Fußball-Krisengipfel:Allianz des guten Willens

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Bundestrainer Jürgen Klinsmann und die Liga-Manager haben Frieden geschlossen. Ob man inhaltlich wirklich weitergekommen ist? Eher nein.

Philipp Selldorf

Uli Hoeneß strebte als Erster ins Freie, und die Wirkung seiner Erscheinung war gewohnt gewaltig. Wie ein Magnet zog er die wartenden Reporter und Kameraleute auf sich, erst zwei, dann drei, dann vier, und schließlich eine halbe Hundertschaft, die hinter ihm herlief wie einst die Kinder dem Flötenspieler in Hameln.

Doch vergeblich die Mühe: Hoeneß verweigerte die Stellungnahme, bevor er in das Auto des DFB-Fahrdienstes stieg. Der lauteste Kritiker des Bundestrainers verließ den Ort der Aussprache schweigend.

Drinnen im Sitzungssaal der Deutschen Fußball Liga (DFL) saßen sie derweil immer noch beisammen und diskutierten: auf der einen Seite die Manager der Bundesliga, auf der anderen Seite der Trainerstab des DFB unter Führung von Jürgen Klinsmann - und irgendwo dazwischen die Funktionäre des DFB und der DFL, mittlerweile allesamt wieder "durchschnittlich friedlich" gestimmt, wie ein Tagungszeuge berichtete.

"Die Luft ist wieder rein"

Die anfangs offenkundig ziemlich aufgewühlte Runde hatte sich beruhigt, weshalb sich hinterher DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder in seiner Eigenschaft als Hüter der Nationalmannschaft "etwas befreit" wähnte. Man sah es ihm sogar an. "Die Luft ist wieder rein", sagte Mayer-Vorfelder vergnügt.

Dabei hatte der von DFL-Präsident Werner Hackmann und DFB-Teammanager Oliver Bierhoff arrangierte Sitzungstermin bei den wenigsten Eingeladenen für ausgeprägte Vorfreude gesorgt. Klaus Allofs und Dieter Hoeneß, um nur zwei der Kommentatoren aus der ganzen Liga zu nennen, hatten zwar in den vergangenen Wochen durch Kritik am Treiben des Bundestrainers und der Arbeitsweise bei der Nationalmannschaft eine bewegte Debatte hervorgerufen und offengelegt, dass die Beziehung zwischen den Klubs und dem Trainerstab der Nationalelf dringend reparaturbedürftig ist.

Doch von dem daraufhin einberufenen Gipfeltreffen nach Art der politischen Friedenskonferenz mit insgesamt 17 Teilnehmern versprachen sich die wenigsten Diskutanten ein fruchtbares Resultat.

"Als Freunde verabschiedet"

Dennoch waren bis auf Hannovers Ilja Kaenzig ("fehlte entschuldigt", wie es staatstragend hieß) und Schalkes Rudi Assauer alle Angesprochenen erschienen. Dass Assauer fehlte, war schade, denn er hatte sich als Fundamental-Kritiker des Bundestrainers hervorgetan, folgte aber keiner bösen Absicht. "Er hatte einen wichtigen Termin - einen wirklich wichtigen Termin", versicherte Assauers Stellvertreter, der Schalker Teammanager Andreas Müller.

Verweigerung wäre an diesem Tag auch vor den Kollegen unverzeihlich gewesen. Denn so wie die Liga-Manager zuletzt eine geschlossene Protestfront gebildet hatten, weil sie auf ihre Fragen an Jürgen Klinsmann keine Antwort bekamen, so haben sie sich nun darauf geeinigt, eine Allianz des guten Willens zu bilden. "Es war eine Diskussion zur rechten Zeit und zum Wohl der Nationalmannschaft. Beide Seiten haben sich extrem aufeinander zubewegt. Wir haben uns als Freunde verabschiedet", referierte Karl-Heinz Rummenigge über das zweieinhalbstündige Treffen.

Begonnen hatte das Meeting standesgemäß mit einer von Klinsmann kommentierten Power-Point-Präsentation, was einige Beobachter besonders überzeugend fanden, dem Münchner Opponenten Uli Hoeneß aber vermutlich eher als Provokation erschien. Hoeneß ist kein großer Freund der modernen Management- und Kommunikationsmittel, Verkehr via E-Mail lehnt er aus ideologischen Gründen ab, was auch zu der Verstimmung mit Klinsmann beigetragen hatte, und als er nach vollendeter Einführung das Wort ergriff, hat er wohl auf sehr direkt Art gesagt, was ihn zuletzt am Kurs der Nationalmannschaft gestört hat.

Wohnsitz bleibt Kalifornien

Dieser Start ins Gespräch wurde wahlweise als "wirklich sehr lebhaft" (Klinsmann) oder "sehr aufregend" (Rummenigge) bezeichnet, Mayer-Vorfelder meinte bloß achselzuckend: "Uli ist eben Uli." Es dürfte also gescheppert haben. Hoeneß kritisierte die systematische Rotation der Torhüter Kahn und Lehmann, die mangelnde Struktur der Nationalelf, die gestörte Kommunikation zwischen Liga und DFB-Teamleitung, die regelmäßige, wochenlange Abwesenheit Klinsmanns. Dabei sprach er im Namen der Bundesliga.

Dass er schließlich zum Sprecher des wiederbelebten "Arbeitskreises Nationalmannschaft" mit fünf Ligamanagern sowie DFL-Chef Hackmann bestimmt wurde, wird er jedoch als zweifelhaftes Glück empfinden - solche Lasten pflegte eigentlich bisher Rummenigge zu übernehmen. Doch nun muss Hoeneß das Opfer bringen, nachdem er sich so exponiert hat.

Ob man inhaltlich wirklich weitergekommen ist? Eher nein. Die Debatte über die Fitness der Nationalspieler und deren Behandlung im DFB-Team wurde weitgehend ausgeklammert; an der Rotation der Schlussleute will Klinsmann auch beim nächsten Länderspiel (am 12.November in Frankreich) festhalten; und seinen ersten Wohnsitz wird er weiterhin nicht aus Kalifornien nach Deutschland verlegen ("meine Präsenz wird sich danach ergeben, was ansteht und wichtig ist").

Karl-Heinz Rummenigge gab ihm dann die "Anregung der Liga, sich das noch mal zu überlegen", mit auf den Weg, woraufhin Klinsmann einräumte, Fehler gemacht zu haben, und das war der Moment, in dem Mayer-Vorfelder auf Maria und die Weihnachtsbotschaft verwies: "Und sie bewegte es in ihrem Herzen."

© SZ vom 26.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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