Frauenbasketball:Historischer Verlust

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Die Basketballerinen des deutschen Meisters TSV Wasserburg haben erstmals seit Jahren wieder Konkurrenz in der Liga: die Stars Keltern.

Von Matthias Schmid

Man muss lange in der Sportgeschichte zurückblättern, um Trainer zu finden, die sich über Niederlagen ehrlich freuen konnten. Georg Eichler, Cheftrainer des deutschen Basketball-Meisters TSV Wasserburg, gehört aber definitiv auf die kurze Liste. Als der 40-Jährige vergangenen Samstag seinem Kollegen Christian Hergenröther zum Sieg gratulierte, begleitete den Handschlag ein fröhliches Lächeln. Bei beiden. Dabei hatte Wasserburg nicht nur sein Heimspiel gegen die Stars Keltern 72:75 verloren, sondern auch die Tabellenführung. Und zwar zum ersten Mal seit so vielen Jahren, dass sich nicht einmal die langjährigen Vereinsrepräsentanten an die genaue Jahreszahl erinnern können.

"Tolle Sache für den deutschen Frauen-Basketball", sagt Trainer Eichler nach der Niederlage

Dass die Wasserburgerinnen, der zehnmalige Champion aus Oberbayern, die deutsche Bundesliga nicht mehr anführen und nach elf Spieltagen schon zwei Niederlagen aufweisen, ist so ungewöhnlich wie Schnee im Hochsommer. Aber von einer Krise ist weit und breit nichts zu spüren in dem Städtchen am Inn. Welche Krise? Vielmehr freut sich Eichler über die neue Stärke in der Bundesliga, den plötzlich unberechenbaren Wettbewerb, den er so lange vermisst hat. "Das war eine tolle Sache für den gesamten deutschen Frauen-Basketball", versichert Eichler, "am liebsten hätte sich so ein hohes Niveau jede Woche. Das hat Spaß gemacht."

Man darf Eichler nicht missverstehen. Niederlagen mag er genauso wenig wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Doch nachdem seine Spielerinnen den deutschen Basketball in den vergangenen Jahren noch viel deutlicher dominiert haben als der FC Bayern den deutschen Fußball, sehnte er sich schon lange nach einer Mannschaft, die mit seinem Profispielerinnen irgendwie mithalten kann. Und in dieser Saison ist in Keltern, einer badischen Gemeinde nahe Pforzheim, endlich ein Klub erwachsen, der Wasserburg nicht nur in einzelnen Spielen schlagen, sondern auch in der Meisterschaft ernsthaft herausfordern und den fünften Wasserburger Meistertitel nacheinander verhindern könnte. In der Vorrunde hatte Keltern Wasserburg schon die erste Niederlage nach zuvor 75 Siegen in Serie zugefügt.

Mehr als zweieinhalb Jahre hatte Wasserburg die nationalen Wettbewerbe so mühelos gewonnen, als würden sie nicht gegen Frauen, sondern gegen Juniorenmannschaften antreten. Doch nachdem vor dieser Spielzeit die Regelung abgeschafft worden ist, dass mindestens zwei deutsche Spielerinnen auf dem Feld stehen müssen, ist die Qualität mit den ausländischen Facharbeiterinnen in der Bundesliga spürbar angestiegen. Von der neuen nationalen Konkurrenz profitieren nun auch die Wasserburgerinnen in ihren internationalen Spielen, weil sie sich mittlerweile auf jedes Ligaspiel seriös vorbereiten müssen. Nach etlichen vergeblichen Versuchen haben sie zum ersten Mal in ihrer Vereinshistorie im Eurocup die K.o.-Runde erreicht. An diesem Mittwoch (19.30 Uhr/Badria-Arena) treffen sie im Hinspiel des Achtelfinales auf den spanischen Klub Citylift Girona. "Ein harter Brocken", wie Eichler findet, weil die Mannschaft in der vergangenen Saison in der hochwertigeren Euroleague aufgelaufen war. "Wir haben nichts zu verlieren und spielen hoffentlich mit Selbstvertrauen und ohne Respekt."

Die spielstarke Amerikanerin Rebecca Tobin fehlt noch wegen eines Bänderrisses im Knöchel

In Bestbesetzung kann Wasserburg aber nicht antreten. Die US-Amerikanerin Rebecca Tobin fehlt wohl noch wegen eines Bänderrisses im Knöchel. Dabei wäre die 1,95 Meter große Centerin enorm wichtig gegen die physisch starken Gegnerinnen, die in der Vorrunde Keltern zweimal besiegten. Dass eine hochdekorierte Spielerin wie Tobin seit Jahresbeginn überhaupt in Wasserburg spielt, hat mit dem Eurocup zu tun. "Ich will mithelfen, dass wir noch weiter kommen", sagt die 28-Jährige, die es 2015 beinahe in die WNBA schaffte, die beste Liga des Planeten. Doch in einem Vorbereitungsspiel für die Phoenix Mercury brach sie plötzlich zusammen. Herzstillstand. Eine Erklärung dafür fehlt bis heute. "Mir geht es aber wieder gut und ich habe kein Probleme mehr", sagt Tobin. Georg Eichler ist froh, dass er so eine famose Spielerin in seinem Kader hat. Er sagt: "Wir wollen natürlich eine Überraschung gegen Girona schaffen. Da war so ein enges und hartes Spiel wie gegen Keltern die beste Generalprobe."

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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