Formel 1:Hamilton-Stupser vermiest Rosberg das Rennen

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Nico Rosberg: Schweres Rennen in Kanada (Foto: AFP)

Beim Start in Montréal touchiert Lewis Hamilton Nico Rosberg, der Deutsche fällt weit zurück. Am Ende lacht Hamilton - und auch Sebastian Vettel.

Von René Hofmann, Montréal/München

Kurz vor dem Ziel versuchte es Nico Rosberg noch einmal. Der Mercedes-Fahrer attackierte Max Verstappen im Red Bull. Beherzt setzte Rosberg sich neben den jungen Niederländer. Mutig wählte er einen späten Bremspunkt. Aber es half alles nichts: Sein Auto brach aus. Rosberg hatte große Mühe, es abzufangen und überhaupt weiterfahren zu können. Verstappen jagte weiter, der karierten Flagge entgegen. Er passierte sie als Vierter. Als Rosberg als Fünfter an dem finalen Signal vorbeikam, waren die Sieger schon fast im Parc fermé. Die Sieger des Tages hießen Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und Valtteri Bottas. Der Titelverteidiger im Mercedes sicherte sich seinen zweiten Saisonerfolg, gejagt von Sebastian Vettel im Ferrari und aus der Distanz beobachtet vom finnischen Williams-Lenker Valtteri Bottas.

"Fly like a butterfly - sting like a bee": Im Ziel widmete Hamilton den Erfolg seinem Idol Muhammad Ali. Mit dem Tanz eines Schmetterlings hatte seine Triumphfahrt allerdings wenig gemein. Hamiltons großer Vorteil: Anders als Vettel musste er auf den 70 Runden nur einen Boxenstopp absolvieren. Mit einer Ausdauerleistung hatte er den Rivalen auf Distanz gehalten, der ihm an diesem Nachmittag am unangenehmsten hätte werden können. Dem, den er in der Gesamtwertung jagt, hatte er allerdings wirklich einen Stich versetzt wie eine Biene: seinem Teamkollegen Rosberg.

Die Szene ereignete sich direkt nach dem Start. Als die Lichter erloschen, nutzte Vettel die Kraft seines neuen Turbo-Moduls, um die Mercedes-Fahrer zu überrumpeln, die vor ihm Aufstellung bezogen hatten. Vettel schob sich außen herum an den beiden silbernen Autos vorbei, womit er sich nicht nur die Führung sicherte, sondern auch die Ideallinie für die erste Kurvenkombination. Dort müssen die Fahrer in Montréal erst stark nach links und kurz darauf stark nach rechts lenken.

Den ersten Lenkeinschlag nutzte Hamilton, um sein Auto weit nach außen tragen zu lassen - dorthin, wo sein Teamkollege einen Weg durch das Geschlängel suchte. Rosberg konnte nicht anders: Die beiden touchierten sich leicht. Um einen größeren Crash zu vermeiden, wich Rosberg aufs Gras neben der Kurve aus, wo er viel Zeit verlor. Auf dem Asphalt zurück war er nur noch Neunter; Rosbergs Siegchancen waren in dem Moment dahin.

"Wir waren Seite an Seite. Ich musste versuchen, außen herum an Lewis vorbeizukommen. Dann hat er mich wieder touchiert, so dass ich von der Strecke fahren musste", beschrieb Rosberg die Begegnung mit Hamilton aus seiner Sicht. "In dem Moment war ich extrem sauer", gab Rosberg zu. Das Wort "Schuld" aber wollte er nicht in den Mund gelegt bekommen. "Letztlich ist das Rennsport", sagte er, "das nächste Mal muss ich schauen, dass ich ihn rausschicke."

"Eine wirklich knackige Situation" urteilte Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda, eine Schuldzuweisung an Hamilton aber wollte auch er nicht formulieren: "Ich würde sagen, das war ein normaler Start", sagte der dreimalige Weltmeister. Mehr als über das Gegeneinander seiner Fahrer staunte Lauda über Vettels Blitz-Auftakt. "Wie eine Rakete" sei der losgebraust, so Lauda, "da kann man nur gratulieren".

Für Vettel bedeutete das Wochenende die Rückkehr in den Windschatten der Favoriten. "Das hat viel Spaß gemacht. Es ist schön zu sehen, dass das Auto jetzt leistungsfähig ist", schwärmte Vettel. Für Nico Rosberg war es das dritte Rennen nacheinander, bei dem er nicht zur Siegerehrung geladen wurde. In Barcelona waren er und Hamilton wegen einer Kollision in der ersten Runde ausgefallen. In Monte-Carlo hatte Rosberg das Tempo, das Hamilton und Daniel Ricciardo im Red Bull anschlugen, nicht mitgehen können. Vor dem achten von geplant 21 Rennen 2016, das am kommenden Sonntag um 15 Uhr deutscher Zeit in Baku/ Aserbaidschan stattfindet, führt Rosberg die WM-Wertung zwar immer noch an. Aber sein Vorsprung ist von 43 Punkten nach seinen vier Siegen zum Saisonstart zusammengeschrumpft auf neun.

Noch gibt sich der 30-Jährige, der aktuell mit den Mercedes-Gewaltigen über einen neuen Vertrag verhandelt, öffentlich gelassen. "Das war zu erwarten", sagte Rosberg in Kanada über Hamiltons Aufholjagd, "ich habe nicht gedacht, dass ich jetzt immer gewinne." Der Umschwung des Formpendels aber ist durchaus deutlich. Schon in der Qualifikation musste Rosberg auf dem Circuit Gilles-Villeneuve Hamilton den Vortritt lassen - und das, obwohl der Brite keineswegs makellos gefahren war. In seinem finalen Qualifikationsversuch aber hatte Rosberg noch gravierender gepatzt. "Das ist eine Riesenenttäuschung", fasste er zum Abschied aus Nordamerika sein Wochenende zusammen.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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