Formel 1:Besser dröhnen

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Nebelmaschine: Lewis Hamilton vollführt mit seinem Auto einen kleinen Reifentanz zur Feier des vierten WM-Titels. 2018, sagt er, „möchte ich Nummer fünf“. (Foto: dpa)

Lewis Hamilton hadert mit dem Rennen, das ihm den vierten Titel einbrachte. Auf die Zukunft freut er sich aber.

Von Philipp Schneider, Mexiko-Stadt

Zu den vielen Begabungen des Lewis Hamilton gehört jene, stets imstande zu sein, die richtige Rede zum richtigen Zeitpunkt zu halten. Mit Hamiltons Reden verhält es sich also komplett anders als mit seinen Veröffentlichungen in den sozialen Netzwerken, wo er mitunter schon Videos teilte (und kurz darauf wieder löschte), in denen ein Hund in sportlich lasziver Pose auf einer Puppe herumturnt, die erstaunliche Ähnlichkeit hatte mit dem US-Präsidenten Donald Trump. Sei's drum. Hamilton ist schließlich ein Mann des Wortes und nicht der Videos. Für so einen gilt: Je größer der Anlass, desto bedeutender die Ansprache.

Und so begab es sich, dass Hamilton seine wohl programmatischste Rede am Sonntagnachmittag hielt, auf dem Areal des Autódromo Hermanos Rodríguez in Mexiko Stadt, nachdem er gerade seinen vierten Weltmeistertitel auf durchaus kuriose Weise erkämpft hatte. Vier Weltmeisterschaften haben in der Geschichte der Formel 1 außer ihm nur Sebastian Vettel und Alain Prost vorzuweisen. Ein Titel trennt ihn noch von der Lebensleistung des Juan Manuel Fangio, drei weitere von der des Michael Schumacher. In so einem Moment darf ein Rennfahrer gerne mal mit dem Messer ans Glas klopfen.

Hamilton aber dachte in seiner Rede nun nicht an die Vergangenheit des Rennsports, er befasste sich mit dessen Zukunft. Die Formel 1, sagte er, stehe nie still. "Es gibt immer einen, der deine Stellung begehrt." Und dieser eine Ehrgeizling, an den Hamilton dachte, war nicht wirklich Vettel. Es war Max Verstappen. Der 20-jährige Red-Bull-Pilot, der den soeben beendeten Großen Preis von Mexiko gewonnen hatte, nachdem sich die favorisierten Hamilton und Vettel nach einem erstaunlich einvernehmlichen Crash nach dem Start ans Ende des Feldes verabschiedet hatten. "Max sitzt nur da und wartet darauf, alles an sich zu reißen", sagte der Brite. "Also muss ich das Spiel auf ein neues Niveau heben, um vor ihm zu bleiben. Und das ist meine Motivation für das nächste Jahr."

Das waren keine allzu guten Nachrichten für die Konkurrenz. Nicht für Vettel und die gedemütigte Scuderia, die ja schon auf dem alten Niveau nur bis zum drittletzten Rennen hatte mitspielen können. Mit fairen Worten gratulierte Vettel dem neuen Weltmeister. "Er hat es verdient. Er hatte die bessere Saison. Er war der bessere Mann", sagte er. "Wir hatten einen fairen Kampf, wir hatten beide sehr gute Autos. Ich will seine Leistung nicht mit irgendeinem Zitat schmälern."

Das Zitat, mit dem Vettel Hamiltons Leistung hätte schmälern können, hätte etwa so aussehen können: "Wir hatten beide sehr gute Autos. Aber meins war im Gegensatz zu seinem ständig kaputt." Hat Vettel aber nicht gesagt. Also blieb alles friedlich.

Hamilton wirkte in seiner Rede, die er in einem Zustand hielt, den er als "schwebend" bezeichnete, merkwürdig entrückt. "Die Formel 1 ist der Gipfel des Sports, aber es bedeutet nicht, dass man nicht immer noch große Dinge tun kann", war eine seiner Verkündungen. Ansonsten bewies er großes Geschick, seine eigene Größe zu potenzieren, indem er die seines ärgsten Kontrahenten verklärte. "Das war wohl mein am härtesten erkämpfter Titel nach dem ersten von 2008. Denn ich hatte massive Konkurrenz durch das Team, das von allen als das beste eingeschätzt wurde", sagte er. Ähnlich sah das auch Toto Wolff, sein Chef bei Mercedes. Die Silberpfeile feierten unter Wolffs Anleitung bereits den achten Titel in vier Jahren: viermal die Fahrer-, viermal die Konstrukteurs-WM. Die vergangene sei die "härteste Weltmeisterschaft überhaupt" gewesen, meinte Wolff.

Mit etwas Wehmut beklagte Hamilton lediglich den Hergang jenes Rennens, das seinen Namen in den Geschichtsbüchern eine Zeile nach oben rücken ließ neben die von Vettel und Prost. Ein neunter Platz hatte ihm genügt, weil Vettel nach dem gemeinschaftlichen Crash zu Rennbeginn nur Vierter geworden war. "Ehrlich gesagt, war es eine schreckliche Art, es so zu schaffen." Er wird es eines Tages sicher vergessen haben, auf seinem Weg zu den anvisierten noch höheren Weihen ("Jetzt möchte ich Titel Nummer fünf!") in einem Spiel, das er dominiert hat in dieser Saison.

Und dessen Regeln sich vom Jahr 2021 an ändern sollen. Die Motoren sollen billiger und lauter werden, so sieht es ein am Dienstag verkündeter Entwurf der Formel-1-Rechteinhaber und des Motorsportweltverbands FIA vor. Auf den ersten Blick ändert sich wenig: Der bisherige 1,6-Liter-V6-Turbomotor soll weiter in Betrieb bleiben. Allerdings fällt die komplexe MGU-H weg, jene Elektromaschine im Abgasstrang, die wie ein Schalldämpfer wirkt und die Kosten nach oben treibt. Damit die Formel 1 wieder schön dröhnt, soll das Drehzahllimit von derzeit 15 000 pro Minute auf 18 000 steigen. Das gefällt nicht nur Hamilton, sondern auch Vettel. Der hatte 2014 die Einführung des kleineren, umweltfreundlicheren Motors hart kritisiert. "Ich denke, der Sound ist scheiße", sagte Vettel. "Leider mache ich die Regeln nicht, sonst hätten wir einen schönen V12 im Heck, und die Batterien wären im Handy, wo sie hingehören."

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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