Frankreich:Mit 9:0 zum Titel

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Bereits acht Spieltage vor dem Ende der Liga-Saison sichert sich Paris Saint-Germain bei Schlusslicht Troyes den Titel - die Überlegenheit des Klubs erreicht lächerliche Dimensionen.

Von Oliver Meiler

Das Reizvolle an Prognosen ist, dass man auch mal daneben liegen kann. Couragierte Prognosen sind wahre Wetten auf die Zukunft, ein Kitzel. Im Fall des französischen Vereinsfußballs ist es etwas anders. Da liegt man seit einigen Jahren nie daneben, geht gar nicht. Es wäre leichtsinnig, nicht auf Paris Saint-Germain zu setzen. Immer, für jeden Titel.

Am Sonntag ist der reiche Verein, der sich im Besitz der Investorengruppe Qatar Sports Investments befindet, in Troyes, einer Kleinstadt in der Aube, zum vierten Mal nacheinander Meister geworden, Sieger der Ligue 1. Und das acht Spiele vor Saisonende, so früh wie kein französischer Klub je zuvor. Offenbar, aber da schienen sich die nach immer neuen Superlativen suchenden französischen Medien nicht sicher zu sein, handelt es sich dabei um einen europäischen Rekord. Wenigstens in den vergangenen zwanzig Jahren soll kein Verein der fünf großen europäischen Ligen früher Meister geworden sein. Mitte März schon, im Winter noch. Von wegen Kitzel.

Der Gegner, der PSG diesen durchaus verzichtbaren Rekord theoretisch noch hätte streitig machen können, die bescheidene "Espérance Sportive Troyes Aube Champagne", kurz Estac, hat als Tabellenletzter 63 Punkte Rückstand. In der Umkleidekabine der Gäste im Stade de l' Aube hing eine Tafel, auf der man ihnen zur Qualifikation für das Viertelfinale in der Champions League gratulierte. Als fühlte man sich in Troyes geehrt, dass Zlatan Ibrahimovic, Angel Di María, Edinson Cavani und Kameraden den Weg in die Provinz überhaupt auf sich genommen haben. Einer von Troyes' Mittelfeld- spielern sagte im Interview vor der Begegnung aufgeregt: "Wir werden versuchen, ihnen nicht nur beim Spielen zuzusehen."

Erneut herausragend: Zlatan Ibrahimovic (links) glücken in der zweiten Hälfte gegen Estac Troyes allein vier Treffer für Paris. (Foto: Yoan Valat/dpa)

So ergeht es in Frankreich den meisten Gegnern. PSG ist so etwas wie eine Showtruppe von einem anderen Planeten - hoch bezahlt, gut gekleidet, ein Team voller Stars mit viel mehr Talent und viel mehr Allüren als der Rest der Liga, auf jeder Position.

Vor der Begegnung in Troyes hatte man sich nur noch gefragt, ob die Pariser die Trophäe nicht eher daheim gewinnen möchten, im Parc des Princes, mit ihren Fans, ihrer Choreografie, vor den Anzeigetafeln ihrer eigenen Sponsoren - und deshalb womöglich nur unentschieden spielen würden. Doch nach 19 Minuten stand es schon 0:3, am Ende dann 0:9. Wieder war es ein bisschen so, als treffe das kickende Pendant der Harlem Globetrotters auf eine Schülermannschaft. Es darf nun endgültig darüber debattiert werden, ob es denn noch Sinn hat, dass ein Verein mit dem zehnfachen Budget vieler seiner nationalen Rivalen in derselben Landesmeisterschaft antreten soll. Wäre es nicht für alle gescheiter, PSG spielte in der Premier League mit, oder in der spanischen Primera División? Zu wünschen wäre das vor allem den französischen Fans.

Meister ist PSG nun also schon. Im Ligacup steht man im Finale, in der Coupe de France im Halbfinale. Und in der Champions League hat man es wieder ins Viertel- finale geschafft, wie in den vergangenen drei Jahren auch. Diesmal gelang es leichter, das Team ist gereift, kann sich trotz der Langeweile in der Ligue 1 für die großen Spiele zusätzlich motivieren.

Laurent Blanc, der oft als autoritätslos belächelte Coach, bringt es offensichtlich fertig, die Kräfte seiner Equipe so zu dosieren, dass im wichtigen Moment die Energien auch gegen die etablierten Größen reichen. Blanc hat seinen Vertrag gerade bis 2018 verlängert. Die Champions League bedeutet ihnen alles, er ist der ganze Reiz - für die Geldgeber aus Katar wie für die Spieler von Paris Saint-Germain, die sich ja eigentlich zu schade sind für die kleine Bühne in Frankreich.

Natürlich muss nun wieder einer Figur besonders gehuldigt werden, einem Mann, der gewissermaßen über den Überfliegern aus Paris schwebt und von sich sagt, er sei in der Form seines Lebens - mit 34 Jahren: Zlatan Ibrahimovic hat gegen Troyes in der zweiten Halbzeit vier Tore erzielt. In der Meisterschaft sind es nun 27 Treffer, mehr als doppelt so viele wie seine Konkurrenten im Klassement der Torjäger. Alle seine statistischen Werte sind besser geworden, noch besser, muss man sagen.

Vor allem aber hat "Ibra" zuletzt auch dann geglänzt, wenn Gegner und Herausforderung groß waren. Beim Rückspiel im Achtelfinale der Königsklasse gegen den FC Chelsea war er überragend - und entschied das Spiel mit einem Tor und einem Assist fast alleine. Als er nach dem Spiel gefragt wurde, wie er sich erkläre, dass er immer besser werde, sagte der Schwede: "Ich bin alt geboren und werde jung sterben." Er hätte auch sagen können, es stecke noch Leben in seiner Karriere. In Paris hofft man, dass er es PSG angedeihen lässt.

Sicher ist das aber nicht, England lockt.

Nach der Blitz-Meisterschaft deutete er seinen Abschied mehr als nur an. Ibrahimovic sagte: "Ich bleibe - wenn sie den Eiffelturm durch eine Statue von mir ersetzen." "Stand jetzt" werde er in der nächsten Saison nicht mehr für PSG spielen.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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