Formel 1:Der Zögling an seiner Seite

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Es stellt sich die Frage, ob Sebastian Vettel seine beste Chance auf den Titel mit Ferrari vergeben hat. Allerdings war seine Fehlerquote auch Fehlern der Scuderia geschuldet, die er mit riskanterer Fahrweise ausgleichen wollte.

Von Philipp Schneider, Abu Dhabi/München

Fährt bald schneller: Charles Leclerc, beim Rennen in seiner Heimat Monaco noch auf dem Fahrrad unterwegs, mit seinem neuen Teamkollegen Sebastian Vettel. (Foto: Benoit Tessier/Reuters)

Von Respekt war viel die Rede in Abu Dhabi. Respekt hier, Respekt da. Sebastian Vettel brachte seinen Respekt gegenüber Weltmeister Lewis Hamilton zum Ausdruck; Hamilton lobte seinerseits den im WM-Duell unterlegenen Vettel für den anspruchsvollen Wettbewerb, den er ihm (zumindest bis zum Sommer) geboten habe. Vettel und Hamilton wiederum sprachen Fernando Alonso ihren Respekt aus, dem zweimaligen Weltmeister, der die Rennserie nun vorerst verlassen wird, um sich Herausforderungen zu stellen, bei denen er wieder gewinnen kann. Und aus Respekt voreinander tauschten Vettel und Hamilton erstmals ihre Helme. "Du hast einen kleinen Kopf", sagte Hamilton nach einer missglückten Anprobe, das stimmt, er trage "Größe S", bestätigte Vettel - ansonsten wäre so viel Respekt und Harmonie, ob inszeniert oder nicht, auch kaum auszuhalten gewesen.

Überhaupt ging es am Ende einer Saison in der Formel 1, in der sich zum ersten und wohl letzten Mal zwei viermalige Weltmeister duellierten, außergewöhnlich fröhlich zu. Auf der Pressekonferenz plauderten Hamilton und Vettel mit dem Red-Bull-Piloten Max Verstappen über die Frage, wie sie die Winterpause verbrächten.

Hamilton (kinderlos, d. Red.): Sebastian, wie wäre es mit noch einem Baby?

Vettel (Vater von zwei Töchtern): Weiß noch nicht. Das wäre ja schnell gemacht. Ich weiß ja, wie es geht.

Verstappen (kinderlos): Gib weiter Gas!

Vettel: Wie lang wollt ihr zwei denn noch mit dem Freien Training weitermachen?

Verstappen: Ich mag das Freie Training!

Doch auch die größte Blödelei konnte nicht jene Frage verdrängen, die seit Sonntag in bleischweren Lettern über Vettels Lebenslauf hängt: Was wäre, wenn Vettels Chance auf den ersehnten ersten Weltmeistertitel im Ferrari niemals wieder so groß sein wird wie in der abgelaufenen Saison?

Drei Faktoren bedingen neben dem eigenen Talent die Wettbewerbsfähigkeit eines Fahrers in der Formel 1: die Stärke des Autos. Die Schnelligkeit der Konkurrenz. Die Situation im eigenen Team. Zumindest in einer dieser Kategorien wird es 2019, wenn Vettel den fünften Anlauf unternimmt, mit Ferrari die Dominanz von Mercedes zu brechen, garantiert eine massive Verschiebung geben: Kimi Räikkönen, Vettels treuer und weitestgehend selbstloser Weggefährte, der schon seit einem Jahr da war, als Vettel 2015 von Red Bull zur Scuderia wechselte, wird nicht mehr an Vettels Seite sein, wenn im März die neue Saison beginnt. Vettel bekommt dann in Charles Leclerc einen zehn Jahre jüngeren, höchst talentierten Ferrari-Zögling an die Seite gestellt, der schon vor seiner ersten Rennrunde im roten Rennwagen frech verkündete, er werde um die Weltmeisterschaft fahren, sollte ihm Ferrari ein weltmeisterschaftstaugliches Auto zur Verfügung stellen. Und davon ist ja durchaus auszugehen.

Die Öffentlichkeit ging zuletzt hart ins Gericht mit Vettel. Auch aus den Reihen der Ehemaligen der Rennserie kam Kritik. "Michael Schumacher hat Ferrari auf seine Schultern genommen und das Team aus der Krise geführt. Er war ein Leader. Vettel ist nicht so", sagte Bernie Ecclestone, der frühere Chef der Rennserie. Die italienischen Medien berichteten in den vergangenen Wochen mit Vorliebe über eine Ausstiegsklausel im Vertrag mit Vettel, von dem Ferrari Gebrauch machen solle. Weil Vettel zu viele individuelle Fehler unterlaufen seien. "Was wollt ihr von mir, soll ich ihn vielleicht feuern?", raunzte Teamchef Maurizio Arrivabene in Abu Dhabi die Reporter an. Vettel werde bei Ferrari nicht geliebt, meinte Ecclestone. Und auch Vettel selbst machte Andeutungen, dass die Unterstützung aus den eigenen Reihen aus seiner Sicht gerne etwas zunehmen könnte. "Wir müssen uns jedes Detail anschauen und als Gruppe gestärkt nächstes Jahr zurückkommen", sagte er.

Alles Anzeichen, dass es für Vettel in Zukunft eher schwieriger werden wird. Andererseits ist es so: Vettels enorme Fehlerquote war in diesem Jahr auch strategischen Fehlern der Scuderia geschuldet, die er mit riskanterer Fahrweise auszugleichen versuchte. "Worauf ich mich wirklich freue, ist, mal alles runterzufahren. Ich brauche mal ein bisschen Zeit für mich selbst", sagte er zum Abschied.

Vielleicht hilft ihm im Winter der Gedanke daran, dass Michael Schumacher seinen ersten Titel mit Ferrari auch erst in seinem fünften Jahr holte.

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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