Formel 1:Feind und Freund

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Esteban Ocon. (Foto: MANAN VATSYAYANA / AFP)

Bei dem ganzen Stühlerücken in diesem Sommer könnte am Ende ein Fahrer ohne Cockpit da stehen, der bei Mercedes sozialisiert wurde: der Franzose Esteban Ocon. Ausgerechnet sein Kumpel Lance Stroll schnappt ihm den Platz weg.

Von Philipp Schneider

Was für ein Sommer! Nicht wegen der andauernden Tropenhitze nördlich des Mittelmeers. Wegen der vielen Wechsel in der Formel 1 - die meint Toto Wolff. Zeitweise hatte man das Gefühl, es vergehe kein Tag, an dem nicht ein Rennfahrer das Cockpit eines anderen besetzt, dieser Rennstall einen Deal mit jenem schließt. Eine einzige Mauschelei! "Was im Juli und August abging, ist unglaublich", sagt also Toto Wolff, der Mercedes-Teamchef. "Da lief so viel Politik im Hintergrund und versteckte Interessen und Lügen." Wolff ist sauer. Weil vor lauter Stühlerücken ab 2019 ein Rennfahrer, der bei Mercedes sozialisiert wurde, womöglich ohne Cockpit sein könnte. Wie bei dem Kindergeburtstagsspiel "Reise nach Jerusalem" wird einer, wenn die Musik aufhört und keiner mehr rennt, nicht mehr sitzen können. Und das, obwohl ihn Wolff doch noch groß machen möchte. Ganz groß. Weltmeistergroß.

Esteban Ocon, 22, aus Évreux in der Normandie, fährt noch für Racing Point Force India. Jenen Rennstall, dessen Insolvenz der Unternehmer Lawrence Stroll nutzte, um ihn sich einzuverleiben. Und seinem Sohn, dem gar nicht mal gänzlich untalentierten Williams-Fahrer Lance Stroll, ein schnelleres Auto unter den Fahrersitz zu schrauben: das Auto von Ocon. Blöderweise sind Ocon und Stroll die dicksten Freunde im Fahrerlager. Weswegen nun der eine, Ocon, in die Bresche springen musste für seinen Kumpel aus gutem Hause, dem offenbar nicht jeder Rennsportfan gönnt, dass sich schnelle Autos eher mit Geld als mit Talent besetzen lassen. "Wir mögen aus verschiedenen Verhältnissen kommen, aber haben die gleiche Leidenschaft", schrieb Ocon auf Instagram: "Bleibt respektvoll!"

Zum Drama wurden die Irrungen um Ocon, weil Renault Interesse gezeigt hatten an dem Franzosen. Also Wolff in dem Glauben gelassen hatte, Ocon werde weiter in der Formel 1 fahren nach einem Rauswurf bei Force India. Mit Renault hatte Ocon eine Vereinbarung, auf die Wolff auch noch vertraute, als er den Vertrag von Lewis Hamiltons Wasserträger Valtteri Bottas verlängerte. Dann griff Renault zu, als sich Daniel Ricciardo von Red Bull lossagte. Dass Ocon ohne Vertrag dastehe, knurrt Wolff, liege daran, "dass gewisse Leute nicht den Mumm hatten, zu ihrem Wort zu stehen".

Und möglicherweise, an dieser Stelle wird es paradox, wäre Ocon längst woanders untergekommen, würden die Rennställe nicht befürchten, dass Ocon eines Tages zu Mercedes wechseln und alle Geheimnisse mitnehmen wird. Ocons letzte Chance auf ein Cockpit ist Williams. "Ein großartiges Team, sie waren in der Vergangenheit Weltmeister", lobt er. Was er nicht sagt: In der Gegenwart ist das Team fürchterlich langsam. Und steht bald ohne Geldbeschaffer da: Lance Stroll, Ocons besten Kumpel. Der ihm dann alles nehmen könnte.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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