatlichen Vorgaben einen kompletten Spielplan erlauben, so spielen alle Gruppen eine Hin- und Rückrunde, danach gäbe es eine Finalrunde in zwei Vierergruppen sowie eine Trostrunde für die fünf schlechtesten. Das Finale ist für den 13. April 2021 angesetzt. Aber auch der BFV weist derzeit darauf hin, dass nichts in Stein gemeißelt sein kann.

© SZ vom 20.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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