Formel 3:Erbe mit Superlizenz

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Mick Schumacher gewinnt die Formel 3 - sein erster großer Titel. Das Interesse der großen Teams ist längst geweckt.

Von Anna Dreher, Hockenheim

Die Erleichterung ist deutlicher zu sehen gewesen am Sonntag. Dabei war der Druck schon von ihm abgefallen. Aber Mick Schumacher nimmt seinen Beruf sehr ernst. Und die Saison war eben nicht vorbei am Samstag. Entschieden hingegen schon - von ihm. Der Sohn von Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher hat auf dem Hockenheimring den ersten großen Titel seiner Karriere gewonnen: die Europameisterschaft der Formel 3, als erster Deutscher.

Nachdem er die erste Chance zum Auftakt der drei Rennen an diesem Finalwochenende durch eine Kollision verpasst hatte, machte er sich wenige Stunden später als Zweiter zum Sieger. Sein Vorsprung auf den Briten Daniel Ticktum (Team Motopark) betrug vor dem letzten Lauf uneinholbare 51 Punkte. Acht Mal in dreißig Rennen konnte Schumacher in dieser Saison gewinnen und sich in der Gesamtwertung mit einem erneuten zweiten Rang zum Abschluss am Sonntag mit 365 Punkten vor seinem Rivalen (306) durchsetzen.

"Gestern war noch eine Nacht gewesen, wie vor jedem anderen Renntag auch, weil ich heute eine gute Leistung zeigen wollte", sagte der stets höflich auftretende 19-Jährige nach der Siegerehrung, durchnässt von Champagner. "Aber heute Nacht werde ich sicher sehr gut schlafen." Es war ein Arbeitssieg, das hat Schumacher am Hockenheimring immer wieder betont. Erst im 15. Rennen konnte er mit seinem italienischen Team Prema erstmals gewinnen. An einem Ort, der für seine Familie eine besondere Bedeutung hat: In Spa-Francorchamps, wo sein Vater zum ersten Mal ein Rennen in der Formel 1 fuhr und später zum ersten Mal gewann, sicherte sich Mick Schumacher seinen ersten Sieg in der Formel 3.

Zweieinhalb Monate später konnte er die letzten Meter auf der Zielgeraden besonders genießen. Immer wieder streckte er die Faust aus dem Cockpit in die Luft. Und als er sein Auto geparkt hatte, stellte er sich darauf, breitete die Arme aus und ballte noch einmal die Faust: "Ich habe es mir nicht so schön vorgestellt, wie es jetzt ist. Ich bin einfach baff. Es ist schwer zu beschreiben, was mir der Titel bedeutet. Das ist das beste Gefühl, das man haben kann." An der Strecke waren auch Mutter Corinna und Schwester Gina-Maria. Auf der Tribüne jubelten Zuschauer in Fan-Shirts mit Plakaten, auf denen Fotos von Mick, aber auch von Michael Schumacher zu sehen waren. Fernsehkameras zeigten teils ergriffene Gesichter. Sogar aus Brasilien waren Journalisten gekommen. "Es ist unglaublich, dass so viele extra für mich angereist sind", sagte Schumacher. "An die Aufmerksamkeit muss ich mich noch gewöhnen."

Die Erwartungen an das Talent waren immens und werden immens bleiben. Nicht zuletzt, weil er sie nun vorerst erfüllt hat. Den größten Druck allerdings dürfte er sich selbst machen. In einem Interview mit der BBC hatte Schumacher junior seinen Vater als großes Idol bezeichnet: "Er hatte einen großen Einfluss auf mich. Ich verfolge alles, was er gemacht hat, und versuche, etwas davon für mich zu übernehmen. Wie ich heute fahre, hat viel mit ihm zu tun." In der Boxengasse hatte sich Schumacher ergriffen durch das Visier seines Helmes ins Gesicht gefasst und in diesen emotionalen Stunden immer wieder tief durchgeatmet. 1989 war Michael Schumacher mit einem Punkt Rückstand auf den Sieger in der deutschen Formel 3 Dritter und eine Saison später schließlich mit 21 Jahren Meister geworden. 1991 begann seine Rekordzeit in der Königsklasse.

Michael Schumacher, 49, der bei einem Skiunfall vor bald fünf Jahren schwere Kopfverletzungen erlitt, wurde zu einer Sportlegende. Faszination löste er weit darüber hinaus aus. Der Hype, der sich in der 19 Jahre langen und von sieben Weltmeistertiteln gekrönten Karriere weltweit um den Superstar entwickelte, strahlt auf seinen Sohn ab. Nico Rosberg und Damon Hill sind die einzigen Formel-1-Piloten, die wie ihre Väter Weltmeister wurden. Mick Schumacher, das glauben viele, könnte eines Tages ebenso zu diesem exklusiven Klub gehören. Die nötigen 40 Punkte für die Superlizenz, die einen Start in der Formel 1 ermöglicht, hat er nun beisammen. Wahrscheinlicher aber gilt ein Start in der Formel 2 oder der japanischen Superformel. Wie es weitergeht, werde sich in den kommenden Wochen zeigen, sagte er zu den Spekulationen um seine Zukunft.

Die Kontakte in die von ihm angestrebte Serie sind eng: Von Mercedes wird Schumacher gefördert, und auch Ferrari - mit Michael fünf Mal Weltmeister - hat ihn im Blick. "Wie könnte Maranello zu diesem Namen Nein sagen?", fragte neulich Maurizio Arrivabene, Teamchef der Scuderia. "Unsere Tür ist immer offen. Die Geschichte, die Ferrari mit diesem Namen verknüpft, ist eine besondere." Die Begeisterung machte sich am Wochenende auch in Italien breit, die Gazzetta dello Sport schrieb: "Im Namen des Vaters: Hockenheim hat einen historischen Tag erlebt. 14 Jahre nach dem letzten WM-Titel des Vaters in der Formel 1 gibt es einen Erben in der Schumacher-Dynastie. Das Leben geht nach Michaels Unfall weiter. Mick wächst und siegt."

Links und rechts am Auto Mick Schumachers klebt gut sichtbar: "Keep fighting", kämpf weiter! Eine Hommage an seinen Vater. Dass auch er kämpfen kann, hat der Sohn längst bewiesen.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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