Formel 1:Eine Lawine aus Kerpen

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Trend oder Zufall? Aus der Bundesrepublik drängen mehr Talente als aus jedem anderen Land in die Rennserie. Fünf deutsche Stammkräfte gehen am Wochenende an den Start.

René Hofmann

Die Nationalitäten-Frage wird überall gerne diskutiert. In Italien zum Beispiel drehte sich in diesem Winter viel um die Tatsache, dass bei der erfolgreichsten Formel-1-Scuderia nach 14 Jahren wieder Italiener das Sagen haben. Der deutsche Chefpilot Michael Schumacher ist ausgestiegen, den britischen Technik-Chef Ross Brawn zog es nach einem Sabbatical zu Honda. Nun räumt auch noch der Franzose Jean Todt seinen Platz am Kommandostand. Für ihn rückt Stefano Domenicali nach, 42, geboren in Imola, studierter Betriebswirt. Kaum im Amt, bekam der neue Teamchef auch schon die Frage aller Fragen gestellt: Ob nun bald auch wieder einmal ein Italiener im Ferrari Rennen fahren dürfe?

Nachwuchs-Schumi: Sebastian Vettel ist einer von fünf Deutschen in der Formel 1. (Foto: Foto: Reuters)

Domenicali antwortete ausweichend: "Das ist eine Frage des Talents. Die nationalen Motorsportverbände müssen den Talenten die Möglichkeiten geben, sich zu entwickeln. In Italien haben wir zu viele Nachwuchsserien. Das fördert zwar die Menge, nicht aber die Qualität der Fahrer." Von den 22 Piloten, die am Sonntag in Melbourne an den Start des ersten Rennens der Saison 2008 gehen, stammen gerade einmal zwei aus Italien: Jarno Trulli, 33, fährt für Toyota, Giancarlo Fisichella, 35, für Force India. Beide gehören weder zu den Jungen noch zu den Sieganwärtern.

1988 war das noch anders. Michele Alboreto duellierte sich mit zehn Landsmännern. In den späten Siebzigern stellten einmal die Franzosen mit sechs Piloten die stärkste Fraktion. In diesem Jahr sind es die Deutschen. Nick Heidfeld (BMW), Timo Glock (Toyota), Nico Rosberg (Williams), Sebastian Vettel (Toro Rosso), Adrian Sutil (Force India) - das sind fünf Stammkräfte. Und die nächste Generation deutet sich bereits an: Der 20 Jahre alte Nico Hülkenberg hinterließ bei Testfahrten einen so nachhaltigen Eindruck, dass sich das Williams-Team seine Dienste sicherte. Mehr als zwanzig Prozent Deutsche - Trend oder Zufall?

Ein Star - viele Sternchen

"Trend", sagt Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone. Das sei wie im Tennis nach dem Abschied von Boris Becker: Auf einen Star folgten immer ein paar Sternchen. Gerhard Berger, einst Grand-Prix-Pilot, dann BMW-Sportchef und jetzt Toro-Rosso-Eigner, sieht es genauso. "Das sind die Nachwirkungen der Schumacher-Ära", sagt er: "Er hat eine Lawine ausgelöst. Jeder Vater ist mit seinem Kind auf die Kart-Bahn. Und wenn sich viele Leute für einen Sport interessieren, dann lassen sich Gruppen bilden und Ausbildungen organisieren."

Bei Berger selbst war das noch anders. Er war ein Draufgänger, der mit allem, was sich bot, auf dem Hof der elterlichen Spedition umhersauste, bis er irgendwann entdeckt wurde. Seine erste Karriere war noch ein Zufallsprodukt. In seiner zweiten Laufbahn als Sportchef bekam er später mit, wie sich die Zeiten wandelten. Vor allem in Deutschland.

Auf der nächsten Seite: Formel-Wagen mit Motorradmotor, Ernährungsschule für den Nachwuchs und Ableger in Asien und Amerika.

Formel 1
:Alle Fahrer, alle Teams 2009

Die Formel 1 startet am Sonntag in Melbourne in die Saison 2009. Alle jagen Lewis Hamillton, den Weltmeister der vergangenen Saison. sueddeutsche.de zeigt alle Piloten im Überblick.

Als 1991 beim Großen Preis von Deutschland kein einziger Deutscher dabei war, startete der ADAC eine Nachwuchsformel. Die einfache Karosserie dafür gab es mit Motorradmotor für 29.000 Mark, der Aufwand war überschaubar. Als erster Sieger ging Christian Abt hervor, der sich später als Tourenwagen-Fahrer etablieren sollte.

Gut ausgebaute Wege

Zwei Jahre später wurde ein gewisser Ralf Schumacher Gesamt-Zweiter. Mit dem Aufschwung, den der Aufstieg seines älteren Bruders ein paar Jahre später der ganzen Szene bringen sollte, schwang sich auch die Nachwuchsserie auf. Ab 1997 baute BMW das Auto und lieh der Serie seinen Namen. Timo Glock (2001), Nico Rosberg (2002) und Sebastian Vettel (2003) brachten es dort zu Meisterehren, Adrian Sutil immerhin zu Achtungserfolgen.

In die Formel 1 führen viele Wege, in Deutschland sind die aber besonders gut ausgebaut. Unter den Fittichen der Autokonzerne und -klubs lernen die Teenager nicht nur, wie sich gegen Unter- und Übersteuern kämpfen lässt, auch Medien-, Fitness- und Ernährungsschulungen stehen für die 16-Jährigen an - so alt muss sein, wer einen Formel-Wagen lenken will. Das Alterslimit wurde in den Neunzigern gesenkt, um international mithalten zu können. Das ist mittlerweile erreicht. Und nicht nur das.

Asien und Amerika eifern nach

Das Modell ist so erfolgreich, dass BMW inzwischen Ableger der Nachwuchs-Serie in Asien und in Amerika aufgezogen hat und mit der hiesigen ab diesem Jahr europaweit als Rahmenrennen bei der Formel 1 antritt. Der Aufwand hat sich beträchtlich gesteigert. Gut 350.000 Euro sollte mitbringen, wer vorne fahren will. Trotzdem gingen schnell 26 Anmeldungen ein.

Damit hinter der Stufe keine Lücke entsteht, hat der ADAC für die ersten Schritte in Richtung Formel 1 mit Volkswagen ein neues Programm gestartet und bietet für 49.900 Euro plus Mehrwertsteuer einen kleinen Formel-Renner mit 160 PS an. Zunächst war an 16 Autos gedacht, inzwischen liegen mehr als 30 Bestellungen vor. Die Lawine rollt noch.

© SZ vom 12.03.2008/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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