Fußball-Regionalliga:Bürgermeister gegen Trainer

Lesezeit: 2 min

Nach den Ausschreitungen im Spiel bei Jahn Regensburg streitet der SV Wacker Burghausen um den Umgang mit den eigenen Fans. Der Klub will sich nun quasi selbst bestrafen - und die Westtribüne sperren.

Von Thomas Gröbner

Für einen Moment lösten sich die Grenzen auf, vielleicht waren sie auch nie da gewesen. Als Christoph Burkhard, der Kapitän von Wacker Burghausen, im Regionalligaspiel beim SSV Jahn Regensburg zum Ausgleich trifft, da reißt sich Trainer Uwe Wolf das T-Shirt vom Leib und jubelt. So wie eben Stürmer jubeln oder besonders leidenschaftliche Fans. In dem Moment schien Wolf alles zu sein: Trainer, Spieler, Fan. Er nennt das "authentisch".

Dann passiert etwas, was Burghausens Bürgermeister Hans Steindl später zum Telefonhörer greifen lässt. Rauchbomben und Fackeln fliegen auf den Rasen, und zwar aus dem Block der 350 Burghauser Fans unter den 6600 Zuschauern im Regensburger Stadion. Als die Wacker-Spieler in die Kurve eilen, fliegen ihnen Brandsätze entgegen, Burghausens Sportlicher Leiter und ehemaliger Trainer Mario Demmelbauer duckt sich gerade noch weg, er wird fast getroffen. Später sagt Wolf über die Wurfgeschosse: "Das passiert auch mal, sie waren ein Stück weit drüber."

Sieben Minuten dauert es, bis die Anhänger beruhigt werden können, dann geht das Spiel weiter. Und Jahn Regensburg verkraftet die Unterbrechung besser: Drei Minuten nach Wiederanpfiff taucht Markus Ziereis vor dem Tor auf und drückt den Ball über die Linie. 3:2 für Regensburg, es ist der Siegtreffer, das zweite Tor von Ziereis an diesem Tag. Wolf sagt, er habe den gegnerischen Stürmer nach dem Spiel "zusammengeschissen", weil er im Sommer nicht an die Salzach gewechselt war. Burghausen konnte ihn sich nicht leisten, Regensburg schon. Dann lobte der Trainer ausführlich die Unterstützung der Fans.

Und das, obwohl sie fast einen Spielabbruch provoziert hatten und dem Verein eine hohe Geldstrafe durch den Verband einbringen. Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen, und Steindl hat angekündigt, dass der Verein sich im nächsten Heimspiel quasi selbst bestraft: Die Westtribüne, auf der sich der Fanblock befindet, soll geschlossen bleiben.

Nur eine Stunde nach Spielende macht Bürgermeister Hans Steindl sich am Telefon Luft und klagt bei der Passauer Neuen Presse über Trainer Wolf: "Wir haben ihm unter der Woche gesagt, er soll vorsichtig sein bei der Solidarisierung mit den Fans. Das ist heute ein Bruch zwischen dem Trainer und den Klubverantwortlichen." In einer anderen Stadt würde sich nach einem Fußballspiel wohl nicht der Bürgermeister einschalten. Aber in Burghausen ist das Netz aus Fußball, Politik und Wirtschaft besonders eng, und es läuft bei Steindl zusammen. Seit 25 Jahren sitzt der 66-Jährige im Rathaus, bei der letzten Wahl fand sich nicht einmal ein Kandidat, der gegen ihn antreten wollte. Er war Präsident des Vereins, unter ihm hat die Stadt das Stadion gekauft, als der Verein knapp bei Kasse war. Und es war Steindl, der Uwe Wolf anrief und zurück an die Salzach holte. Nun herrscht zwischen dem Mann auf der Trainerbank und dem Mann im Rathaus Stille.

"Es ist kein Geheimnis, dass der eine oder andere Freund von mir in der Kurve steht", sagt Wolf, aber eben auch "leider ein paar Unbelehrbare". Er schwärmt von der Derby-Atmosphäre in Regensburg, "ich hab' jetzt noch Gänsehaut". Auch deshalb müsse der Verein mittelfristig wieder in die dritte Liga, damit man in Burghausen dieses Feeling jede Woche erleben könne. Von Steindl selbst habe er nichts gehört. Der warnt derweil, man müsse aufpassen, sich nicht "mit den falschen Herrschaften zu solidarisieren", und spricht von "Kriegszustand" auf der Tribüne. "Wir lassen uns nicht kaputt machen, was wir in 20, 25 Jahren aufgebaut haben." Er erwarte nun "Entschuldigungen, das ist das Mindeste".

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: