Football:Zu berauscht von sich selbst

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Der Quarterback Johnny Manziel ist erst 22 Jahre alt, doch seine Eskapaden reichen an die von Sportlegenden wie George Best heran. Einen kleinen Unterschied gibt es: Manziel spielt nicht gut genug.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt diese wunderbare Geschichte über Hennes Küppers und Rudi Brunnenmeier. Die beiden waren nicht nur begabte Fußballer beim TSV 1860 München, sie waren auch begnadete Trinker in der Kneipe Zwickmühle. Weil der damalige 1860-Trainer Max Merkel den beiden erklären wollte, dass ein Mensch nicht gleichzeitig erfolgreich beim Saufen und Fußballspielen sein kann, ließ er sie im Training gemeinsam mit anderen talentierten Trinkern gegen die Abstinenzler antreten. "Die Alkoholiker haben 8:1 gewonnen", erklärte Merkel später, ,,do hob i g'sagt: Sauft's weiter!"

Wenn sich die Menschen heutzutage solche Geschichten erzählen, dann schwingt dabei immer ein bisschen Wehmut mit, weil Sportler mittlerweile eher Schwiegersöhne denn Schlawiner zu sein scheinen, eher Sportbeamte als Rockstars. Nach diesen Geschichten, sie handeln etwa vom Formel-1-Fahrer James Hunt, wie der vor dem Gewinn der Weltmeisterschaft in einem Hotel in Japan innerhalb von zwei Wochen mit 33 Stewardessen geschlafen hat. Oder vom Baseball-Werfer Dock Ellis, der einst auf LSD einen No-Hitter geschafft hat. Nach diesen Geschichten werden die besten Sprüche des englischen Fußballers George Best rezitiert, die Top drei dabei sind übrigens: "Früher bin ich oft missen gegangen: Miss England, Miss Kanada, Miss World." Und: "Die haben innerhalb von zehn Stunden 40 Pints in mich geschüttet. Damit haben sie meinen Rekord um 20 Minuten verbessert." Und natürlich: "Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach verprasst."

Nicht immer nur auf Football fokussiert: Johnny Manziel. (Foto: Charles LeClaire/USA Today Sports)

Betüddelt auf einem aufblasbaren Schwan

Wer nun glaubt, dass es solche Typen heutzutage nicht mehr gibt, der scheint sich nicht für die Sportart Football zu interessieren - was schade ist, schließlich ist das eine faszinierende Disziplin. Außerdem gibt es dort einen Typen, der Johnny Manziel heißt. Der ist gerade mal 22 Jahre alt, hat aber gute Chancen, dass über ihn mal Geschichten erzählt werden wie jetzt über Brunnenmeier und Hunt und Best.

Bereits an der Universität (Texas A&M) galt er nicht nur als talentierter Spielmacher, sondern auch als Partyhengst mit Eisenleber. Als er im Jahr 2014 vom Profiteam Cleveland Browns ausgewählt wurde, feierte er erst einmal ein paar Tage durch und provozierte ein paar skurrile und für den Beobachter durchaus witzige Fotos: Auf einem liegt er betüddelt auf einem aufblasbaren Schwan und saugt Champagner aus einer Flasche. Auf einem anderen tut er so, als wären 50.000 Dollar Bargeld sein Handy. Und es gibt eines von ihm in einem Club in Las Vegas, während sich die Kollegen auf die Saison vorbereiten.

Schmerzhaft: Johnny Manziel ist von Trainer Mike Pettine zum dritten Spielmacher des Vereins degradiert worden. (Foto: Don Wright/AP)

Nach der Spielzeit begab er sich in Entzug und behauptete, seinen Beruf nun ernst nehmen zu wollen.

In der Quarterback-Liste dieser Saison nur auf Platz 33

Im Sommer dann bewirft er erst einen Fan mit einer Wasserflasche, nach dem Saisonstart wird er von der Polizei befragt, weil er seine Freundin geschlagen haben soll - er ist betrunken. Er darf jedoch immer wieder von Beginn an für die Browns auflaufen, weil sich Konkurrent Josh McCown verletzt hat und bislang außerdem eher unterdurchschnittliche Leistungen zeigte. Die Bühne ist bereitet für eine weitere Sportlergeschichte wie jene, dass der betrunkene Basketball-Star Michael Jordan vor 20 Jahren immer wieder seinen noch betrunkeneren Kollegen Dennis Rodman aus einem Casino in Las Vegas zerren musste, damit die beiden ihren Flug zum Spiel in Chicago nicht verpassten. Oder die über Spieler der Dallas Cowboys, angeführt von Michael Irvine, die in den 90er Jahren im so genannten "White House" wilde Partys feierten und dennoch die Meisterschaft gewannen.

1860 München gewann auch dank Küppers und Brunnenmeier die Meisterschaft, so wie die Chicago Bulls dank Jordan und Rodman, die Dallas Cowboys dank Irvine, die Pittsburgh Pirates dank Ellis und Manchester United dank Best. Und natürlich wurde Hunt nach den Spielereien mit den Stewardessen Weltmeister.

Genau darin jedoch liegt das Problem in der Heldensage um Manziel: Die Browns haben in dieser Saison gerade mal zwei von zehn Spielen gewonnen, und in der für Quarterbacks bedeutsamen Statistik "Passer Rating" liegt er mit einem Wert von 88,4 nur auf Platz 33. Manziel ist zwar ein begnadeter Trinker, aber ganz offensichtlich kein so begabter Spielmacher. Wahrscheinlich hat ihn Browns-Trainer Mike Pettine deshalb nach der Veröffentlichung eines weiteren Party-Videos zum dritten Spielmacher des Vereins degradiert. Die Botschaft: Sauf' von mir aus weiter! Aber spiel' nicht mehr.

© SZ vom 29.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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