Freiburg:Standards als Schlüssel

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Geht keinem Duell aus dem Weg: Nils Petersen (links), Torschütze zum 1:0, setzt sich gegen den Herthaner Karim Rekik durch. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty)

Dank der Stärke bei Ecken und Freistößen entledigen sich die Breisgauer früh aller Abstiegssorgen - und auch, weil Berlins Matchplan nicht aufgeht.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Das sicherste Zeichen, dass ein Team den Klassenerhalt geschafft hat, ist vielleicht, wenn genau das vehement dementiert wird. Nach dem 2:1 gegen Hertha BSC beeilten sich im Freiburger Lager alle, die Punkte 28, 29 und 30 eher lapidar zu kommentieren. Doch sowohl die Feierlichkeiten vor der Nordkurve als auch die erleichterten Mienen der Spieler zeigten, dass diese Punkte doch besonders wichtig waren. Irgendwann, 50 Minuten nach Abpfiff, machte Trainer Christian Streich gar eine Art euphorische Rechnung auf: "Stuttgart hat verloren, jetzt sind wir elf Punkte vor ihnen. Das ist nicht so schlecht."

Alles andere als schlecht war auch die Freiburger Leistung gegen zumindest im zweiten Durchgang sehr ordentliche Berliner. In der ersten Hälfte zeigte der SC, warum er in dieser Saison besser ist als vier, fünf andere Mannschaften - läuferisch und kämpferisch sowieso, aber eben auch spielerisch. Das Auftreten der Offensivabteilung um Vincenzo Grifo, Nils Petersen, Janik Haberer und Luca Waldschmidt war sehr ansehnlich. Das Führungstor, das Petersen nach präziser Grifo-Flanke beisteuerte, war es erst recht (27.). Und auch wenn die zweite Hälfte allenfalls noch ergebnisorientiert war, reichte das zum gemeinsamen Fazit beider Trainer, dass der Freiburger Sieg "nicht unverdient" gewesen sei.

Zumal es die Gastgeber personell mal wieder derart beutelte, dass Streich nicht viel sagen musste, um seiner Verzweiflung Ausdruck zu verleihen. Man sah sie ihm an. "Wir haben seit zwei Jahren so viele schwere Verletzungen, das macht mich verrückt", sagte er. Schon in der ersten Hälfte musste Rechtsverteidiger Lukas Kübler vom Feld, die Diagnose Sprunggelenksbruch schließt weitere Saisoneinsätze aus. In der Pause gesellte sich Innenverteidiger Philipp Lienhart zu ihm. Nach einem Zusammenprall mit Salomon Kalou war die Sehkraft in Mitleidenschaft gezogen.

So kam in Nico Schlotterbeck ein Spieler zu seiner Erstligapremiere, der selbst regional so unbekannt ist, dass er nicht mal im Stadionmagazin Heimspiel gelistet war. Dessen Einsatz brachte derweil den ansonsten überaus kontrollierten Stadionsprecher Claus Köhn so in Wallung, dass er erstmals in den vergangenen Jahrzehnten die Durchsage eines Torschützen mit einem privaten Kommentar versah. Als er das 2:1 und den Torschützen Schlotterbeck verkündete, schob er nach: "Ich hab's vorhergesagt." Doch kurz darauf funkte die DFL dazwischen und wertete den Treffer als Eigentor von Vedad Ibisevic.

Das allerdings fanden weder die Berliner noch die Freiburger Spieler sonderlich gerecht. SCF-Keeper Alexander Schwolow plädierte für Schlotterbeck, weil der das Tor durch seinen Einsatz "provoziert" habe. Berlins Verteidiger Niklas Stark schloss sich der Deutung an, allerdings aus anderen Gründen. Schließlich, so Stark, wäre der Ball auch ins Tor gegangen, wenn Ibisevic nicht interveniert hätte: "Für mich war das kein Eigentor."

Der Siegtreffer war es jedoch, denn Hertha hatte aus der Überlegenheit in Hälfte zwei nur einen Treffer gemacht - Ibisevic war nach schöner Vorarbeit von Jordan Torunarigha so frei (76.). Es war eine geringe Ausbeute angesichts des hohen Ballbesitzes (65 Prozent), manch guter Torchance und der Tatsache, dass Freiburg nach den beiden verletzungsbedingten Wechseln so defensiv spielte, als wären die beiden Spieler überhaupt nicht ersetzt worden.

Warum die Hertha manchmal offenkundig erst ein Schockerlebnis braucht, um zu höheren Drehzahlen zu gelangen, beschäftigte nach der Partie Pal Dardai. "Immer wenn wir eine Etage nach oben klettern können, sieht das bei uns ein bisschen zäh aus", sagte Berlins Trainer: "Dann schießt Freiburg ein Tor und plötzlich geht es." Eigentlich, so Dardai weiter, habe der Matchplan vorgesehen, "dass wir nicht so guten Fußball spielen und am Ende vielleicht durch einen Standard gewinnen. Heute lief es umgekehrt."

Dass Freiburg derzeit wieder öfter Tore nach Eckbällen und Freistößen schießt, liegt derweil nicht nur an Grifo, der im Winter für ein halbes Jahr aus Hoffenheim nach Freiburg beordert wurde und auch den zweiten Treffer per Ecke vorbereitete. Es liegt offenbar auch daran, dass der SC im Training die Standards so oft übt, wie es die Statistik nahelegt, nach der 40 Prozent aller Tore nach ruhenden Bällen fallen. "Damit verbringen wir viel Zeit", berichtete Freiburgs Dauerläufer Frantz: "Und ehrlich gesagt, macht das nicht immer so viel Spaß."

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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