Frauen-Handball:Neue Hoffnung, alte Enttäuschung

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Au Backe: Die Bietigheimerin Susann Müller (links) gerät bei der Weltmeisterschaft in Dänemark an die Brasilianerin Ana Belo. (Foto: Jonathan Nackstrand/AFP)

Das junge deutsche Team will bei der WM die Grundlagen für eine bessere Zukunft legen - nach drei Auftritten fällt die Zwischenbilanz durchwachsen aus.

Von Ulrich Hartmann, Kolding/München

Die Augen blickten müde, während der wütend kreisende Kiefer vergeblich versuchte, einen Kaugummi zu zermalmen. In Jakob Vestergaards Gesicht war kurz nach dem Spiel beides zu erkennen: Enttäuschung und Angriffslust. Der dänische Trainer der deutschen Handballfrauen saß in der Arena in Kolding alleine auf einer Bank. Er musste eine 21:24- Niederlage gegen Weltmeister Brasilien einerseits verdauen und andererseits zum Anlass nehmen, seiner Mannschaft bei dieser WM in Dänemark weiterhin Chancen zum Einzug ins Achtel- und, besser noch, sogar ins Viertelfinale zu vermitteln.

Daran, dass die deutschen Handballerinnen an diesem Freitag mit einem Sieg gegen Kongo mindestens das Achtelfinale erreichen, bestehen kaum ernsthafte Zweifel. Aber es wäre schon besser, sie würden zuvor auch an diesem Donnerstag mit einem Erfolg gegen Südkorea die Konstellation für dieses Achtelfinale optimieren. Dadurch erhielten sie in der K.o.-Runde bessere Chancen aufs Viertelfinale und nur mit dem Einzug in selbiges auch die Option, im kommenden März ein Olympia-Qualifikationsturnier bestreiten zu dürfen.

Für die deutschen Handballerinnen, die im ersten WM-Spiel gegen Frankreich (20:30) enttäuscht hatten und im zweiten gegen Argentinien (33:13) kaum gefordert waren, entpuppte sich das dritte Spiel gegen Brasilien als eine Mixtur aus neuer Hoffnung und alter Enttäuschung. Denn nachdem sie 50 Minuten lang überraschend stark gespielt und gut mitgehalten hatten, brachen sie in der Schlussphase wieder einmal ein, erzielten acht Minuten lang kein einziges Tor, sahen in dieser Phase ihren 19:20-Rückstand auf ein uneinholbares 19:23 anwachsen und gingen am Ende enttäuscht vom Feld.

Dass sie trotz der Niederlage explizit Zuversicht aus dem Spiel schöpften, verstand sich von selbst. Schließlich hatten sie sich vor dem Turnier schon nicht davon irritieren lassen, dass sie bloß mit einer Wildcard teilnehmen durften - und auch nicht davon, dass sie zum Auftakt gegen Frankreich ziemlich chancenlos waren.

Mit nur drei Toren gegen Brasilien verloren zu haben, war zwar ein gefühlter Erfolg, doch die Chancenverwertung ließ zu wünschen übrig. Die Treffer-Effizienz lag bei nur 38 Prozent (21 Tore bei 56 Angriffen). Gegen Frankreich hatte sie 34 Prozent betragen, gegen schwache Argentinierinnen 59 Prozent. Gegen Brasilien kam die Leipzigerin Saskia Lang im linken Rückraum bei sieben Würfen nur auf einen Treffer, die Bietigheimerin Susann Müller im rechten Rückraum bei zehn Würfen auf vier. Wenn Müller nicht richtig trifft, wird es schwer für die Deutschen. Die beste Schützin hat in den drei Spielen 20 Tore erzielt, aber ausgerechnet gegen die Brasilianerinnen lag ihre Trefferquote erstmals unter 50 Prozent.

"Wir müssen präziser werden im Abschluss", sagte Vestergaard mit Blick auf die verbleibenden zwei Gruppenspiele. Torhüterin Clara Woltering von Borussia Dortmund fand, "dass wir am Ende einige Stresssituationen unglücklich gelöst haben". Man habe, sagte die Rückraumspielerin Kim Naidzinavicius von Bayer Leverkusen, "in der zweiten Halbzeit zu viele einfache Fehler gemacht".

Die Spielerinnen zogen trotzdem hoffnungsvolle Aspekte vor allem aus dem knappen Spielverlauf. "Wir sind etwas enttäuscht, aber wir haben uns als Mannschaft im Turnier und im Spiel weiterentwickelt", sagte die Metzingerin Anna Loerper als eine der erfahrensten Spielerinnen im Team. "Unser Kampfgeist ist da, das wollen wir in den nächsten Spielen zeigen."

Mit einem Sieg gegen Südkorea an diesem Donnerstag könnten die Deutschen auf den dritten Gruppenplatz springen und diesen mit einem weiteren Sieg gegen Kongo verteidigen. Der dritte Platz hätte den Vorteil, im Achtelfinale voraussichtlich jenen Russinnen aus dem Weg gehen zu können, an denen man im Sommer schon in der WM-Qualifikation gescheitert war. Bei einer Niederlage gegen Südkorea droht den Handballerinnen hingegen Platz vier und ein Duell gegen den Ersten der Gruppe D: vermutlich Russland.

Wer auch immer der Gegner im Achtelfinale am Sonntag sein wird, in diesem einen Spiel geht es für die Deutschen dann um die Wahrung der olympischen Chance, denn nur die Teams auf den abschließenden WM-Plätzen zwei bis acht dürfen an den Qualifikationsturnieren im Frühjahr teilnehmen.

Rio 2016 und die Heim-WM 2017 sind die nächsten Ziele des jungen Teams, das in Dänemark die Grundlagen für eine bessere Zukunft legen will. 2007 bei einer Weltmeisterschaft und 2008 bei einer Europameisterschaft war deutschen Handballerinnen zuletzt ein Einzug ins Halbfinale geglückt. Davon wagen sie in diesen Tagen allerdings kaum zu träumen.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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