Freitagsspiel der Bundesliga:Das magische Elfeck

Lesezeit: 3 min

Mehr als nur Mario Gomez: Die spektakuläre Spielweise des VfB Stuttgart ist in Wahrheit auf einer unspektakulären Achse erbaut.

Christof Kneer

Am Donnerstag kam die Meldung, dass Mario Gomez spielen kann. Am Samstag, beim 4:1 gegen Bremen, war sein linkes Sprunggelenk mit dem ausgefahrenen rechten Bein des Bremers Naldo aneinandergeraten, weshalb Gomez zu Wochenbeginn noch vom Sport befreit war. Aber seit Donnerstag darf er wieder, und für den deutschen Fußball ist das eine gute Nachricht.

Der deutsche Fußball braucht den Anführer der Torjägerliste (zwölf Treffer) dringend, irgendeiner muss ja Schalke jagen und die Liga unter Spannung halten. Und auch bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) dürften sie froh gewesen sein, dass Gomez wieder mitmachen kann.

Hymnisch gelobt

Denn nach derzeit herrschender Meinung ist es ja so, dass der VfB Stuttgart aus Mario Gomez besteht - wenn Gomez also nicht gekonnt hätte, wäre kein VfB-Spieler mehr übrig geblieben, und die DFL hätte das Freitagabendspiel zwischen Frankfurt und dem VfB womöglich absagen müssen.

Nichts mögen die Verantwortlichen beim VfB Stuttgart weniger als die derzeit herrschende Meinung. Sie werden zwar jeden Tag hymnisch gelobt für die Mannschaft, die sie da gebaut haben, trotzdem kommt ihnen die Mannschaft viel zu schlecht weg dabei. "Unser Erfolg basiert nicht auf einem Spieler, sondern auf einem gruppendynamischen Prozess", sagt Horst Heldt, der Teammanager.

Man darf zurzeit ruhig Mitleid haben mit ihm, er hat so viel Erfolg und darf sich so wenig freuen. Immer muss er auf Fragen antworten, die er am liebsten überhören würde. Will der VfB jetzt das Double gewinnen oder doch nur Meister werden? Welche Weltstars verpflichtet der Verein für die nächste Saison? Und: Wann verkauft der VfB Mario Gomez?

Der VfB ist die Überraschung der Saison, und außerhalb Stuttgarts fragen sich immer noch viele, was das überhaupt für eine Mannschaft ist, die am Freitag vorübergehend Bremen überholen und Zweiter werden kann. Die Antwort ist, dass diese Mannschaft vor allem eine Mannschaft ist. "Wir sind individuell nicht so stark besetzt wie andere Teams", sagt Heldt, "aber unsere Qualität ist, das wir viele gleichwertige Spieler haben."

Mit Mühe den UI-Cup

Wer das spektakuläre Spiel der Stuttgarter gegen Bremen verfolgt hat, der mag kaum glauben, wie unspektakulär sich die Aufstellung liest. Dort stehen Spieler wie Cacau, Hitzlsperger und Magnin, denen man eher zutrauen würde, sich mit Mühe in den UI-Cup zu retten; daneben stehen Spieler wie Hilbert, 22, oder Tasci, 19, denen man höchstens eine solide Qualifikation für ein U 21-Turnier zutrauen würde.

Und nochmal daneben stehen Pavel Pardo, 30, und Matthieu Delpierre, 25, denen manche gar nichts zutrauen würden, weil sie sie noch nie gesehen haben. Diese Elf hat ein unsichtbares Geheimnis, und der Mexikaner Pardo und der Franzose Delpierre sind ein spielentscheidender Teil davon. Sie sind Teil jener unspektakulären Achse, auf der sich das Spektakel Gomez erst ereignen kann.

"Die beiden sind extrem wichtig für eine funktionierende Elf", sagt Heldt. "Es war unser erklärtes Ziel, dass der VfB nicht mehr so von einzelnen Spielern abhängig sein soll wie früher vom magischen Dreieck Elber/Bobic/Balakov oder zuletzt von Hleb. Wir wollen nicht, dass man den VfB ausschaltet, wenn man einen Spieler ausschaltet."

Das Elfeck

So ist aus dem neuen VfB fürs Erste ein magisches Elfeck geworden. Ein kleines magisches Dreieck leistet sich der VfB zwar immer noch, aber in der modernen Version. Im modernen Fußball wird das Spiel immer weiter hinten angebahnt, und so haben auch die Stuttgarter ihr neues magisches Dreieck nach hinten verschoben.

Die Innenverteidiger Delpierre/Meira und der defensive Mittelfeldspieler Pardo, das sind die drei, die das Spiel vorbereiten und prägen, und wenn Meira - wie oft in der Vorrunde und wie jetzt wieder in Frankfurt - verletzt passen muss, dann rückt der junge Tasci so selbstverständlich hinein ins Defensivdreieck, dass Trainer Armin Veh den Kapitän Meira in der Vorrunde mitunter ins Mittelfeld verschob, um überhaupt noch einen Platz für ihn zu finden.

Aber natürlich weiß keiner besser als Heldt, dass der neue VfB noch kein stabiler Wert ist. Die Mannschaft hat das, was man einen Lauf nennt, und noch weiß keiner, wie gut diese Elf ist, wenn man sich den Lauf wegdenkt. Heldt weiß, dass er die Mannschaft laufunabhängiger aufstellen muss, er weiß, dass das Elfeck noch ein bisschen mehr individuelle Qualität verträgt. Längst späht Heldt nach einem Spielmacher und einem weiteren Stürmer, aber er redet nicht öffentlich darüber, weil er sonst den Lauf gefährdet. "Dass dauernd über neue Spieler spekuliert wird, geht mir massiv gegen den Strich", sagt er. "Das haben die aktuellen Spieler nicht verdient."

Vielleicht aber wird Horst Heldt bald noch mehr suchen müssen als ihm lieb ist, denn nicht nur Mario Gomez hat Begehrlichkeiten im In- und Ausland geweckt. Mancherorts ist das Geheimnis des VfB Stuttgart leider schon enttarnt: Englische Scouts, heißt es, haben inzwischen den unsichtbaren Delpierre entdeckt. Erste sichtbare Anfragen liegen bereits vor.

© SZ vom 16.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: