French Open:Herausforderer aus dem Kapaonik

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Der Serbe Novak Djokovic macht Nadal den Einzug ins Finale von Paris streitig. Als Kind trainierte er, während die die Nato-Bomber über ihn hinwegflogen.

Josef Kelnberger

Einen seiner größten Siege feierte Novak Djokovic dieses Jahr beim Turnier in Monte Carlo. Er begann seinen Auftritt mit einer Imitation des zappeligen Kollegen Andy Roddick, Nummer drei der Welt, am Ende stöckelte er auf hochhackigen Schuhen in einem String-Tanga über die Bühne. "Alle lagen am Boden vor lachen", berichtete der französische Trainer Thierry Tulasne von dem Spielerabend, "aber am Tag danach hat niemand ihn damit aufgezogen. Er hatte Respekt gewonnen." Natürlich sehen das nicht alle so. Es gibt auch Spieler, die verbreiten, dieser Serbe sei ein arroganter Widerling. Bei den French Open ist man jedenfalls heilfroh, dass es so seinen wie den 20-jährigen Novak Djokovic gibt. Einen, der sich nicht brav im Windschatten von Roger Federer und Rafael Nadal hält. "Da seid ihr ja", so empfing er die Reporter nach seinem Viertelfinalsieg über den Russen Igor Andrejew. "Wo wart ihr in der ersten Woche?"

Novak Djokovic muss im Halbfinale gegen den Titelverteidger Rafael Nadal antreten. (Foto: Foto: AFP)

Das erwartete Finale Federer gegen Nadal können bloß noch Novak Djokovic und Nikolai Dawidenko verhindern, der Russe im Halbfinale gegen Federer, der Serbe gegen Nadal. Dawidenko kann hinreißendes Tennis spielen wie im Viertelfinale gegen den Argentinier Guillermo Canas. Aber er geht seinem Handwerk am liebsten unerkannt nach, und Englisch spricht er nur bruchstückhaft. Djokovic dagegen: spricht Englisch fließend und sehr eloquent, und sein Werdegang ist zum großen Thema dieses Turniers geworden, zumal auch Ana Ivanovic und Jelena Jankovic die Halbfinals erreicht haben. "Ich bin aus einem Dritte-Welt-Land namens USA, und wir sind alle neidisch auf Serbien", so begrüßte ihn ein amerikanischer Reporter. Das ist eine ironische Wendung des Schicksals, denn Djokovics Karriere handelt auch davon, dass das Dritte-Welt-Land USA mit der Nato die Heimat des Spielers bombardierte.

Training unter Bomben

Der Krieg im Jahr 1999, der Serbiens Truppen aus dem besetzten Kosovo zurückzwang und letztlich Diktator Milosevic stürzte, schrumpft in dieser Geschichte auf eine Bedrohung für den kleinen Novak. Der habe unverdrossen weitertrainiert, während die Nato-Bomber über ihn hinwegflogen, hat sein Vater erzählt, deshalb kenne er auf dem Tennisplatz keine Angst mehr. Djokovic selbst spricht nicht mehr gerne darüber, er sagt nur: "Wir hatten schwierige Zeiten in den letzten 15, 20 Jahren. Leider konnte ich nicht mehr in unserem Land bleiben und trainieren, weil wir nicht die Bedingungen dafür hatten."

Vater Srdjan und Mutter Dijana, zu Hause in Belgrad, betrieben im Kopaonik, einem serbischen Gebirge, ein Bergrestaurant und wollten dort aus ihrem Novak einen Skifahrer machen. Doch schnell zeigte sich, dass er auf dem angrenzenden Tennisplatz mehr Talent entfaltete. Die Eltern begannen, in die Karriere des Sohnes zu investieren. Mit zwölf Jahren schickten sie ihn an die Akademie von Niki Pilic in München, und der sagte ihnen: "Novak wird ein Champion." Die Prophezeiung scheint sich nun zu erfüllen.

Der Serbe kann seine Gegner nicht nur mit Gewaltschlägen erledigen, er kann sie auch auf eine sehr intelligente Art in Fehler treiben. Mats Wilander, Fachkommentator von L'Équipe, vergleicht ihn mit dem Slowaken Miloslav Mecir. "Er platziert den Ball so, dass der Gegner so schlecht wie nur irgend möglich spielt." Wenn er noch ein bisschen Muskeln auftrainiere und Schlagkraft gewinne, könne er Roger Federer und Rafael Nadal an der Spitze der Weltrangliste durchaus gefährlich werden.

Natürlich bekundet auch Djokovic als Nummer fünf seinen Respekt vor der Nummer eins und der Nummer zwei, aber er lässt erkennen, dass sich sein Respekt in Grenzen hält. Bei den Australian Open war es Federer deshalb ein Herzensanliegen, den Serben im Achtelfinale in drei Sätzen auseinanderzunehmen. "Okay", sagte Djokovic hinterher, "er hat mir den Hintern versohlt." Aber entmutigen ließ er sich nicht. In Miami feierte er dieses Jahr seinen ersten Masters-Sieg, und auf dem Weg bezwang er auch Nadal. Auf Hartplatz, aber immerhin, daraus schöpft er Hoffnung für das heutige Halbfinale auf dem Sand von Roland Garros. "Ich werde so aggressiv wie möglich zu Werke gehen", hat Djokovic angekündigt. Der Spanier, darauf angesprochen, lachte und erwiderte: "Nett. Ich werde vorbereitet sein."

Auf Novak Djokovic ruhen die Hoffnungen, es möge endlich jemand Rafael Nadal ernsthaft herausfordern. Der Titelverteidiger sei fast "unspielbar", sagte Nadals Freund Carlos Moya nach der 4:6, 3:6, 0:6-Abfuhr im Viertelfinale. Djokovic wird sein Bestes versuchen, wird wie immer versuchen, sein Temperament in den Dienst seiner filigranen Spielkunst zu stellen. Dabei wird er wieder ein Hemd in seiner Glücksfarbe Gelb tragen, und auf der Tribüne wird ihn wie im Viertelfinale sein Clan aus Familie und Freunden in Hemden der gleichen Farbe anfeuern. "Wir sind eine heißblütige Familie", sagte Mutter Djokovic nach dem Viertelfinale. Sie hatte ein Glas Bier in der Hand, inmitten ihrer Lieben im Spielerrestaurant, wo man laut und fröhlich feierte.

© SZ vom 8.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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