Frankfurt gewinnt 3:1:Wie beim Blitzschach

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Der Spielmacher-Stürmer: Frankfurts eleganter Offensivspieler Sébastien Haller bringt es nach zwölf Spieltagen auf neun Tore und acht Assists. Beides sind Liga-Höchstwerte. (Foto: Adam Pretty/Bongarts/Getty Images)

Die Eintracht setzt ihre Erfolgsserie fort, kommt auch in Augsburg mit Schnellangriffen zu einem clever erspielten Sieg und ist nun Zweiter. Dennoch üben die Frankfurter danach vor allem Selbstkritik.

Von Maik Rosner, Augsburg

Von Euphorie war hinterher wenig zu vernehmen bei den Frankfurtern, obwohl ihnen etwas Einzigartiges gelungen war: Im siebten Anlauf hatten sie zum ersten Mal beim FC Augsburg gewonnen, zudem wenigstens für 27 Stunden den zweiten Tabellenplatz erklommen. Doch wer den Frankfurtern hinterher lauschte, hörte vor allem Selbstkritik. Wie von Marco Russ, der bereits in der fünften Minute für den an der Wade verletzten David Abraham eingewechselt worden war und von vielen Unannehmlichkeiten bei seinen Begegnungen mit seinem Augsburger Gegenspieler in den folgenden 40 Minuten berichtete. "Caiuby hat mich in der ersten Halbzeit komplett durch den Fleischwolf gedreht", sagte Russ schonungslos. Das galt nach Ansicht von Adi Hütter in abgeschwächter Form übergeordnet auch in großen Teilen des ersten Durchgangs. "Der FC Augsburg war ganz klar Chef im Ring", sagte der Trainer der Eintracht.

Dennoch durften die Frankfurter nach ihrem neunten Sieg aus den vergangenen zehn Pflichtspielen ebenso wie die Augsburger von einem zweifelsfrei verdienten 3:1 (1:0)-Sieg der Eintracht sprechen und sogar davon, ein höheres Ergebnis verpasst zu haben. Denn abgesehen von den Toren durch Jonathan de Guzman (1.), Sebastien Haller (47.) und Ante Rebic (68.) hatten sie noch mehrere Großchancen vertan. Am Gesamteindruck, ihren bemerkenswerten Lauf mit etwas Spielglück, aber vor allem mit Geschick und Können fortgesetzt zu haben, änderte das aber nichts. Auch nicht für Augsburgs Manager Stefan Reuter, der über die Unterschiede zwischen beiden Mannschaften und die Konsequenzen fürs Ergebnis sagte: "Frankfurt hat einen Wahnsinnslauf, eine absolute Überzeugung."

Markante Tempoverschärfungen

In der Tat durfte den Frankfurtern bescheinigt werden, clever und bedacht agiert zu haben. Ein ruhiger Aufbau wechselte sich mit plötzlichen markanten Tempoverschärfungen ab. Zwischendurch sammelten die Gäste immer wieder Kraft, indem sie die Augsburger anrennen ließen, um diese dann mit schnellen Zügen wie beim Blitzschach zu überlisten. Es war trotz Abstrichen durchaus ein Auftritt im Stile einer ökonomischen Spitzenmannschaft, die ein eigentlich recht ausgeglichenes Spiel souverän für sich entschieden hatte. "Da kann man jetzt nicht so viel meckern", bremste sich Torwart Kevin Trapp selbst, nachdem er sich über die vergebenen Chancen seiner Kollegen und die Schlussphase mit Sergio Córdovas Gegentor (90.) doch recht ausführlich beklagt hatte.

Durch welche Zutaten es zu Frankfurts bemerkenswerter Erfolgsserie kommt, erschloss sich schon nach weniger als einer Minute. Einen weiten Pass aus der Abwehr adressierte Makoto Hasebe an Mittelstürmer Sébastien Haller, der den Ball mit der Brust annahm und direkt weiterleitete in den Lauf von de Guzman, der ebenso kontrolliert an Augsburgs Torwart Andreas Luthe vorbei zum 1:0 abschloss. 50 Sekunden lag der Anpfiff zu diesem Zeitpunkt erst zurück, doch als stilbildend ließ sich die erste Offensivaktion der Frankfurter durchaus bezeichnen. Denn es war ein Spielzug, der danach noch vielfach beobachtet werden konnte und immer wieder zu guten Möglichkeiten führte.

Haller gibt beeindruckend den Spielmacherstürmer

Von den "drei Bullen" hatte Augsburgs Trainer Manuel Baum vor dem Spiel in Bezug auf das Frankfurter Angriffstrio Haller, Luka Jovic und Rebic voller Respekt gesprochen. Doch prägend agierte zunächst vor allem die Zwei-Mann-Achse Hasebe und Haller. Immer wieder trat Hasebe als Spielauslöser in Erscheinung, und immer wieder suchte er mit seinen weiten Pässen über oder durch das Mittelfeld Haller. Der Franzose gab danach den spielmachenden Stürmer mit dem Rücken zum Tor und verteilte die Bälle mit einem meist feinen Timing in seinen Pässen.

Warum sich Augsburg trotz vieler ansprechender Leistungen bisher mit einer Platzierung in der unteren Tabellenhälfte arrangieren muss, ließ das Spiel ebenfalls erkennen. Anders als den Gästen mangelte es den Augsburgern an der nötigen Selbstgewissheit im Abschluss. 25 Torschüsse standen hinterher in der Statistik, bei der Eintracht waren es nur deren 15. Doch anders als bei den Frankfurtern gerieten die finalen Aktionen des FCA zu unpräzise oder zu wenig zwingend. Wie bei einer der besten Chancen nach einer guten halben Stunde, als Michael Gregoritsch scharf hereingab, Frederik Jensen bei seinem ersten Startelfeinsatz aber seine Direktabnahme neben das Tor setzte. Ebenso glücklos blieb trotz guter Ansätze Stürmer Julian Schieber, der als Vertreter des angeschlagenen Alfred Finnbogason ebenfalls erstmals in der Startelf stand. Auf der anderen Seite konnten die Augsburger von Glück sagen, dass Frankfurt nicht schon längst höher führte. Denn zunächst schoss Rebic am leeren Tor vorbei (17.), dann setzte Jovic einen Heber etwas zu niedrig an, um Luthe zu überwinden (30.).

Direkt nach der Pause aber führte das oft erprobte Angriffsmuster zum 2:0 für die Eintracht, als Haller ein Zuspiel von Jovic durch Luthes Beine einschob. "Da sieht man die Cleverness und die Qualität der Frankfurter", befand Baum über die beiden schnellen Gegentore zu Beginn beider Halbzeiten. Und auch beim dritten Gegentor ließ sich der FCA durch einen weiteren Frankfurter Schnellangriff übertölpeln. Rebic vollendete nach Danny da Costas Querpass. Ein bisschen Euphorie ließ sich danach dann doch vernehmen, jedenfalls von den Fans. Sie sangen: "Deutscher Meister wird nur die SGE." Das dürfte etwas zu optimistisch sein, aber als Meister der Selbstkritik kommen die Frankfurter mit ziemlicher Sicherheit in Frage.

© SZ vom 25.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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