Friedhelm Funkel:Gezeichnet vom frischen Wind

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Der 66-Jährige aus Neuss, der nun ein Ex-Trainer ist, hat oft einen zehrenden Job machen müssen - dennoch ist er nicht zum Exzentriker geworden.

Von Philipp Selldorf, Düsseldorf

Als Friedhelm Funkel ans Telefon geht, sind zwei Tage vergangen, seitdem er von Fortuna Düsseldorf die Kündigung erhalten hat. Üblicherweise reagieren Bundesliga-Trainer in seiner Situation dann folgendermaßen: Entweder legen sie gleich wieder auf, wenn sie hören, dass ein Reporter dran ist, oder sie klagen über die schnelllebigen Zeiten im gnadenlosen Profigeschäft oder sie holen tief Luft, um auf den Vorstand, den Sportdirektor und die Spieler zu schimpfen, die für die unverdiente Kündigung gesorgt hätten. Es kann aber auch passieren, dass sie mit Rücksicht auf die laufenden Vertragszahlungen und die entsprechende Stillhalteklausel nicht zitiert werden und lediglich heimlich schimpfen wollen.

Friedhelm Funkel, 66, legt nicht auf, er will stattdessen wissen, wie es steht - beim Halbfinale des Tennisturniers in Australien. Und als er dann anfängt zu erzählen, wie es ihm gerade geht, gibt es kein Klagen und kein Schimpfen darüber, dass ihn die Fortuna nicht nur auf profane Weise entlassen, sondern sogar in Pension geschickt hat. Der Trainer sieht sich ja nun genötigt, sein eigenes Gelübde einzuhalten: Nach diesem Trainerjob werde es keine weitere Trainertätigkeit mehr geben, hatte er im vorigen Frühjahr und im Sommer immer wieder öffentlich bekundet - in Zeiten, als er glaubte, er habe mit der Fortuna noch eine schöne Weile vor sich. Nun kam sein Ende, wie er findet, "ein Stück weit überraschend und abrupt", und es hat ihn sicher nicht in den Ruhestand gedrängt. Dafür mussten, nicht ohne Zuhilfenahme von hinterhältigen Manövern, die Fortuna-Funktionäre schon selbst sorgen.

Sechsmal ist Friedhelm Funkel mit seinen Teams in die Bundesliga aufgestiegen, der erste Aufstieg gelang ihm 1992 mit Uerdingen .... (Foto: imago/Rust)

Der Betroffene hätte ausreichend Grund, sich über die Geschehnisse im Verein zu beklagen. Dass ein führender Vereinsvertreter der Nachrichtenagentur dpa vertraulich und anonym von einem Ultimatum an den Trainer für die nächsten beiden Bundesligaspiele erzählte, damit war der Anfang vom Ende der Ära Funkel gemacht. Ein förmliches Ultimatum existierte zwar nicht, aber das Gift des Gerüchts davon genügte, und man brauchte nicht mal mehr die besagten zwei Spiele abzuwarten, die 0:3-Niederlage in Leverkusen reichte. Man sei nun Tabellenletzter und es fehle "der Glaube an den Turnaround" mit Funkel, sagte Sportchef Lutz Pfannenstiel. "Das war für mich enttäuschend", sagt Funkel, über die Urheber der Enttäuschung spricht er jedoch nicht. Das Verhältnis mit Pfannenstiel und dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Röttgermann, "das ruht jetzt erstmal, die beiden haben jetzt Anderes zu tun", fährt der Trainer - vielmehr: Ex-Trainer - fort, und das klingt, als sei es ihm letztlich egal, wer da gegen ihn intrigiert hat: "Ich kann relativ schnell mit solchen Dingen abschließen." Unschöne Entlassungen hat er auf seinen Stationen unter anderem in Köln, Frankfurt, Berlin, Bochum und Aachen genügend erlebt. In Frankfurt, so erzählte mal der ehemalige Eintracht-Vorstandschef Heribert Bruchhagen, habe der Aufsichtsrat den Trainer "wegen mangelnder Ausstrahlung" ungefähr ein Dutzend Mal entlassen wollen. Bruchhagen hielt jedes Mal stand, bis der Coach nach fünf Jahren selbst um Vertragsauflösung bat.

Der Vorwurf, dass sein Fußball so farblos sei wie er selbst, hat Funkel nie gekränkt

Friedhelm Funkel hat oft hören müssen, er sei farblos und der Fußball seiner Teams ebenso, das hat ihn aber nicht gekränkt. Zeit seiner Trainerkarriere hat er Mannschaften aus den niederen Tabellenregionen gecoacht, seine Spitzenteamerfahrungen beschränken sich auf die zweite Liga. Oft hat er einen sehr zehrenden Job machen müssen, doch darüber ist er nicht zum Exzentriker oder Paranoiker geworden. Es heißt vielmehr, er gehöre zu den wenigen langjährigen Bundesliga-Trainern' die durch ihren Job nicht komplett verrückt geworden sind, eine massive Berufsdeformation erlitten oder wenigstens Persönlichkeitsveränderung erfahren haben. Welche das noch sind außer Funkel? Nun, es wird sie bestimmt geben, aber die Recherchen werden noch mindestens bis Redaktionsschluss andauern.

Schaute man Funkel in seinem Abschiedsspiel in Leverkusen von der Tribüne aus bei der Arbeit zu, dann fiel einem auf, dass dieser Mann da unten außerordentlich gut beieinander ist für seine 66 Jahre, und dass ihm auch die enge schwarze Jeans noch bestens steht. Funkel wirkt nicht unbedingt jünger, als er ist, aber er sieht aus wie einer dieser Weltumsegler, die außer vom frischen Wind auch von Glück und Zufriedenheit gezeichnet sind. An dem Mittwoch, an dem er jetzt entlassen wurde, hatte er abends einen Bühnenauftritt bei der Show des WDR-Radiomoderators Sven Pistor. Dieser fragte mittags vorsichtig an, ob Funkel noch erscheinen wolle - "natürlich komme ich, ich habe doch nichts verbrochen", entgegnete es ihm. Der Abend wurde dann für Funkel zur Abrechnung. "Mit einem tollen Rückblick auf meine Karriere" und mit der Erkenntnis: "Ich hatte so viel Glück in meinem Leben - 47 Jahre im Fußball, stellen Sie sich das mal vor!"

... und der letzte 2018 mit Fortuna Düsseldorf. (Foto: Marcel Kusch/dpa)

Ganz verschwinden wird der Trainer sicherlich nicht aus der Bundesliga. Für einen Job als Fernseh-Experte hätte er wohl noch Zeit, wenn er sich nicht gerade seinen wichtigsten Vorhaben widmet: Skilaufen unter der Märzsonne, Strandspaziergänge auf Sylt und Tennisspielen in der Niederrheinliga. Aber erst einmal wird Friedhelm Funkel am Samstagnachmittag zu Hause auf der Couch Platz nehmen und seiner Mannschaft und seinem Stab die Daumen drücken für das Spiel der Fortuna gegen Eintracht Frankfurt. Dem Trainer Uwe Rösler, seinem erstaunlich plötzlich ins Amt gelangten Nachfolger, im Übrigen auch.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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