Formel 1 - Großer Preis von Belgien in Spa:Blond in die Mutkurve

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Blond wie nie: Sebastian Vettel am Rande der Rennstrecke im belgischen Fra-Francorchamps. (Foto: dpa)

Sebastian Vettel kehrt mit gebleichtem Haar aus dem Urlaub zurück, Lewis Hamilton ruft zum Gebet für seinen kranken Hund auf: Das Formel-1-Rennen in Spa verspricht Unterhaltung auf und abseits der Renntrecke. Der Kurs ist berüchtigt - wegen Vollgaskurven und wegen des unberechenbaren Wetters.

Von Michael Neudecker, Spa-Francorchamps

Er sei doch nur hier, um Rennen zu fahren, sagte Sebastian Vettel irgendwann, aber das ist natürlich Unsinn. Vettel ist Formel-1-Fahrer, die Formel 1 ist eine Mischform aus Entertainment und Sport, und da spielt alles eine Rolle, auch die Frisur.

Der Sebastian sei genervt, richtig genervt, sagte am Freitagvormittag jemand aus seinem Umfeld, das kann man nachvollziehen, es war ja erstaunlich, dass die Sache mit der Blondierung auch am Freitag noch ein Thema im Fahrerlager von Spa war, aber so ist das nun mal, wenn man mit fast wasserstoffblondem Haar aus dem Urlaub zurückkehrt.

Als ihn die anderen Fahrer am Donnerstag bei der Pressekonferenz sahen, sagten sie zu ihm: Wie siehst du denn aus? Ein wenig lustig sieht er aus, vor allem dann, wenn Vettel neben seinem finnischen Physiotherapeuten Heikki Huovinen durchs Fahrerlager geht, beide in Teamkleidung, beide mit Finnenfrisur, sie sehen von weitem aus wie zwei Versionen des selben Menschen.

Die Sonne sei der Grund für die Färbung, sagte Vettel, und damit sollte es auch gut sein mit der Frisursache. Es wird ja wirklich ein Rennen gefahren am Sonntag in Spa, und zwar nicht irgendeines.

"An der Kuppe siehst du nur den Himmel"

Der in den Zwanzigerjahren gebaute Kurs in den Ardennen Belgiens ist der längste im aktuellen Rennkalender, knapp über sieben Kilometer lang, und er hat eine Kurvenkombination, die es nirgendwo anders gibt. Sie heißt Eau Rouge, benannt nach dem Fluss in der Region zwischen Spa und Francorchamps, wo die Rennstrecke ins Gelände eingebettet ist, und die Fahrer müssen jedes Jahr erzählen, wie das ist, durch diese Links-Rechts-Kurve zu fahren. Wie sie mit 300 km/h bergab heranfliegen, nach einem kurzen Linksknick dann mit 18 Prozent Steigung eine lange Rechtskurve bergauf fahren, und wenn sie oben sind, folgt noch eine Linkskurve.

"An der Kuppe siehst du einen Moment lang nur den Himmel", sagt Nico Hülkenberg; "du merkst, wie du im Sitz nach unten gedrückt wirst", sagt Adrian Sutil. Die Eau Rouge erhebt sich gleich neben dem Fahrerlager, ein paar Tonnen Asphalt, die es irgendwie hinkriegen, anmütig auszusehen und bedrohlich zugleich.

Im Gegensatz zu früher fahren die Autos die ganze Rechtskurve lang Vollgas, das nehme der Kurve zwar ein wenig von ihrer Faszination, sagen manche Fahrer, aber es gebe ja in Spa noch andere Kurven, sagt Sebastian Vettel, er sagt: "Mutkurven". Zum Beispiel die Pouhon, wo die Autos dem Vollgas so nahe wie möglich kommen sollten, aber eben nicht ganz nahe kommen dürfen. Da, sagt Vettel, "muss man die Pobacken zusammenkneifen".

Die Pobacken sind in der langen Geschichte dieses Rennens sehr oft zusammengekniffen worden, viel ungewöhnliches ist schon passiert in Spa, Michael Schumacher und Mikka Häkkinen haben hier einmal den Brasilianer Ricarto Zonta bei Tempo 300 gleichzeitig überholt, einer rechts, einer links, ein anderes Mal kollidierte Schumacher im strömenden Regen derart mit David Coulthard, dass er danach mit drei Reifen weiterfuhr bis zur Box, aus dem Auto ausstieg und so voller Wut auf Coulthard zustürmte, dass ihn die Mechaniker zurückhalten mussten. Und im vergangenen Jahr flog Romain Grosjeans Rennwagen knapp über Fernando Alonsos Kopf hinweg, danach gab es eine große Sicherheitsdebatte in der Formel 1.

Für Samstag und Sonntag sind Regenfälle angekündigt

Spa ist berüchtigt, aber nicht nur wegen der Streckenführung, seiner schnellen Geraden und herausfordernden Kurven. Sondern auch: wegen des Wetters. Das Wetter in Spa ist unberechenbar, denn die Ardennen sorgen für ein eigenes Mikrolima. Für Freitag waren von den Wetterdiensten bei leichter Bewölkung Sonne und 24 Grad vorhergesagt, es regnete dann bei Temperaturen um die 17 Grad. Das erste freie Training war an manchen Stellen ein einziges Gerutsche, erst zum zweiten Training kam auch mal die Sonne vorbei.

Für Samstag und Sonntag sind weitere Regenfälle vorhergesagt, weder das Qualifying, noch das Rennen dürften auf trockener Strecke stattfinden. Es gibt also wieder viel zu besprechen in Spa, seriöses wie die Eau Rouge und das Wetter, weniger seriöses wie Vettels Frisur und die Aufrufe von Lewis Hamilton, für seinen an Lungenentzündung erkrankten Hund zu beten, und dann noch das nicht enden wollende Spekulieren am Fahrermarkt, dem Red-Bull-Teamchef Christian Horner am Donnerstagabend eine weitere Note hinzufügte, als er eine Tüte Chips essend davon sprach, dass die Entscheidung über Vettels neuen Teamkollegen offener sei denn je. Räikkönen? Alonso? Ricciardo? Oder gar der nun offenbar ebenfalls wechselwillige Jenson Button? "Wir prüfen sorgfältig all unsere Optionen", sagt Horner grinsend, "und wir haben mehr Optionen, als ihr denkt."

Es gab schon langweiligere Rennwochenenden nach dem Ende der Sommerpause.

© SZ vom 24.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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