Formel 1:"Der gehört in die Psychatrie"

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Nach den waghalsigen Manövern des 18 Jahre alten Max Verstappen diskutiert die Formel 1, wie viel Risiko sich ihr größtes Talent leisten darf.

Von Elmar Brümmer, Spa-Francorchamps

Schnappatmung, das kennt man gar nicht von Christian Danner, dem besonnenen Formel-1-Kommentator von RTL. Aber der ehemalige Rennfahrer konnte sich gar nicht beruhigen nach den Spielchen, mit denen Max Verstappen beim Großen Preis von Belgien die Angriffe von Kimi Räikkönen pariert hatte. "Dafür gehört er gesperrt", echauffierte sich Danner, nachdem der Niederländer mehrfach die Linie gewechselt hatte und dann plötzlich auf die Bremse stieg.

Mad Max ist wieder da.

Der jüngste Fahrer war am Wochenende in Belgien das große Thema, obwohl er nur Elfter geworden war. Unten in der Boxengasse verlor Niki Lauda nach dem Rennen ebenfalls die Contenance. Er hatte gerade einen Interviewschnipsel gesehen, in dem Verstappen zugegeben hatte, mit "Wut im Bauch" gefahren zu sein, nachdem Räikkönen ihm in der ersten Runde das Rennen zerstört hatte. Nach Einsicht klang das nicht: "Ist mir egal, wie andere das sehen", sagte Verstappen. Lauda empfahl umgehend eine Therapie: "Ehrlich, der gehört in die Psychiatrie. Rennfahrer müssen Profis sein, die sich nicht unnötig gefährden." Moderator Florian König wollte beschwichtigen, Verstappen sei nun mal erst 18, und die große Kulisse, die nach seinem zweiten Startplatz einen Sieg erwartet hatte, habe ihn vielleicht unter Druck gesetzt. Was Laudas Wut zusätzlich anschwellen ließ: "Nur weil so viel Holländer da sind, hat er kein Hirn mehr? Das kann nicht sein."

"Einfach lächerlich": Kimi Räikkönen (re.) wurde in Belgien mehrmals von Max Verstappen (li.) ausgebremst - und beschwerte sich anschließend wortreich. (Foto: imago)

Das größte Talent der Formel 1 polarisiert schon länger wie ein Champion. Vor seiner Beförderung zu Red Bull Racing im Frühjahr hatte er im internen Kampf mit Carlos Sainz junior fast den Rennstall von Toro Rosso zerrissen. Einen größeren Egoisten gibt es im ganzen Fahrerlager nicht, sagen sie. Verstappen selbst urteilte über die Vorfälle in Spa, mit einer Mischung aus Unschuld und Arroganz: "Es war am Limit, aber kein Problem. In ein, zwei Stunden habe ich das wieder vergessen."

Bei den Kollegen erkalteten die Erinnerungen nicht ganz so schnell. Ferrari fühlte sich um zwei Podiumsplätze gebracht, weil Verstappen sich nach seinem verschlafenen Start in die erste Kurve zwängte, auf der Innenbahn - und prompt er, Räikkönen und Sebastian Vettel in einer Kettenreaktion kollidierten und alle Chancen einbüßten. Es ist schwierig, in solch kniffeligen Situationen in der Königsklasse des Motorsports auf Straßenverkehrsregeln zu pochen - die Rennleitung leitete dann auch keine Ermittlungen ein. Was verwundert, neuerdings werden oft schon Kleinstdelikte bestraft. Aber die Fans verlangen nach freiem Fahren, und die Formel 1, die um den Zuspruch der Zuschauer kämpft, braucht Fahrer, die polarisieren und provozieren, böse Buben wie Verstappen.

"Es war am Limit, aber kein Problem. In ein, zwei Stunden habe ich das wieder vergessen": Max Verstappen, 18, gibt sich nach seinen Manövern in Spa unbeeindruckt. (Foto: Loic Venance/AFP)

Kimi Räikkönen könnte darauf freilich verzichten, der ehemalige Weltmeister ist schon mehrfach mit dem Niederländer aneinandergeraten. Nachdem Verstappen in Belgien nun mehrmals vor Räikkönen unerlaubt die Spur gewechselt hatte, schimpfte der über den Boxenfunk: "Lächerlich, einfach lächerlich!" Und wenn der schweigsame Finne von sich aus spreche, sagte Weltmeister Lewis Hamilton, dann müsse da in jedem Fall was dran sein. "Ich habe nichts gegen hartes Rennfahren", ergänzte Räikkönen, "aber es kann nicht sein, dass ich auf der Geraden eine Vollbremsung machen muss, um einen Crash zu vermeiden. Er hat immer erst die Linie gewechselt, nachdem ich meine Attacke gestartet habe. So was habe ich noch nie erlebt." Auf diese Art hatte sich Verstappen schon im Vorjahr seinen Ruf als Rüpel erarbeitet.

Wenn die Fahrer in den Freitagsbriefings derartige Störfälle unter sich klären, so wird erzählt, gebe Verstappen den reuigen Sünder. Aber kaum sei die Standpauke vorbei, verlasse er grinsend den Saal. "Er hat keine Angst und keinen Respekt. Das erinnert mich an die großen Fahrer wie Hamilton oder Senna. Man merkt auch, dass sich die anderen mittlerweile zweimal überlegen, wie sie ihn überholen sollen", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Nur: "Er fährt brutal, und ist bisher nicht dafür bestraft worden", so Wolff, "ich habe nur die Befürchtung, dass es irgendwann mit einem heftigen Unfall in der Mauer endet. Wir sind nicht mehr weit weg davon. Sein Ungestüm ist erfrischend, aber auch gefährlich."

Sebastian Vettel stellte als einer der Sprecher der Fahrergewerkschaft GPDA sogar die Vertrauensfrage: "Was Max macht, ist grenzwertig. Wenn man bei Tempo 340 anfängt, auf der Bremse zu zucken, geht das immer nur so lange gut, wie der andere mitspielt. Wir haben das schon mal angesprochen, vielleicht müssen wir es noch mal tun." Verstappen bezeichnete derweil Vorwürfe, er habe mit seinen Manövern in Spa Unfälle provoziert, als "große Lüge". Er habe bloß seine Position verteidigt, "wenn das jemandem nicht gefällt, dann ist das sein Problem." Red-Bull-Teamchef Christian Horner lässt ihn jedenfalls an der langen Leine, er hat Verstappen für den Großen Preis von Italien am kommenden Wochenende nur einen Rat erteilt: "Er soll besser niemand erzählen, wo er in Monza übernachtet. Da könnte es ein paar verärgerte Italiener geben . . ."

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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