Frauen-Turnier in Prag:Babyschritte ins Ziel

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Mona Barthel gewinnt in Prag ihr viertes Turnier auf der WTA-Tour. (Foto: Sulova Katerina/dpa)

Vor einem Jahr konnte Mona Barthel kaum gehen. In Prag - wo sie sich erst über die Qualifikation ins Feld gekämpft hatte - krönt sie ihr Comeback mit dem Turniersieg.

Von Gerald Kleffmann, Prag/München

An diesem Samstag war Mona Barthel aufgewacht und hatte gedacht: "Ich fühle mich so schlecht." Aber dann sagte sie sich: "Nein, auf geht's, noch ein Tag!" Es waren Gedanken wie diese, von denen Barthel berichtete, während sie lächelnd auf dem Center Court in Prag stand; als Siegerin lässt es sich schließlich immer etwas leichter zurückblicken auf die Qualen, die man durchleiden musste. Und Mona Barthel hat einen sehr speziellen Weg hinter sich gebracht. In Tschechien, auch das. Aber vor allem in der jüngeren Vergangenheit. Die Geschichte von einer, die so krank war, dass sie nicht mehr gehen konnte, hin zu einer Turniergewinnerin, ist in dieser Form im Welttennis sicher einzigartig. Die Deutsche aus Neumünster hat diesen Weg beschritten.

Als Barthel am Samstag ihr Finale bei den Prag Open bestritt, gegen die Einheimische Kristyna Pliskova, Schwester der US-Open-Finalistin Karolina, war dies ihr achtes Match in der Veranstaltung. Über die Qualifikation spielte sie sich ins Endspiel. Als wäre es eine Parabel auf so vieles, lag sie zunächst aussichtslos zurück: erster Satz verloren, ein Break im zweiten Satz kassiert. Doch dann fand sie ihren Rhythmus besser, dominierte zusehends mit ihrem klaren, geradlinigen Grundlinienspiel und schaffte ihren ersten Turniererfolg seit 2014. "Ich kann es immer noch nicht glauben", sagte die 26-Jährige. Aber sie muss sich nur die Homepage der Frauentour ansehen, um es zu glauben, dort ist ja alles festgehalten: ihr Matchball, ihre Rührung. Und natürlich ihre Umarmung mit Christopher Kas, ihrem Trainer, der stets positiv denkt und mit seiner oberbayerischen Alles-wird-gut-Ausstrahlung wohl genau der Richtige war nach dieser Phase des Leidens. Im Tenniszirkus der Frauen wird Barthel jeder den Erfolg sicher gönnen. Ihre Geschichte ist den meisten bekannt.

Von einer mysteriösen Viruserkrankung geplagt

Vor exakt einem Jahr hatte Barthel erste Versuche unternommen, sich nach einer monatelangen Auszeit auf den Tennisplätzen wieder zurechtzufinden. Eine mysteriöse Viruserkrankung, deren Auslöser trotz intensivster Untersuchungen nicht ermittelt werden konnte, hatte sie regelrecht lahm gelegt. "Ich war bei acht, neun Ärzten, ich war im Tropeninstitut, ich habe fünf MRTs gemacht, immer wieder Blutuntersuchungen und tausend Tests", erzählte Barthel im vergangenen Jahr der SZ. Aber nichts wurde gefunden. Sie war müde und ständig schlapp; Kopf- und Gliederschmerzen, die immer intensiver wurden, zwangen sie, tagelang nur im Bett zu liegen. Sie konnte nicht einkaufen gehen, nicht Fernsehen, nicht telefonieren, keine E-Mails schreiben. Die ersten Symptome fielen ihr Ende 2015 auf, da dachte sie noch, es könnte etwas mit dem Magen-Darm-Virus zu tun haben, der sie gleichzeitig plagte. Aber so war es nicht.

Dass ihr Rückzug in der Öffentlichkeit kaum auffiel, lag auch daran, dass andere deutsche Spielerinnen schlichtweg wegen ihrer Persönlichkeiten stärker im medialen Rampenlicht stehen. Sabine Lisicki, Andrea Petkovic, sie sind bekannter, im Januar 2016 glückte Angelique Kerber mit dem Sieg bei den Australian Open gar ein aufsehenerregender Triumph. Kerber überstrahlte seitdem alles. Barthel ist aber, das wird gerne übersehen, eine sehr talentierte Spielerin gewesen, drei Titel auf der Tour und ihr höchstes Ranking mit Platz 23 in der Weltrangliste sprechen für sich. Auch gehörte sie zum Fed-Cup-Team.

Erst schafft sie 50 Meter, dann 200 - und schließlich die Rückkehr auf die Tour

Im März 2016 kehrte Leben in ihr zurück, "ich habe wirklich Babyschritte gemacht", schilderte sie im vergangenen Jahr. Erst in der Wohnung, dann auf der Straße, 50 Meter, 200 Meter, auf und ab. "Für mich ging es kein bisschen um Tennis. Für mich ging es darum, ob ich wieder selbständig leben kann. Es konnte ja keiner sagen, ob das so immer bleibt oder wieder verschwindet." Der Virus verschwand. Und kurz darauf heuerte sie Kas an, der wieder frei war, nachdem er und Lisicki sich getrennt hatten.

Es dauerte natürlich, bis das Körpergefühl in Barthel ihr so viel Sicherheit vermittelte, dass sie sich wieder wie eine richtige Profisportlerin fühlte. Es war wie eine Fügung des Schicksals, dass sie in Melbourne, wo sie ein Jahr zuvor letztmals angetreten war, ehe sie sich wegen der Krankheit zurückzog, ihr bestes Grand-Slam-Resultat erkämpfte. Sie erreichte im Januar 2017 das Achtelfinale und genoss es, wieder Kraft und Zuversicht zu spüren. In diesen Kontext ist nun auch der Sieg in Prag einzuordnen - das macht ihn umso außergewöhnlicher.

Barthel staunte selbst darüber, welche Energiereserven nach acht Matches in acht Tagen in ihr geschlummert hatten, aber sie ahnte: "Morgen werde ich fertig sein." Aber sicher nur kurz. Ihre Gesundheit ist wieder stabiler. Eigentlich wollte sie in Madrid die Qualifikation bestreiten, die hat sie nun aus angenehmen Gründen verpasst. Das gibt ihr Zeit zur Regeneration. Übernächste Woche steht das Turnier in Rom an, dann Paris mit den French Open. "Ich genieße jetzt diesen Sieg", sagte sich noch auf dem Platz. Bis auf Rang 56 ist sie nun in der Weltrangliste vorgerückt. Es geht nach oben. Das hat sich Mona Barthel verdient.

© SZ vom 07.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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