Fußball:Die gefühlte Entlassung

Lesezeit: 3 min

Südafrikas Trainer Stuart Baxter weiß, dass er gehen muss - nur noch nicht wann. Selten hat sich ein amtierender Trainer so entlassen gefühlt.

Christof Kneer

Der Nationaltrainer kommt. Er klettert aus dem Hotelaufzug und sieht aus wie Stuart Baxter, der englische Coach der südafrikanischen Nationalelf. Aber kann man sicher sein, dass er das ist? Sind Nationaltrainer nicht ständig von Freund und Feind umstellt, von Assistenztrainern, Verbandsfunktionären oder mindestens von Journalisten? Mister Baxter ist von niemandem umstellt, er sieht sich suchend um, und dann geht er in jenen Raum, in dem so etwas Ähnliches wie eine Pressekonferenz steigen soll. So etwas Ähnliches steigt dann auch, mit der kleinen Einschränkung, dass es sich weder um eine Konferenz handelt noch dass Presse da ist.

Mit der 1:3-Niederlage in Burkina Faso hat Stuart Baxters Elf die WM-Qualifikation verpasst (Foto: Foto: Reuters)

Zwölf Trainer in elf Jahren

Man kann nicht sagen, dass sie Stuart Baxter, 52, einen besonderen Bahnhof bereitet hätten zum Abschied, aber das hat er auch nicht erwartet. Er ist Trainer von Südafrika, und da beginnt der Abschied in jenem Moment, in dem man ankommt. In den letzten elf Jahren hat dieser Verband zwölf Trainer verbraucht, und mit seinen anderthalb Jahren Dienstzeit, sagt Baxter, sei er "fast ein Rekordmann".

Wohlgemerkt, Stuart Baxter ist noch nicht entlassen, er ist nach wie vor der Coach jener Elf, die sich an diesem Mittwoch mit Deutschland misst. Aber es hat wohl selten einen amtierenden Trainer gegeben, der sich so entlassen gefühlt hat. "Ich weiß, dass sie mich früher oder später rausschmeißen werden", sagt er, "das kann gleich sein oder nach Abschluss der WM-Qualifikation oder nach dem Afrika-Cup Anfang 2006."

Unnormal ist es nicht, dass Trainer nach missglückter Turnier-Qualifikation die Aushändigung ihrer Papiere befürchten müssen, aber die Geschichte von Stuart Baxter und Südafrika ist mehr als eine normale Trainermisserfolgsgeschichte. Natürlich weiß Baxter, dass er keine Argumente mehr hat, jetzt, da seine Elf mit der 1:3-Niederlage in Burkina Faso die Qualifikation fürs Championat in Deutschland verspielt hat. Er weiß, wie wichtig diese Qualifikation gewesen wäre für dieses Land, das 2010 selbst das Weltturnier ausrichtet. Aber er weiß auch, dass sie nicht wirklich um ihn trauern werden in diesem Verband. "Als wir mit zwei Punkten Vorsprung Erster waren, wollten sie mich auch schon rausschmeißen", sagt er, "und jetzt werden sie es irgendwann tun."

Trainer und Nachwuchsförderer in einem

Natürlich werden Kritiker später sagen können, dass Baxter sich schwer verrenkt hat bei jenem Spagat, den er mutig turnen wollte. Er wollte eine Mannschaft bauen, die Perspektive für 2010 hat und trotzdem schon die Qualifikation für 2006 schafft. "Die WM 2010 ist die große Chance für dieses Land", sagt Baxter, "ich würde keine seriöse Arbeit leisten, wenn ich nicht versuchen würde, ein Team zu formen, das dieses Land 2010 würdig vertritt."

Also hat er in seinen ersten Dienstmonaten gleich eine halbe Elf debütieren lassen, und er hat ein paar verheißungsvolle junge Burschen aufgespürt, den Angreifer Katlego Mphela, 20, etwa oder Mittelfeldspieler Elrio van Heerden, 22, vom FC Kopenhagen. "Ich habe zwei Jobs auf einmal gemacht", sagt Baxter, "im Verband gibt es keine Nachwuchsförderung und deshalb habe ich wie ein Technischer Direktor ständig Pläne geschrieben." Die Pläne allerdings seien "in irgendwelchen Schubladen verschwunden".

Man muss wohl Südafrikas Geschichte kennen, um die Irrungen und Wirrungen zu verstehen. Erst seit 1992 ist das Jahrzehnte lang wegen seiner Apartheid-Politik isolierte Land wieder Mitglied im Weltverband Fifa, es fehlt an gewachsenen Strukturen, und niemand, der nicht zufällig südafrikanischer Funktionär ist, versteht die geheimen Regeln des Fußballverbandes SAFA. "Ich glaube, dass sie meine Pläne deshalb nicht wollten, weil sie von mir kamen", sagt Baxter.

Es ist wohl diese Mischung aus dunkler Verbandsmacht, überzogenen Erwartungen und starken Patriotismusgefühlen, die den Trainerjob am Kap zur größten Herausforderung der Branche gemacht hat. "Es kann sein, dass sie dir vorhalten, zu viele weiße Spieler zu berufen, und dann sind es plötzlich zu viele schwarze. Oder es sind entweder zu viele aus Europa oder zu wenige", sagt Baxter.

Bewerbungsspiel um eine neue Stelle

Es geht auch um die alte Streitfrage des afrikanischen Fußballs: Sind die europäischen Klubs schuld, weil sie ihre teuren Profis ungern den Strapazen eines Langzeitfluges bis an den Südzipfel des afrikanischen Kontinentes aussetzen? Oder sind die Fußballverbände haftbar zu machen, die sich stur stellen und ihre Legionäre in jedem Länderspiel dabei haben wollen?

Und wie mischen die patriotisch gestimmten Medien mit, die in Südafrika gelegentlich ein bisschen zu direkt mit dem Fußballverband vernetzt sind? Und warum verweigern die Trainer der südafrikanischen Profiliga dem Ausländer Baxter ihre Unterstützung? Ein Nationaltrainer gerät zwangsläufig zwischen die Fronten, und wenn er dann noch verliert, kann er schon mal den Markt sondieren.

Und dieses Spiel jetzt gegen Deutschland? "Nach dem 1:3 in Burkina Faso ist das für uns alle eine Chance zur Wiedergutmachung", sagt Baxter. Er weiß, es könnte für ihn ein Bewerbungsspiel um eine neue Stelle werden.

(SZ vom 7.9.2005)

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: