Formel 1:Schlingerfahrt in die Zukunft

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Der Rechteinhaber der Formel 1 will die Serie noch großartiger machen - nun präsentiert er ein neues Logo.

Von Philipp Schneider, Abu Dhabi/München

Gut, das Bild muss der Betrachter vielleicht erst einmal sacken lassen. Ein bisschen wie im Rijksmuseum in Amsterdam sollte er wohl vorgehen. Einfach mal auf die Bank setzen, mit drei, vier Metern Abstand zum Gemälde. Dann die Kunst wirken lassen. Irgendwann erschließt sich schon die Aussage. Es ist sicher wie beim einem dieser großflächigen Rembrandts, deren Details einem erst nach einem jahrzehntelangen Studium voller Entbehrungen auffallen?

Oder aber das bringt alles nichts. Weil es gar nicht allzu viel zu entdecken gibt in dem neuen Logo der Formel 1, das die Männer von Liberty Media, dem ebenfalls noch recht neuen Rechteinhaber der Rennserie, am Sonntag nach dem letzten Grand Prix in Abu Dhabi mit viel Pomp enthüllt haben. Manchmal genügt es ja schon, wenn etwas neu ist. Dann muss es nicht auch noch gut sein. "Ich finde das alte Logo besser", sagt Sebastian Vettel. "Ich denke, wir hatten schon ein kultiges Logo, das neue ist es nicht", findet Lewis Hamilton. "Ferrari oder Mercedes ändern ihr Logo ja auch nicht." Zwei rote Linien sind zu sehen, die die Zielkurve einer Rennstrecke symbolisieren sollen, und dann später auf eine diagonale rote Ziellinie treffen, die Kombination ergibt ein stilisiertes F und eine 1. Aber das ergab auch schon das alte Logo.

Über einiges wird noch zu reden sein: über die Motorenformel und die Kostendeckelung

"Wir wollen den Sport nicht verändern, aber wir wollen Innovation in eine Sportart hineintragen, die bereits großartig ist", rechtfertigte sich Chase Carey, der Geschäftsführer von Liberty Media. Diese argumentative Schlingerfahrt durfte man ruhig auf das Gesamtprodukt Formel 1 projizieren. Alle ahnen, dass Liberty Media die Rennserie großartig findet, sonst hätten sie diese ja nicht im vergangenen Jahr gekauft: für 4,4 Milliarden US-Dollar. Jetzt müssen die amerikanischen Unterhaltungsexperten die Formel 1 halt lediglich noch großartiger machen. Weil es eben das ist, was sie tun. Das neue Logo ist dabei die greifbarste Innovation. Über die entscheidenden Fragen, die Motorenformel ab 2021 und eine Kostendeckelung ab 2019, müssen die Rechteinhaber ja noch mit den Teamchefs der Rennställe diskutieren.

Romantische Runde im Cockpit: „Ich besorge mir was zu trinken, dann werde ich am Montag ausnüchtern, dann den Test fahren“, kündigte Sebastian Vettel, hier in seinem Ferrari im Sonnenuntergang von Abu Dhabi, nach seinem dritten Platz im letzten Rennen der Saison an. (Foto: imago/HochZwei)

Nun wäre es allerdings verfrüht und wohl auch etwas unfair, Liberty Media für alle Änderungen in Verantwortung zu nehmen, die den Zuschauer von der kommenden Saison an erwarten. Dass nun auch noch der weltweit beliebte Formel-1-Weltmeister Niki Lauda sein berühmtes Käppi am Sonntag letztmals in seiner Funktion als TV-Experte unterhalb des Logos des Kölner Privatsenders RTL gelupft hat, damit hat Liberty Media wahrscheinlich gar nichts und allenfalls am Rande etwas zu tun. Dem offenbar tatsächlich verdutzten Moderator Florian König erklärte der Österreicher jedenfalls live auf Sendung, dass er nicht mehr an eines der gelben Mikrofone zurückkehren werde. Der 68-Jährige bleibt Mitbesitzer und Aufsichtsrat des Mercedes-Teams. Ob RTL überhaupt noch Rennen überträgt im kommenden Jahr, ist noch offen - der Vertrag läuft genau wie jener des Pay-TV-Senders Sky Ende des Jahres aus, eine Einigung mit den neuen Formel-1-Besitzern Liberty Media konnten beide Unternehmen bislang nicht verkünden. Er wolle in allen Märkten "auf einen Mix von Free- und Pay-TV" setzen, sagte Sean Bratches, der Marketingexperte von Liberty Media, "denn auf der einen Seite befindet sich das Geld, auf der anderen Seite die Reichweite". Sollte Lauda also einfach nur gemeinsam mit der Formel 1 auf die Seite des Geldes wechseln, dann hätte Liberty Media indirekt schon etwas zu tun mit Laudas Abschied. "Ich werde nächstes Jahr nicht mehr RTL-Experte sein", sagte Lauda jedenfalls nur.

Garantiert nichts zu tun haben die Rechteinhaber mit dem vergleichsweise enormen Rückstand von 19,3 Sekunden, mit dem Sebastian Vettel am Sonntag in seinem Ferrari hinter dem Tagessieger im Mercedes durchs Ziel rollte. Und der hieß auch noch Valtteri Bottas und nicht Lewis Hamilton, wodurch sich erahnen lässt, dass die Niederlage der Scuderia noch deutlicher hätte ausfallen können, wäre der Weltmeister der Gegenwart noch etwas motivierter gewesen beim Saisonfinale in Abu Dhabi. "Ich besorge mir was zu trinken, dann werde ich am Montag ausnüchtern, dann den Test fahren", kündigte Vettel an, "und dann mache ich eine ganz kurze Pause". Erst mal ausnüchtern. Der viermalige Weltmeister muss den Kater einer aus seiner Sicht lediglich "befriedigenden" Saison überstehen, und ganz Italien leidet mit ihm und der Scuderia. "Ferrari verliert das Lachen", titelte der Corriere dello Sport. Die Gazzetta dello Sport sprach gar von einem "psychologischen Zusammenbruch" des Deutschen und schrieb: "Von außen hat man den Eindruck, dass bei Ferrari eine konstante, übertriebene und nutzlose Spannung herrscht." An der harten nationalen Kritik lässt sich ablesen, wie groß die Sehnsucht der Italiener nach dem ersten Weltmeistertitel eines Ferraristi seit dem von Kimi Räikkönen 2007 ist. Und was, bitteschön, ist erst los, wenn die Ingenieure in Maranello auch bei der Entwicklung des Autos für das kommende Jahr wieder angespannt aber nutzlos arbeiten?

Spaßvögel unter sich: Niki Lauda (auf Knien) mit Bernie Ecclestone, dem ehemaligen Chef der Formel 1. (Foto: Andrej Isakovic/AFP)

Mercedes-Boss Toto Wolff gefiel sich am Sonntag in der Rolle des Mahners. Sollten sich seine Ingenieure angesichts der Dominanz der Silberpfeile am Ende der Saison gegenseitig "auf die Schulter klopfen", sei das unangemessen, sagte Wolff. Aus der Analyse der Leistung im letzten Grand Prix des Jahres ließen sich keine Prognosen für die Zukunft ableiten, weil die Rennwagen ja über den Winter noch entschieden weiterentwickelt werden. "Als wir mit unseren cleversten Jungs im vergangenen Januar die Köpfe zusammengesteckt haben, hatte niemand von uns Ferrari auf dem Radar", sagt Wolff. "Und dann hatten sie plötzlich das schnellste Auto!" Deshalb, das kündigte der nimmersatte Wolff an, werde Mercedes auch nach dem jeweils vierten Fahrer- und Konstrukteurstitel in Serie "fleißig bleiben" und alle "Defizite" des Autos ausräumen. Für diejenigen Konkurrenten, die sehr gerne selber einen Mercedes mit Defiziten fahren würden, waren das keine guten Nachrichten.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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